Lünendonk-Studie zum Mobile Enterprise

Eine echte Mobile Strategie haben die wenigsten Unternehmen

02.04.2014
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Eine aktuelle Lünendonk-Studie stellt deutschen Unternehmen ein eher schlechtes Zeugnis in Sachen Mobile Strategie aus. Nur allzu oft wird Mobility auf BYOD reduziert. Wir haben mit CIOs sowie Anbietern und Beratern die Studienergebnisse diskutiert.

Lediglich etwas mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen hat der Lünendonk-Studie "Mobile Enterprise" zufolge eine mobile Strategie. Im Zuge der Studie wurden 91 deutsche Unternehmen befragt, wovon das Gros 3.000 und mehr Mitarbeiter haben.

Das Gros der mobilen Nutzung besteht aus E-Mail, Kalender und Kontakten.
Das Gros der mobilen Nutzung besteht aus E-Mail, Kalender und Kontakten.
Foto: Lünendonk

Geht es um das Business-Potential von Mobile, so fällt auf, dass eher Nicht-ITler die Chancen der mobilen Technik für das Business positiv beurteilen. Ein Grund für die eher zurückhaltende Einstellung der IT könnte sein, dass sie eher Themen wie Security, Governance und Compliance als Risiken wahrnehmen und auch beim Thema BYOD im Vergleich zu den Fachabteilungen das Risiko einer "privaten mobilen Schatten-IT" sehen.

Fahren die Unternehmen bewusst eine Mobile Strategie, dann setzen 80 Prozent auch eine MDM-Lösung ein und haben zu 30 Prozent einen Enterprise-App-Store. Allerdings scheinen die Tage der App-Stores gezählt zu sein. Während die Fachabteilungen noch native Apps bevorzugen, plädieren die IT-Abteilungen für den Einsatz von Web-Apps oder Hybrid-Apps.

Ein Wunsch, der durchaus plausibel ist, wenn man ein anderes Ergebnis der Studie betrachtet: 50 Prozent der IT-Abteilungen müssen zwei bis drei mobile Betriebssysteme unterstützen. 20 Prozent befinden sich sogar in der wenig beneidenswerten Lage mehr als drei Systeme unterstützen zu müssen. Spitzenreiter ist dabei im B2B-Bereich Apples iOS mit fast 75 Prozent. Allerdings unterstützt die IT in der Hälfte der Unternehmen heute auch noch Blackberry. Und das häufig als unsicher verschriene Android wird bereits von rund 45 Prozent der IT-Mannschaften offiziell supported.

Im deutschen Business-Umfeld hält sich der Blackberry noch wacker.
Im deutschen Business-Umfeld hält sich der Blackberry noch wacker.
Foto: Lünendonk

Deutliche Unterschiede zeigen sich, wenn man die Strategien nach B2B und B2C differenziert. So entscheiden sich eher Unternehmen mit einer B2C-Ansprache für eine Multi-Channel-Plattform als Firmen, die Mobile für B2B-Prozesse nutzen. In beiden Fällen müssen aber häufig etablierte Prozesse aufgebrochen werden, um eine vernünftige Mobile Integration zu realisieren. Gerade im B2C-Bereich sollte dabei der Consumer der Fixstern der Entwicklung sein, mahnt etwa Hartmut Lüerßen, Partner bei Lünendonk.

Aus den Ergebnissen selbst, lassen sich unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. Wir haben deshalb mit CIOs, Anbietern und Beratern über die Studie diskutiert und sie um ihre Einschätzung gebeten

Kai Höhmann,

Vorstand der Seven Principles AG

Kai Höhmann, Vorstand der Seven Principles AG
Kai Höhmann, Vorstand der Seven Principles AG
Foto: Joachim Wendler

Das Mobile Enterprise ist weniger eine Technik- als eine Business-Frage. Deutsche Unternehmen sehen beim Thema Mobile eher die Risiken als den Nutzen. Die Kontrolle von Content und Device Management sind aber noch keine Mobile Strategie. Beim Thema Mobility ist jeder User weiter als sein Betrieb, weshalb Mobile eher von den Mitarbeitern und Fachbereichen als von der IT getrieben wird. Der CIO befasst sich oft nur aus der Not heraus damit. Der Consumer ist der Benchmark, um den Erfolg einer Mobile Strategie zu messen. Eine gelungene Mobile Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass sich Unternehmen in den Enduser beziehungsweise im B2C in den Endkunden hineinversetzen.

Raphael Heiner

Head of Mobile Solutions bei PwC

Raphael Heiner, Head of Mobile Solutions bei PwC
Raphael Heiner, Head of Mobile Solutions bei PwC
Foto: Joachim Wendler

Das Ganze ist auch eine Sourcing-Frage. Viele Unternehmen sind zum Teilen noch nicht bereit. Diese Firmen müssen ihre protektive Haltung aufgeben, wenn die Projekte Erfolg haben sollen. Oft beschränkt sich eine Mobile Strategie nur auf die Presence-Funktion. Erschwerend kommt hinzu, dass beim Mobile Enterprise häufig eine Silostrategie gefahren wird - eine Integration also nicht stattfindet.

Michael Hagedorn

Leiter Public Services bei Steria Mummert Consulting AG

Michael Hagedorn, Leiter Public Services bei Steria Mummert Consulting AG
Michael Hagedorn, Leiter Public Services bei Steria Mummert Consulting AG

Mobility ist im Koalitionsvertrag der neuen Regierung leider nicht so prominent verankert wie erforderlich. Aber die Öffentliche Hand ist im Rahmen von E-Government dabei. Allerdings steht sie erst am Anfang und muss bei ihren Prozessen den Bürger als Kunden begreifen. Das ist ein anderer Fokus als beim interbehördlichen Management. Ferner hat sie einen starken Nachholbedarf beim Thema Security und Datenschutz. Erste, konkrete mobile Bürgerdienste sind in den nächsten drei Jahren zu erwarten.

Jürgen Martin

Corporate Executive Vice President Marketing & Consulting bei Devoteam

Jürgen Martin, Corporate Executive Vice President Marketing & Consulting bei Devoteam
Jürgen Martin, Corporate Executive Vice President Marketing & Consulting bei Devoteam
Foto: Joachim Wendler

Mobile Ideen müssen auf Geschäftsideen abgebildet werden. Deshalb ist Mobility kein Selbstzweck. Viele Unternehmen kommen aber noch immer von der eher technischen Fragestellung: Wie gehe ich mit ByoD um? Unternehmen betrachten das Mobile Enterprise noch zu sehr durch die ByoD-Brille. In meinen Augen sind wir in Sachen Mobile Enterprise gar nicht so weit, wie wir glauben. Einen echten Mehrwert biete Mobile aber erst durch eine Optimierung der Geschäftsprozesse oder der Erschließung neuer Umsatzpotenziale. Erstaunlich finde ich, dass viele Unternehmen Dienstleistungen oder die Leistungserbringung für Kunden im Fokus haben. Eventuell spielen hier Beispiele wie Car2Go eine Rolle.

Raphael Vaino,

Senior Vice President Senacor

Raphael Vaino, Senior Vice President Senacor
Raphael Vaino, Senior Vice President Senacor
Foto: Joachim Wendler

Um aus dem Mobile Enterprise eine Wertschöpfung zu erzielen, müssen teilweise alle Prozesse aufgebrochen werden. Kleine Unternehmen sind hier flexibler. Die Öffentliche Hand liegt zwar momentan zurück, könnte aber in zwei bis drei Jahren die Unternehmen schlagen, da sie zurzeit viel investiert. Dabei können die Behörden breiter investieren, so dass die neuen Plattformen mehr Möglichkeiten offerieren.

Die Getriebenen

Eine Erkenntnis der Lünendonk-Studie "Mobile Enterprise Review" lautet ja, dass eher die Non-ITler, sprich Fachabteilungen, den Nutzen mobile Anwendungen positiv sehen. Und diese erzeugen dann auf der Supply-Seite - in der IT - einen entsprechenden Druck, weil sie eine schnelle Umsetzung erwarten. Die IT-Verantwortlichen von DHL, Scout24 und Easycredit berichten, wie sie in ihren Unternehmen das Thema Mobile Enterprise angehen.

Markus Voss,

SVP Global IT Strategy & Solutions bei DHL Supply Chain

Markus Voss, SVP Global IT Strategy & Solutions bei DHL Supply Chain
Markus Voss, SVP Global IT Strategy & Solutions bei DHL Supply Chain
Foto: Joachim Wendler

Bei uns ist die Frage nach dem Device noch nicht endgültig entschieden. Im stark wachsenden BYOD-Bereich haben wir beispielsweise etwa 1600 iOS-Geräte, 1000 Android und rund 40 Windows Devices im Einsatz. Ähnliches gilt für Geräte im Unternehmensbesitz. Aus Sicherheitsgründen gibt es sensible Bereiche, wo diese company owned devices unverzichtbar sind. Dazu gehören etwa auch die Barcode-Scanner in der Logistik. Android-Geräte können das viel billiger als bisherige Geräte, auch wenn es Geräte sein müssen, die für den betrieblichen Einsatz geeignet sind (zum Beispiel stossfest).

Der Kostenvorteil gehört denn auch zu den drei Punkten die ich als Vorteil eines Mobile Enterprise sehe. Mit Tablets kann ich gegenüber Desktop-PCs sparen und habe noch den positiven Aspekt, dass der Mitarbeiter nicht mehr abgetrennt in einem Raum sitzt, sondern sich direkt im Lager unter seinen Mitarbeitern bewegen kann. Ebenso vereinfacht es den Informationsaustausch mit Partner und Kunden. Den Hauptnutzen des Mobile Enterprises sehen wir als B2B-Unternehmen jedoch in Prozessoptimierungen: so lassen sich zum Beispiel Inventuren optimieren oder im Transportbereich kann der Fahrer jetzt in Echtzeit mitteilen, dass er abgeliefert hat.

Unter dem Strich werden wir aber nicht alle Mitarbeiter mit Mobiles ausstatten. Zur Zeit sind wir bei rund sieben Prozent. Allerdings könnte sich das Bild gerade in der Logistik mit dem Aufkommen der Wearables ändern - so arbeiten wir vielfach mit Ringscannern und pilotieren zum Beispiel Augmented Reality Brillen für komplexe Prozesse.

Reinhold Rehbichler,

Bereichsleiter IT bei easyCredit

Reinhold Rehbichler, Bereichsleiter IT bei easyCredit
Reinhold Rehbichler, Bereichsleiter IT bei easyCredit
Foto: Joachim Wendler

Als IT-Abteilung sind wir durch das iPhone in eine andere Situation geraten. Die Non-ITler treten jetzt mit der Erwartungshaltung ihrer privaten mobile-Nutzung an uns heran. , Dabei lösen iPhone und iOS nicht die grundsätzlichen Mobility-Probleme, da diese nicht für den Firmenkundenbereich ausgerichtet sind. Insgesamt stellt sich abseits jeder Effizienz-Diskussion bei der mobil-Strategie nur eine zentrale Frage: Was bringt Nutzen für den Anwender?

Dabei gilt es Kommunikationsbrüche innerhalb der unterschiedlichen Kunden-Zugangswege zu vermeiden. In unserer Branche bedeutet das etwa, dass eine Kunde, der mobil einen Geschäftsprozess begonnen hat, diesen dann auch mit einem Berater in einer Filiale fortsetzen kann, ohne dass seine Daten alle nochmals erfasst werden. Deshalb sind Multichannel-Strategien für uns ein wichtiges Thema.Zudem hat die Security bei uns einen ganz besonderen Stellenwert. Sicher wird irgendwann eine mobile Plattform geben, die alles abdeckt. Aber derzeit lässt sich eine Mobilisierung aller Prozesse, sowohl unter Security- als auch unter Kostenaspekten nicht abbilden.

Intern ist ByoD für uns aus rechtlichen Gründen nicht darstellbar. Wir sind auf Blackberry 10 gegangen und unterstützen zwangsläufig wegen der Endgeräte auch iOS. Unsere Präferenz wäre eigentlich Windows Phone gewesen, was wir auch pilotiert haben. Allerdings wäre der Zusatzaufwand nicht zu rechtfertigen gewesen.