DV-Ausbildung: Geschäft oder Gemeinnützigkeit?

Eine Arbeitsteilung ist nötig

01.10.1976

Wer soll die DV-Ausbildung eigentlich bezahlen - der Staat über öffentliche oder öffentlich geförderte Schulen und über die Arbeitsförderung, der Anwender, der Hersteller oder der Teilnehmer an "Bildungsmaßnahmen"? Muß das Bildungsgeschäft subventioniert werden, kostendeckend arbeiten oder Gewinn abwerfen? Ist nur das privatwirtschaftlich organisierte Bildungsunternehmen ausreichend praxisnah?

Die Diskussion (CW Nr. 33/34 vom 13. August 1976 "EDV-Ausbildung in der Krise") wurde neu belebt, seitdem verschiedene, einst durch das DV-Programm des Bundes geförderte Bildungseinrichtungen Mühe haben, ihre Kapazität auszulassen. Wettbewerb ist gut - aber eine sinnvolle Arbeitsteilung ist ebenfalls nötig.

Dem Kenner der augenblicklichen Situation in den staatlich genehmigten EDV-Bildungseinrichtungen stellen sich angesichts freier Plätze und einer Kritik an der "volkswirtschaftlichen Effizienz" solcher Schulen verschiedene Fragen:

1. Wie verhält es sich mit den Steuergeldern, die in diesen Einrichtungen: "in ausreichendem Maß verkonsumiert" werden?

Von den Subventionen für die Datenverarbeitung floß nur ein verschwindend geringer Anteil als Initialzündung in staatlich anerkannte Bildungseinrichtungen. Der Hauptteil der Fördermittel ging an die EDV-Hersteller, nach deren Ansicht die bisher vermittelte DV-Bildung noch längst nicht ausreicht.

Geht man davon aus, daß für die erfolgreiche Entwicklung der Datenverarbeitung in Wirtschaft und Verwaltung auf breiter Basis und auf möglichst vielen Ebenen des Bildungssystems Fachwissen vermittelt werden muß, dann stellen die DV-Bildungsmaßnahmen in staatlich anerkannten Schulen wesentliche Teile einer "Infrastruktur" dar.

Als Konsequenz ist allerdings für die nach streng erwerbswirtschaftlichen Prinzipien geführten Ausbildungseinrichtungen der DV-Hersteller eine nicht unerhebliche Verkleinerung des Marktes zu verzeichnen.

2. Wie steht es mit der "volkswirtschaftlichen Effizienz"?

Die in der Bundesrepublik tätigen DV-Bildungsinstitute - soweit sie nicht von EDV-Herstellern getragen werden - haben sich in der ADVB zum Zwecke ständigen Erfahrungsaustausches zusammengeschlossen. Bisher ist in dieser Arbeitsgemeinschaft noch kein geeignetes Mittel gefunden worden, welches die "volkswirtschaftliche Effizienz" ihrer Bildungsmaßnahmen eindeutig unter Beweis stellt. Es wäre sicherlich interessant zu erfahren, worauf sich Kritiker berufen, wenn sie diese Effizienz als gering klassifizieren. Ihre Meinung steht im Gegensatz zu den Ergebnissen der Fachausschußarbeit "Ausbildung in der Datenverarbeitung" bei Bundesministerien und beim Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung und zu den Äußerungen namhafter EDV-Praktiker.

3. Wie "praxisfern" ist "subventionierte", wie "praxisnah" ist "nicht-subventionierte" DV-Ausbildung?

Wer DV-Bildungsmaßnahmen sowohl in Herstellerschulen wie etwa im Control-Data-Institut, als auch in staatlich anerkannten Fachschulen für EDV besucht hat, ist mit Sicherheit darüber informiert, daß in beiden Fällen die Arbeit mit dem Computer im Vordergrund steht. Gerade die aus Mitteln des 2. DV-Programms subventionierten DV-Bildungseinrichtungen verfügen über beispielhafte maschinelle Ausstattungen. Die "Praxisnähe" bei diesen Einrichtungen in Frage zu stellen, ist absurd, allerdings verständlich, wenn keine Erfahrung über die Arbeit in diesen Institutionen vorliegt.

4. Gibt es eine "Krise in der EDV-Ausbildung"?

Diese Krise gibt es tatsächlich. Sie ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, daß in staatlich anerkannten DV-Bildungseinrichtungen "mit äußerst geringer volkswirtschaftlicher Effizienz" oder "praxisfern" gearbeitet wird.

Berufliche Fortbildung qualifizierter Fachkräfte ist ohne materielle Förderung der Teilnehmer kaum durchführbar. Diese Einsicht hat zur Schaffung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) geführt. Denn allein den DV-Anwendern die Kosten der Mitarbeiterqualifikation aufzubürden, ist nicht tragbar.

Daß die anfänglich funktionierende Vorsorgung des Arbeitsmarktes mit DV-Personal auch aus staatlich anerkannten Bildungseinrichtungen nach den Restriktionen in der AFG-Förderung seit dem 1. 1. 1976 unterbrochen worden ist, kann nur auf diese Gesetzesänderung zurückgeführt werden. Die bestehende Krise in der Auslastung dieser DV-Bildungseinrichtungen ist vorhanden. Ihre Ursachen liegen allerdings nicht in der Ausbildungsqualität der Einrichtungen.

5. Gibt es Möglichkeiten zur langfristigen Sicherung der EDV-Ausbildung?

Ist die derzeitige Krise bei den staatlich anerkannten DV-Bildungseinrichtungen tatsächlich "ein im Grunde erfreulicher Vorgang"? Aus der Sicht eines nur durch Teilnehmergebühren finanzierten Institutes mag es zutreffend sein, das Schwierigkeiten bei gemeinnützigen und für die Teilnehmer gebührenfrei arbeitenden Konkurrenzeinrichtungen keine Träne wert sind. Hier stößt man jedoch an die zitierte "volkswirtschaftliche Effizienz" einer solchen Entwicklung. Nimmt man diese gesamtwirtschaftliche Nutzwertanalyse ernst, dann ist es äußerst zweifelhaft, ob die Devise "Jegliche DV-Ausbildung beim Hersteller" zum gewünschten Erfolg führt.

Auf dem Gebiet der DV-Ausbildung ist es an der Zeit, nach einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen den Herstellerschulungszentren und den anderen Bildungseinrichtungen zu suchen. Es erscheint volkswirtschaftlich wenig effizient, wenn in den Herstellerschulungszentren Kapazitäten zur Vermittlung von Grundlagenwissen gebunden werden, die für die Vermittlung eines herstellerspezifischen DV-Bildungsangebotes besser verwendet werden könnten.

In diese Richtung sollten die Diskussionen zwischen herstellergebundenen und staatlich anerkannten Bildungseinrichtungen führen. Denn die Praxis der vergangenen 20 Jahre hat gezeigt, daß die Konzentration der DV-Ausbildung auf die Herstellerzentren die DV-Anwender in einem nicht zu vertretenden Maße mit Kosten belastet, darüber hinaus auch den Ausbau der notwendigen "Infrastruktur" zur raschen Verbreitung der EDV-Möglichkeiten hemmt.

Lothar Nahold ist Leiter des DV-Bildungszentrums Erkrath/Hochdahl, das zum Berufsfortbildungswerk des DGB gehört.