"Ein Vorbild zu sein ist eine schwierige Verpflichtung"

10.11.2011
Eine gute Unternehmenskultur lässt sich nicht verordnen. Die Führungskräfte müssen sie vorleben, sagt Andreas Blank, Direktor der Personal- und Organisationsentwicklung der Bayern LB.

CW: Wann ist die Veränderungsbereitschaft in Unternehmen am größten?

Blank: Wenn der Druck entsprechend ist. In jeder Krise steckt die Chance zum Wandel. Aber in der IT-Branche mit ihrem hohen Innovations- und Konkurrenzdruck müssen sich Firmen auch verändern, wenn es ihnen gut geht. Sie müssen ihre Kultur permanent hinterfragen und erneuern.

CW: Wie lässt sich eine Unternehmenskultur verändern?

Blank: Eine Unternehmenskultur kann man nicht verordnen, sie muss wachsen. Sie ist oft schwerfällig wie ein Tanker. Vor allem die obersten Führungskräfte können durch ihr Verhalten eine Firmenkultur prägen. Ich habe erlebt, dass ein CEO binnen weniger Monate ein Wir-Gefühl geschaffen hat.

CW: Die Chefs spielen also die zentrale Rolle für eine Unternehmenskultur.

Blank: Ja. Das gilt aber auch im negativen Sinn. Wenn sie nicht nach den selbst formulierten Werten handeln, sind Enttäuschungen und Schaden riesengroß. Die Menschen heuern an wegen des Unternehmens, und sie verlassen es wegen der Führungskraft. Chefs sind Leitbilder, an denen sich Mitarbeiter orientieren. Ein Vorbild zu sein ist eine schwierige Verpflichtung. Man muss glaubwürdiger sein als andere.

CW: Wie lässt sich überprüfen, ob vermeintliche Werte gelebt werden?

Blank: Die Personalentwicklung hat Instrumente, mit denen sich die Werte regelmäßig messen lassen, etwa ein Kulturbarometer.Geht es darum, die Kritikkultur zu verbessern, gilt es, die Kritikfähigkeit zu messen. Gibt es Prozesse, in denen Mitarbeiter auch ihren Chef konstruktiv kritisieren können? Kulturverstöße sollten Folgen haben. Auch sollten Personalverantwortliche das Topmanagement darauf hinweisen, wenn etwas nicht läuft, etwa wenn sich Mitarbeiter nicht genug engagieren. Der schwierigste Teil ist es, Mitarbeiter so zu mobilisieren, dass sie sich verändern und die neue Kultur annehmen. Da kann man auch mit Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungen arbeiten. Die Botschaft des CEO muss unten ankommen, die Mitarbeiter müssen zwei Dinge verstehen: Warum müssen wir uns ändern? Welchen Nutzen bringt das für mich? Dann gelingt der Wandel.

CW: Woran erkennt ein Bewerber eine gute Firmenkultur?

Blank: Er sollte wissen, was er will! Geht es ihm um Sicherheit und klare Strukturen oder um ein schnelles, innovatives Unternehmen mit weniger Regeln? Am Web-Auftritt einer Firma lässt sich oft herauslesen, ob es eher formal zugeht. Das zeigt sich beispielsweise daran, ob Interaktion möglich ist. Beim Vorstellungsgespräch sollte man auf Folgendes achten: Wie werde ich empfangen? Herrscht Betriebsamkeit in den Fluren, oder sind alle Türen zu? Gibt es Kommunikationsecken? Wie ist der Umgang mit dem Bewerber im Gespräch?

CW: Kann eine gute Unternehmenskultur mäßige Gehälter oder starre Arbeitszeiten wettmachen?

Blank: Gehaltsunterschiede von zehn bis 20 Prozent kann eine gute Kultur kompensieren. Für die neue junge Generation der Bewerber sind Selbstverwirklichung, Freiraum, Work-Life-Balance und flexible Zeiteinteilung entscheidend. Ein starres Zeitkonzept, das für ein altmodisches Verständnis von Arbeit steht, kann darum auch die beste Kultur nicht mehr abpuffern. Firmen, die auf Lebensphasen und Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen, werden einen riesigen Wettbewerbsvorteil haben.

CW: Ist Work-Life-Balance nicht nur ein Schönwetterthema?

Blank: Die meisten Firmen haben erkannt, dass sie Spitzenkräfte nur halten können, wenn Job und Familie vereinbar sind. Da auf dem Arbeitsmarkt nur begrenzt Fachkräfte zur Verfügung stehen, wird Work-Life-Balance zur betriebswirtschaftlich notwendigen Überlebensstrategie. Die Firmen werden auf Menschen zurückgreifen müssen, die sich aufgrund ihrer familiären Situation nur bedingt werden einbringen können.

von Alexandra Mesmer