Tabellenkalkulation auf Großrechnersystemen:

Eine sinnvolle Alternative zum Spreadsheet auf dem PC

06.01.1989

Individuelle Auswertungen werden vielfach mit Tabellenkalkulationsprogrammen durchgeführt. Auf dem PC erfreuen sich solche Programme allgemeiner Beliebtheit und gehören mittlerweile fast zur Standardausrüstung. Ein Spreadsheet auf dem Großrechner hingegen löst oft Verwunderung aus. Peter Becker* erörtert Im folgenden Beitrag, wo die Unterschiede zwischen PC- und Host-Einsatz liegen, und welche Aspekte für die Host-Lösung sprechen.

Bei vielen Unternehmen ist ESS, eine Tabellenkalkulation für Großrechner, seit Jahren erfolgreich im Einsatz. Der Erfolg zeigt sich an der wachsenden Zahl der Anwender, die ein solches Programm, das ein anschauliches und vertrautes Konzept elektronisch umsetzt und in der Handhabung ähnlichen Komfort bietet wie vergleichbare PC-Software, schnell im Griff haben.

Hohe Kapazität spricht für Großrechnerlösung

Anwendungen finden sich in erster Linie im Bereich Rechnungswesen aber auch in allen anderen Fachabteilungen, da Planungs- und Kontrollrechnungen vom technischen Bereich bis zum Werkschutz zu den alltäglichen Anforderungen gehören. Die Tabellenkalkulation als Universalwerkzeug gehört folglich oft zum Schulungsplan für Erstanwender.

Voraussetzung für den Einsatz auf dem Großrechner ist die Ausstattung der Arbeitsplätze in den Fachabteilungen mit Terminals. Diese an sich triviale technische Bedingung verweist sogleich auf den Kern der zugrundeliegenden Problematik, nämlich die Entscheidung, individuelle Datenverarbeitung einzusetzen, das heißt, dem Benutzer DV-Leistungen zur Verfügung zu stellen, wo und wann sie in den täglichen Abläufen gebraucht werden.

Zeitliche und räumliche Verfügbarkeit ist sicherzustellen, damit der Benutzer sich der Datenverarbeitung bedienen kann. Dazu gehört nicht nur die technische Versorgung mit Hard- und Software, sondern ebenso entsprechende Ausbildungs- und Betreuungsleistungen, eingebunden in ein durchgängiges DV-Konzept, das den mündigen und aktiven Anwender unterstützt und gleichzeitig zur Entlastung der DV-Abteilung im Bereich der Anwendungsentwicklung beiträgt.

Daß in den Werkzeugkasten dieses Anwenders eine Tabellenkalkulation gehört, ist unstrittig, wie der Erfolg entsprechender PC-Produkte zeigt. Daß die Realisierung eines solchen DV-Konzeptes auf dem Großrechner erfolgversprechend und ökonomisch ist, wird zum Teil hitzig diskutiert und gehört zu den grundlegenden strategischen Fragen in vielen Unternehmen.

Für die Großrechnerlösung bei der Tabellenkalkulation spricht eindeutig die Kapazität. Hohe Prozessorleistung und großer Hauptspeicher sind überall da nicht nur vorteilhaft sondern unerläßlich, wo große und sehr große Tabellen verarbeitet werden müssen, die sich auf dem PC entweder gar nicht erzeugen lassen oder enorme Antwortzeiten verursachen.

Sicher sind kleinere Ad-hoc-Kalkulationen ein Hauptanwendungsgebiet für Spreadsheet-Programme, aber große Tabellen entstehen spätestens dann, wenn tabellarische Daten periodisch oder abteilungs-/geschäftsstellenbezogen konsolidiert werden müssen. Die Möglichkeit, solche Tabellen dreidimensional darzustellen, erleichtert die Bearbeitung für den Benutzer beträchtlich, ist aber leider bei vielen PC-Produkten noch nicht realisiert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Integration eines solchen Werkzeuges in die bestehenden Datenstrukturen und Abläufe. Alle für das Unternehmen relevanten Daten sind in der Regel auf dem Großrechner vorhanden. Ein Transport auf PC-Systeme einschließlich der notwendigen Konvertierungen verursacht gehörigen Aufwand und Unsicherheit in bezug auf Aktualität und Konsistenz der individuellen Auswertungen.

Mit der Tabellenkalkulation auf dem Host ist der direkte Zugriff auf zentral geführte Datenbestände in TSO- oder CMS-Dateien, aber auch auf KSDS in VSAM mit Selektion nach Schlüssel oder beliebigen Feldinhalt möglich. Damit ist gewährleistet, daß der autorisierte Anwender ohne Aufwand für die DV-Abteilung die Daten für seine individuelle Auswertung heranziehen kann. Eine direkte Schnittstelle zum DB2 erweitert diese Zugriffsmöglichkeiten noch beträchtlich. Ebenso nützlich sind Schnittstellen zu gängigen PC-Produkten, die es erlauben, Tabellen zwischen PC und Host durch einfaches Up- oder Down-Load ohne Aufwand für die Konvertierung der entsprechenden Datenformate auszutauschen.

Selbstverständlich muß ein solches Host-Produkt über eine eigene Makro-Sprache verfügen, die es dem Benutzer ermöglicht, mehrfach benötigte Verarbeitungsschritte mit den bekannten Mitteln der Kommandosprache als Prozedur darzustellen und bei Bedarf zur Ausführung aufzurufen. Darüber hinaus gibt es allerdings hier die Möglichkeit, solche Prozeduren in CLIST oder REXX zu schreiben und so unter Ausnutzung dieser Sprachmenge dem Benutzer viele Leistungen zur Verfügung zu stellen. Derartige Lösungen bieten sich an für komplexe Ladevorgänge, beispielsweise aus VSAM oder DB2-Datenbeständen, bei denen die Kenntnis von Satzaufbau oder Abfragesprache dem Benutzer nicht zuzumuten ist.

Es lassen sich aber auf diese Weise auch komplette Anwendungen mit Benutzerführung und Plausibilitätsprüfungen realisieren, die es dem Gelegenheitsanwender ermöglichen, völlig ohne Kenntnis der Kommandosprache die vorbereiteten Anwendungen zu nutzen.

Eine weitere wichtige Schnittstelle zu anderen Großrechner-Anwendungen ist die Unterstützung von grafischen Darstellungen mit den gängigen Host-Grafik-Programmen. Per Kommando oder per Prozedur läßt sich jeder beliebige Ausschnitt der Tabellen sofort am Bildschirm grafisch darstellen, wenn die erforderliche Hard- und Softwareausstattung vorhanden ist, ohne dabei die Tabellenkalkulation zu verlassen. Als wichtiges Mittel der übersichtlichen Darstellung wird diese Möglichkeit gerade für Berichte oft genutzt.

Mehr Sicherheit als beim Personal Computer

Die bisher genannten Unterschiede zu PC-Lösungen sind sicher relevant, von entscheidender Bedeutung ist allerdings der Aspekt der Datensicherheit. Datenbestände auf dem Großrechner lassen sich durch den Einsatz geeigneter Werkzeuge besser und vor allem kontrollierbar gegen unberechtigten Zugriff schützen. Ein Problem, dessen Bedeutung besonders bei personenbezogenen und internen Unternehmensdaten besondere Aufmerksamkeit erfordert. Der Einsatz von PC-Systemen in diesem Bereich läßt trotz umfangreicher und strikter Arbeitsanweisungen viele Probleme offen.

Der Schutz gegen Datenverluste ist durch die Einbindung der Tabellendaten in die betrieblichen Sicherungsprozeduren nicht total, aber doch in einem Maße gewährleistet, wie er sich beim PC-Einsatz größten Aufwands nicht herstellen läßt.

Zentraler Benutzerservice erleichtert Installation

Individuelle Datenverarbeitung ohne entsprechende Betreuung durch einen Benutzerservice ist nicht zu realisieren. Aus dieser Sicht schlägt bei einer Großrechnerlösung zu Buche, daß die Installation einmalig bei Releasewechsel zentral erfolgt und somit wenig Aufwand erfordert. Relevante Parameter lassen sich bei der Installation einstellen Darstellung des Dezimalzeichens und Datums, Speicherbegrenzung usw. -, allerdings auch später über system- oder userbezogene "Profiles" ändern. Dadurch ist eine Konsistenz gegeben, die es den Anwendern erlaubt, Ihre Tabellen gemeinsam zu nutzen oder problemlos auszutauschen. Die Unterstützung bei Problem- oder Fehlerzuständen kann zentral erfolgen. Ohne daß der Betreuer seinen Arbeitsplatz verläßt, kann er mit dem Anwender kommunizieren, dessen Anwendung überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Anwendungen oder Hilfsprozeduren können zentral entwickelt und zur Verfügung gestellt werden. Vorteile, die im Alltag des Benutzerservice nicht zu unterschätzen sind.

Bei jeder Entscheidung für ein Produkt, oder wie hier für ein Konzept, spielen die Kosten eine wichtige Rolle. Bei deren Betrachtung sind natürlich die unternehmensspezifischen Gegebenheiten ausschlaggebend. Sind bereits Terminals an den Arbeitsplätzen vorhanden, ist die Anschaffung eines Spreadsheets für den Host sicher preisgünstig und die Kosten pro Anwender reduzieren sich bei steigender Anwenderzahl. Darüber hinaus muß jedoch die CPU-Kapazität bereitgestellt werden, die notwendig ist, wenn eine Vielzahl von Anwendern mit einem doch recht mächtigen Werkzeug arbeitet.

Bei einer PC-Lösung stehen dem gegenüber die Kosten für Hard- und Software, aber auch der Aufwand für das mehrfache Führen der gleichen Datenbestände, die Betreuung der Benutzer vor Ort und die oft geringe Ausnutzung der PCs. Auch ist zu berücksichtigen, daß neue Releases von PC-Produkten in der Regel neu gekauft werden müssen, die bei Host-Produkten im Rahmen der Software-Wartung ausgeliefert werden. Die Kosten für diese Tabellen und auch für etwaige Datenverluste sind nur schwer zu kalkulieren und werden deshalb oft nicht in entsprechende Betrachtungen einbezogen.

In bezug auf

- Leistungsfähigkeit

- Integration in die bestehende DV-Struktur

- Datensicherheit

- Benutzerunterstützung

- Kosten

ist Tabellenkalkulation auf dem Großrechner sicher eine Lösung für viele Anwendungsprobleme in den Fachbereichen und kann zum Abbau des Anwendungsstaus bei gleichzeitiger Entlastung der DV-Abteilung von Entwicklungsaufgaben beitragen.

Der Einsatz hängt jedoch ab von der weitreichenden Entscheidung, individuelle Datenverarbeitung auf dem Großrechner zu realisieren. Das wiederum kann nur gelingen im Rahmen eines Konzeptes, das Auswahl und Bereitstellung der Software-Werkzeuge, Ausbildung und Betreuung der Benutzer sicherstellt, mit dem Ziel, mündigen und aktiven Anwendern die DV-Leistungen am Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.