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Flattr

Ein Traum vom Ende der "Kostenlos-Kultur" im Netz

05.07.2010

Bei der "taz" füllt sich die "Kaffeekasse fürs Internet"

Seit Mitte Mai kamen für "taz.de" mit Hilfe von Flattr, der "Kaffeekasse fürs Internet" ("Computer Bild"), immerhin 1132 Euro und 5 Cent zusammen. Das ist nicht viel, trotzdem zeigt sich Redaktionsleiter Matthias Urbach zufrieden: "Eigentlich ist Flattr so, wie wir es immer gern gehabt hätten", schwärmt er. Anders als bei sonstigen Bezahlinhalten im Internet könnten sich die Nutzer die "taz.de"- Texte erst komplett durchlesen und danach entscheiden, ob ihnen die Beiträge eine kleine Spende wert sind. Das Prinzip der Freiwilligkeit komme dem Naturell vieler Leser der linken "taz" entgegen. "Man kann sehen, dass unser Publikum da eine gewisse Affinität hat", erläutert Urbach.

Während sich Flattr derzeit vor allem bei Blogs verbreitet, verzichten die meisten klassischen Medienhäuser bisher auf den Bezahldienst - so auch "Spiegel Online". Neben dem kostenpflichtigen "Spiegel"-Magazin solle es auch weiterhin den kostenlosen, werbefinanzierten Internetauftritt geben, sagt "Spiegel Online"- Geschäftsführerin Katharina Borchert. "Daher kommt ein Experiment mit Flattr für uns derzeit nicht infrage."

Auch beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ist Flattr bisher kein großes Thema. "Registriert wird das natürlich", sagt Sprecherin Anja Pasquay, schränkt aber ein: "Eine Verbandsmeinung dazu gibt es noch gar nicht." So viel stehe aber fest: Positiv sei, dass Flattr dazu anstoße, für wertvolle Inhalte im Internet etwas zu bezahlen.

Doch Flattr sei keine Antwort auf die Debatte um Bezahlinhalte im Internet, findet zumindest Medienökonom Robin Meyer-Lucht. "Die Idee, dass der Konsument die Preise festlegt, ist der klassischen kommerziellen Sphäre fremd", sagt er. Die Verlagsbranche habe es versäumt, die Entwicklung von Bezahlmodellen voranzutreiben und werde nun von einer "Programmierbude aus Schweden" vorgeführt.

Es gibt aber auch grundlegende Bedenken gegen Flattr. Zu den Kritikern gehört der Berliner Großmeister des Web 2.0, Sascha Lobo. In dessen Blog finden sich keine Buttons von Flattr. Denn Lobo befürchtet einen "Flattr-Populismus", und zwar dergestalt, dass Autoren schon beim Schreiben darauf zielen, möglichst oft "geflattrt" zu werden und so möglichst viel Geld zu verdienen.

Lobo stößt sich auch am Geben-und-Nehmen-Prinzip von Flattr - nur wer selbst spendet, kann Geld bekommen. Nach Lobos Einschätzung schieben sich die Flattr-Nutzer dadurch gegenseitig Geld hin und her. Besser sei es, Geld außerhalb der Blogosphäre zu akquirieren. Und das gelinge etwa mit Werbung. (dpa/tc)