Ein Windows-PC für elf Arbeitsplätze

07.09.2005
Von 
Andrej Radonic ist Experte für Virtualisierung, Cloud-Technologien und Open Source Anwendungen. Der Fachbuchautor ist Vorstand der interSales AG und entwickelt für mittelständische Unternehmen anspruchsvolle E-Commerce Lösungen.
Office Station verwandelt einen Desktop-Rechner in einen Terminal-Server.
Für den Vergleich der Stromkosten wurden 220 Arbeitstage mit je acht Stunden Betriebszeit bei 0,15 Euro pro KW/h angesetzt.
Für den Vergleich der Stromkosten wurden 220 Arbeitstage mit je acht Stunden Betriebszeit bei 0,15 Euro pro KW/h angesetzt.

Gerade in typischen Office-Umgebungen bleibt ein Großteil der Rechenkapazität moderner PCs ungenutzt. Diese will der koreanische Hersteller Ncomputing durch seine Thin-Client-Lösung "Office Station" mehreren gleichzeitigen Anwendern erschließen, so dass über einen normalen Windows-PC bis zu zehn - je nach Windows Version auch 30 - Anwender mit einem zentral verwalteten Arbeitsplatz ausgestattet werden können.

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www.computerwoche.de/go/

*75860: Hitachi schmeißt PCs für Thin Clients raus;

*74308: Microsoft ent- wickelt XP für Thin Clients;

*77199: Savvis will Desktop-PCs überflüssig machen.

Pro und Kontra

-- Im Vergleich zu PCs ausfallsicher und praktisch wartungsfrei;

- im Vergleich zu herkömmlichen Thin Clients keine komplexe Infrastruktur nötig;

- einfache Installation;

- gute Arbeitsgeschwindigkeit.

- Keine seriellen, parallelen und USB-Ports;

- kein Überblick über aktive Sitzungen;

- Server nur über feste IP-Adresse ansprechbar.

Da die kleine Box ohne beweg- liche Teile sowie ohne Festplat- te auskommt, ist sie im Ver- gleich zu normalen PCs deutlich ausfallsicherer und gegen Attacken durch Viren und Würmer gefeit. Wie bei herkömmlichen Thin Clients ist sie praktisch wartungsfrei und kommt ohne Installation von Software aus.

Wartungsfreier Client

Während jedoch herkömmliche Thin Clients auf eine komplexe Infrastruktur mit dedizierten Servern, umfangreicher Zusatzsoftware sowie oftmals teuren Lizenzen angewiesen sind, werden mit der Office Station bereits vorhandene PCs zum Terminal Server. Damit soll Server Based Computing auch für kleinere Unternehmen ohne eigene IT-Abteilung erschwinglich werden, wobei die Koreaner eine besonders einfache Inbetriebnahme versprechen.

Die Office Station, die im schicken Gehäuse ohne Lüfter, Festplatte und PC-CPU daherkommt, verbindet sich über LAN, WLAN oder Powerline mit dem Server und kann auch remote über das Internet angebunden werden. Der Zentralrechner muss unter Windows 2000, XP oder 2003 laufen; ab Ende 2005 soll auch Linux unterstützt werden.

Die Hardware-Dimensionierung wird von der Anzahl gleichzeitiger Benutzer bestimmt: Für zehn parallele Anwender empfiehlt der Hersteller einen Rechner mit Pentium IV 3.2 GHz-Hyperthreading-Prozessor und 2 GB RAM. Das proprietäre Windows-over-IP-(WoIP-)Protokoll arbeitet mit 128-Bit-Verschlüsselung und transportiert die Bildschirm-Informationen des Host-PC mit maximal 1280 x 1024 Bildpunkten und 75 Hz und 16 Bit Farbtiefe.

Leichte Installation

Tatsächlich ist die Inbetriebnahme in wenigen Minuten erledigt: Zunächst muss man die mitgelieferte Server-Software auf dem Host-PC installieren. Sinnvollerweise bietet das Setup-Programm gleich die Einrichtung von Benutzerkonten an. Am Thin Client schließt man den Monitor (über den analogen Eingang), die Maus und die Tatstatur sowie Netzwerk und wahlweise einen Kopfhörer an.

Die Office Station geht nach einem sehr kurzen Bootvorgang völlig geräuschlos zu Werke. Sie bezieht ihre Netzwerkdaten per DHCP und ermittelt automatisch sämtliche Terminal-Server im Netz. Ohne weitere Konfiguration kann der Anwender sich am PC anmelden, der nun zum Terminal-Server umfunktioniert wurde, und wie gewohnt arbeiten. Je nach Konfiguration startet dabei der Desktop des Servers, oder es wird direkt eine voreingestellte Anwendung aufgerufen.

Die Arbeitsgeschwindigkeit ist überzeugend. Sie ist im LAN praktisch identisch mit der des Host-PC. In unserem Test diente ein Pentium III mit 1 GHz und 512 MB RAM als Server, der damit deutlich unter Herstellervorgaben lag, aber durch drei gleichzeitige Benutzer (einer an der Konsole, zwei an Office Stations) sowie ein im Hintergrund laufendes aufwändiges Rechenprogramm nicht spürbar gebremst wurde. Auch über eine DSL-Leitung lässt sich zügig auf dem entfernten Rechner arbeiten.

Der Administrator kann über die integrierte Management-Software die einzelnen Terminals steuern sowie konfigurieren, das Flash-ROM updaten und ihren Bildschirm einsehen oder übernehmen. Weiterhin lassen sich diverse Sicherheitsrichtlinien für die einzelnen Benutzer definieren.

Kleine Defizite

Die Reduzierung auf das Wesentliche schließt dabei auch jegliche über parallelen, seriellen oder USB-Anschluss betriebene Peripherie aus. Besonders schmerzlich dürfte für die über Internet angebundenen Anwender der Verzicht auf einen lokalen Drucker sein. Die Unterstützung von USB-2.0-Geräten sowie seriellen Schnittstellen ist jedoch angekündigt.

Auch in anderen Bereichen wird deutlich, dass es sich um eine kleine Thin-Client-Lösung handelt. Wer etwa bereits einen Terminal-Server von Microsoft einsetzt, dürfte die Unterstützung des RDP Protokolls vermissen. Wie beim großen Bruder überstehen Anwendungen auf dem Server zwar einen Ausfall der Netzanbindung oder das Ausschalten des Clients, aber leider hat der Anwender keine Übersicht, welche seiner Sitzungen evtentuell noch aktiv sind. Dadurch kann es leicht passieren, dass nicht mehr benötigte Anwendungen und Prozesse weiterlaufen und den Server unnötig bremsen.

Server können ausschließlich über ihre IP-Adresse angesprochen werden, was die Verbindung zu Rechnern mit dynamischer zugeteilter Adresse erschwert, da möglicherweise vorhandene dynamische DNS-Namen nicht ansprechbar sind.

Trotz dieser kleinen Mängel überzeugt die Lösung von Ncomputing. Die Einsatzmöglichkeiten dürften vielfältig sein: Kleine Unternehmen oder Arbeitsgruppen, Schulungs- umgebungen, Internet-Cafes, das heimische Netz sowie industrielle Umgebungen mit hoher Staub- oder mechanischer Belastung können im Vergleich zu normalen PCs von der vereinfachten Administration, reduzierten Betriebskosten sowie erhöhter Sicherheit profitieren. Allein durch die geringe Leistungsaufnahme von ca. 5 Watt kann sich eine Investition innerhalb kurzer Zeit amortisiert haben.

Unternehmen sollten vor einer möglichen Anschaffung der Office Station auch bedenken, dass pro Anwender eine gültige Windows-Lizenz vorhanden sein muss, was auch für viele Applikationen gelten dürfte. Auch sollte vorab in einem praktischen Test geprüft werden, ob die zu nutzende Software mehrbenutzerfähig ist und einwandfrei mit der Ncomputing Lösung zusammenarbeitet. So werden grafisch sehr anspruchsvolle Programme unzureichend nicht unterstützt.

Der Vertrieb erfolgt in Deutschland über Schwarz Computer Systeme GmbH (http://www. schwarz.de/) zum Preis von 249 Euro. (ws)