Kolumne

"Eine zweite Chance für Compaq?"

29.06.2001
Christoph Witte Chefredakteur CW

Wie sehr sich die Zeiten und die Branche ändern, lässt sich besonders gut an Compaq ablesen. Fast scheint es, als wolle sich das Unternehmen neu erfinden: Angefangen damit, dass Unternehmenschef Michael Capellas den Fokus von Hardware auf Software und Service verschieben will, über die aggressive Linux-Unterstützung bis hin zur Konsolidierung des kompletten Hardwareangebots auf Intels Itanium-Architektur (siehe Seite 1 und 20) bleibt kaum ein Stein auf dem anderen.

Mit der Vereinheitlichung der Plattformen gibt Compaq den Versuch endgültig auf, die Architekturen der aufgekauften Hersteller Tandem (Nonstop Himalaya) und Digital Equipment (Alpha) am Leben zu erhalten. Dabei hatten die Texaner die beiden Unternehmen übernommen, um ihr Portfolio um leistungsstarke Server zu erweitern und damit als Player in der Unternehmens-DV ernst genommen zu werden. Neben den ausfallsicheren Tandem-Rechnern und den auf 64-Bit-Alpha-Prozessoren basierenden Digital-Maschinen sollte dazu auch die ausgewiesene Vertriebs- und Servicekompetenz von DEC beitragen.

Die Rechnung ist offenbar nicht aufgegangen. Wie so oft bei Fusionen und Übernahmen wurden die Schwierigkeiten unterschätzt, verschiedene Firmenkulturen zusammenzubringen und so unterschiedliche Plattformen und Betriebssysteme wie Nonstop-Kernel, Open VMS, Unix sowie natürlich Windows zu unterstützen. Das kann sich Compaq in so mageren Zeiten wie diesen, in denen die Company zudem Marktanteile verliert, nicht mehr erlauben. Übrigens dürfte auch das angekündigte Vorhaben, sämtliche Betriebssysteme auf Intels IA-64-Architektur zu portieren, schnell Makulatur werden. Das Versprechen dient in erster Linie der Anwenderberuhigung - vor allem die leidgeprüften Open-VMS-Nutzer sollen bei Laune gehalten werden. Komplett eingelöst wird es wohl kaum, schließlich wäre die Konsolidierung der Hardwareplattform erst die halbe Miete, wenn die fünf Betriebssysteme weiter unterstützt werden müssten.

Das kann sich Compaq auf Dauer nicht leisten. Der Grund dafür liegt nicht nur in der angespannten Marktsituation, sondern hat auch mit dem Einsatz von Ressourcen zu tun. Mit dem historisch gewachsenen Architektur-Patchwork auf den Schultern könnte sich Compaq gar nicht zu einer plattformunabhängigen Service-Company entwickeln: Das würde ökonomisch keinen Sinn geben und wäre nicht glaubwürdig.

Compaqs Aufgabe lautet also: Dieselben Kunden, die im Hardwaregeschäft zwangsläufig verärgert werden, sollen im Software- und Service-Business gehalten werden. Ein schwieriges Unterfangen.