Eine DV-Fachschule mit drei Ausbildungszweigen

10.01.1975

BÖBLINGEN - Im Herbst dieses Jahres haben an der Fachschule für Datenverarbeitung und Organisation in Böblingen 79 Studenten ihr viersemestriges Studium mit dem staatlich geprüften Betriebswirt DV abgeschlossen. Diese Ausbildung umfaßte Datenverarbeitung (56 Prozent), Betriebswirtschaft (zirka 28 Prozent) und allgemeinbildende Fächer (etwa 16 Prozent). Die Absolventen können sich als Betriebswirte mit Fachhochschulreife und als DV-Fachleute im Sinne eines Organisationsprogrammierers verstehen.

Inzwischen bietet die Fachschule Weiterbildungswilligen einen zweiten Ausbildungszweig an: Erfolgreiche Absolventen einer Technikerschule, die zumindest den Nachweis einer einjährigen Berufspraxis erbringen, können in zwei Semestern zum Industrieinformatiker herangebildet werden. Diese Ausbildung umfaßt ausschließlichen Unterricht in DV-Fächern mit Schwerpunkt auf technischen Anwendungen. Dazu meint Schulleiter Werner E. Brender: "Es handelt sich beim Industrieinformatiker um eine echte, praxisgerechte DV-Zusatzausbildung für jene, die bereits eine qualifizierte technische Berufsausbildung besitzen. Es ist dringend notwendig, daß dieses zukunftsorientierte Modell der Industrieinformatik durch eine entsprechende Schulordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums sanktioniert wird."

Im Herbst 1975 soll mit dem dritten Ausbildungszweig Arbeitstitel "Wirtschaftsinformatiker", begonnen werden. Staatlich geprüfte Betriebswirte mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung können sich in einem zwölfmonatigen Ausbildungslehrgang voll auf den Erwerb von praxisorientierten DV-Kenntnissen konzentrieren.

Fehlende Förderungsmittel

Mit dem beabsichtigten Ausbau der Unterrichtskapazität von gegenwärtig 200 auf etwa 500 Studierende und dem angestrebten Status "DV-Bildungszentrum des Landes Baden-Württemberg" erhoffen sich Schulleitung und Schulträger (der Landkreis Böblingen) eine Linderung ihrer finanziellen Sorgen: Die geplante Aufstockung auf 500 Studierende entspricht nämlich den Anforderungen des Zweiten DV-Förderungsprogramms der Bundesregierung für DV-Bildungszentren. Bisher hat die Fachschule, sie wurde 1972 mit einer IBM-Starthilfe von über drei Millionen Mark als erste Fachschule dieser Art in der Bundesrepublik gegründet, noch keine Mittel aus dem Zweiten DV-Förderungsprogramm erhalten.

Dem DV-Bildungszentrum im Berufsfortbildungswerk des DGB in Hochdahl dagegen griff die Bundesregierung mit Zuschüssen aus diesem Programm von etwa 21 Millionen Mark (Computerwoche Nr. 5 vom 11. Dezember 1974) unter die Arme. Brender erbost: "Als unser Antrag auf Förderungsmittel abgelehnt wurde, habe ich beim zuständigen Staatssekretär protestiert und gefragt, ob das Zweite DV-Förderungsprogramm nur für den DGB da ist!"

Freie Entscheidungen

Im Hinblick auf die großzügige IBM-Spende hat Schulleiter Brender "keinerlei Befürchtung", daß es sich etwa um eine "IBM-Fachschule" handeln könnte. "lch bin in meinen Entscheidungen frei, welche weiteren Fabrikate wir zum Beispiel bei den gewünschten Beleglesemaschinen, weiteren Installationen aufdem Gebiet der Datenfernverarbeitung nehmen. Wegen der Ausbildung von Industrieinformatikern bekommen wir einen Siemens Prozeßrechner 320."

Die "ausgezeichnete Maschinenausstattung", so Brender, umfaßt zur Zeit eine IBM 370-135 mit einem Hauptspeicher von 192 K. Die Peripherie mit Platten laufwerken und Bändern (teilweise von BASF) sowie Bildschirmen entspricht dem neuesten Stand. Die derzeitige Monatsmiete ist für schulische Verhältnisse ziemlich hoch: runde 55 000 Mark.

Förderwerein gegründet

Gegen eine zu starke IBM-Einflußnahme spreche auch die ausgewogene, enge Verbindung zu Herstellern und zu Anwendern gleichermaßen: Jeder Studierende geht einmal jährlich zu einem sechswöchigen Praktikum, das bei Studierenden der Fachrichtung "Betriebswirtschaft" nach dem ersten Semester ein Programmierpraktikum, nach dem dritten Semester ein Organisationspraktikum sein sollte. Außerdem wurde im September 1974 ein Förderverein gegründet, dem derzeit 60 ehemalige und Nochstudenten sowie 20 Firmen angehören. Neben IBM ist die Herstellerseite unter anderem mit Siemens, die Anwenderseite unter anderem mit Daimler Benz, Deutsche Linoleum-Werke, WMF, Südmilch und Ciba-Geigy vertreten.