Kolumne

Eine Zweiteilunge bringt nichts

05.05.2000

Ende Mai entscheidet Richter Thomas Jackson darüber, ob Microsoft in zwei Unternehmen aufgeteilt wird. Stimmt er für die Zerschlagung, folgt er zwar dem Strafvorschlag von 17 klagenden Bundesstaaten und des Justizministeriums, erreicht aber in der Sache relativ wenig. Microsoft legt natürlich Berufung gegen dieses Urteil ein und wird das Verfahren in die Länge ziehen, um wie bisher neue Versionen seines Betriebssystems mit zusätzlichen Funktionen auszurüsten.

Warum macht Microsoft das, und warum ist Bill Gates nicht auf den Vergleichsvorschlag eingegangen? Der sah keine Zerschlagung vor, da ging es im Prinzip darum, Microsofts Kontrolle über das Betriebssystem einzuschränken, mit dem das Unternehmen fast jeden PC-Anwender und Softwareentwickler im Griff hat. Das wäre für Microsoft allerdings viel schlimmer gewesen als eine Zerschlagung in eine Anwendungs- und eine Betriebssystem-Organisation. Über die Weiterentwicklung von Windows und die zunehmende Internet-Fähigkeit ihrer Applikationen hoffen die Redmonder nämlich, ihre enorme installierte Basis ins Internet-Zeitalter hinüberretten zu können. Ohne den Hebel Windows aber, mit dem sie heute der gesamten Industrie den Takt vorgeben, hätten sie nicht genug Zeit für diese Entwicklung.

Deshalb ist mit einer Zerlegung in zwei Firmen für die Anwender und die Mitbewerber nicht viel gewonnen. Die Justiz sollte vielmehr ernsthaft erwägen, Windows zwangsweise dem Open-Source-Modell zuzuführen. Auch wenn nur der heutige Stand der verschiedenen Windows-Versionen öffentlich zugänglich gemacht würde, könnte sich die Situation der Wettbewerber und Independent Software Vendors stark verbessern. Vielleicht reicht es sogar, ein Lizenzierungsverfahren ähnlich dem Community-Licencing-Modell für Java einzurichten: In diesem Modell könnte jeder kostenfrei Windows im Quellcode beziehen. Erst wenn auf dieser Basis Produkte entstehen oder verkauft werden, müssen Lizenzgebühren entrichtet werden. Das würde Microsoft nicht die Möglichkeit nehmen, von der Nähe zwischen Betriebssystem und Anwendungen zu profitieren, würde den Wettbewerbern aber mehr Chancen bieten, konkurrenzfähige Produkte zu entwickeln. Und dann wäre es Microsoft auch nicht mehr möglich, durch eine Knebelung der Anwender Innovationen der Konkurrenten zu torpedieren.