Modellversuch am Amtsgericht Hamburg:

Ein Team um das Textsystem

21.12.1979

PADERBORN (CW) - Im altväterlichen Hamburger Amtsgericht ist ein Stück "Büro der Zukunft" Realität geworden. Im Rahmen eines von Bund und Stadtstaat geförderten Modellversuches wurden im Zivilbereich des Gerichtes sogenannte Gruppen-Geschäftsstellen eingerichtet. Grundlage der auf totales Team-Work ausgerichteten Organisationsform ist das Textverarbeitungssystem. Das Gericht arbeitet mit dem Nixdorf Modell 8840.

Seit September letzten Jahres läuft beim Amtsgericht Hamburg (insgesamt etwa 1400 Beschäftigte) in zwei Zivilabteilungen der Modellversuch "Humanisierung der Arbeitsplätze durch Einführung der Gruppenarbeit". Die finanziellen Mittel für das Experiment, das inzwischen auch auf zwei Strafabteilungen ausgedehnt wurde, stellten die Hansestadt Hamburg und das Bundesforschungsministerium bereit. Leiter des Projektes ist der Vizepräsident des Amtsgerichtes, Dr. Roland Makowska.

"Versuchskaninchen" sind die freiwilligen und meist jüngeren Mitglieder der Gruppengeschäftsstellen: Jeweils drei Geschäftsstellenführer, drei Protokollführer, eine oder zwei Schreibkräfte und ein Antrags- und Kostensachbearbeiter. Die Gruppe hat keinen Leiter, sondern wählt selbst einen Sprecher, der die Zusammenarbeit einteilt und koordiniert auch die mit den zugeordneten Richtern. Jede Gruppe verfügt über ein Gruppenbüro mit Pausen- und Besprechungsraum. Besonders an dieser Organisation ist erstens, daß die Mitglieder einer Gruppe nach entsprechender Ausbildung in der täglichen Arbeit weitgehend "gegenseitig deckungsfähig" sind. Es besteht steht ein gegenseitiges Austausch- und; Vertretungsverhältnis. Als zweites hervorzuheben ist die Anordnung und Nutzung der TV. Das installierte Textsystem verfügt über vier Bildschirmarbeitsplätze mit Drucker, die ZE hat zwei mal 2,5 MB Plattenkapazität. Jeweils ein Bildschirmgerät ist in den Gruppenbüros aufgestellt, die beiden übrigen Bildschirmplätze stehen in eigens dafür eingerichteten Sitzungsälen zur Protokollführung. Alle Mitglieder der Gruppen benutzen wechselnd das Textsystem.

Kollegiale Zusammenarbeit gewährleistet

Ursprüngliche Zielsetzung des Modells, das heute laut Dr. Makowka "kollegiale Zusammenarbeit und Aufhebung restriktiver Spezialisierung auf der Basis erhöhter Qualifikation" gewährleistet, waren:

- Der "Justizservice" sollte besser bürgerfreundlicher und wirtschaftlicher und für den Rechtssuchenden verständlicher werden.

- Die Justizverwaltung wollte sich zum Leistungsbetrieb mausern und gleichzeitig Arbeitsplätze sowie Arbeitsbedingungen verbessern.

- Die Arbeitsabläufe selbst sollten durch neue bürotechnische Mittel modernisiert und beschleunigt werden.

Die Durchführung erfolgte durch die Bildung von Arbeitsgruppen (Gruppengeschäftsstellen) und den Einsatz von Textverarbeitungsautomaten. Als realisierbar erwies sich dabei auch der Wunsch, durch die Gruppenarbeit die Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Mitglieder zu erhöhen und die durch den Einsatz der verbesserten Bürotechnik gewonnenen "Freiräume für eine zügige, besser motivierte Behandlung der Klagen und Anträge der Rechtssuchenden zu nutzen".

Für die Textverarbeitung wurden zunächst Einzelplatz-Systeme mit Bildschirm und Diskettenspeicher eingesetzt. Da sie den Zugriff von allen Arbeitsplätzen auf gemeinsame Dateien und Textkonserven nicht erlaubten und sich überdies als zu kompliziert in der Bedienung erwiesen, mußten sie dem Mehrplatzsystem von Nixdorf mit gemeinsamer Zentrale weichen.

Für jeden Fall wird nun vom jeweiligen Sachbearbeiter am Bildschirmarbeitsplatz eine Akte angelegt, versehen mit Rubriken, Grunddaten und Textbausteinen. Sie ist im Speicher, bei Bedarf aber eben auch im Sitzungssaal oder am Arbeitsplatz im Teambüro präsent. Bei der Verhandlung im Sitzungssaal wird der Vorgang am Bildschirm aufgerufen, die Protokollführung erfolgt unter Sichtkontrolle des Richters direkt am Bildschirm. Die Ausfertigung der Protokolle, Zwischenurteile, Anerkenntnisurteile und Versäumnisurteile für die Parteien erfolgt jetzt unmittelbar nach der Verhandlung. In Mietsachen beispielsweise konnten die Verfahren um bis zu zwei Wochen abgekürzt werden.

Mit der Anlage der Akten am Textsystem werden auch Register und Verhandlungskalender in Dateien erstellt. Die relevanten Daten jeder Akte sind gespeichert und fließen automatisch in Ladungen, Kostenfestsetzungsbeschlüsse und Korrespondenzen ein. Diese Arbeitsweise hat ganz nebenbei auch mit dem Vordruck-Unwesen aufgeräumt. Es wich einer individuellen, auf Textbausteinen beruhenden Information, die der Bürger besser versteht.

Das Modell erweist sich, so der Tenor eines amtlichen Zwischenberichtes von Mitte September 1979, als ein voller Erfolg im Sinne der Zielsetzungen. Der Versuch wird von den Gruppenmitgliedern bejaht, sie fühlen sich am Arbeitsplatz wohler: "Job enrichment" und "Job enlargement" sind bei gutem Willen machbar.

Als problematisch bezeichnet Makowka allerdings die Tatsache, daß die praktizierte Gruppenarbeit mit ihrer "Tätigkeitsvermischung" ein wenig im Widerspruch zur Tarifstruktur im öffentlichen Dienst steht.

Ob eine Übertragung des Modellversuchs auf die gesamte Verwaltung des Amtsgerichts Hamburg möglich sein wird, bleibt trotz der guten Erfahrungen offen. Vizepräsident Makowka schätzt den Finanzbedarf einer eventuellen stufenweisen Realisierung des Projektes auf rund 20 Millionen Mark. Der auf die Textsysteme entfallende Anteil mache davon allerdings nur einen geringen Prozentsatz aus.

MAI-Textverarbeitung wenig einträglich

NEW YORK (CW) - Hohe Steigerungsraten bei Umsatz und Gewinn verzeichnet die Management Assistance Inc. (MAI), New York. Im Geschäftsjahr zum 30. September stieg der Umsatz auf 271,944 (1978: 205,153) Millionen Dollar; davon entfielen auf das vierte Quartal 80,348 (58,258) Millionen Dollar. Der Reingewinn betrug 29,213 (16,846) Millionen Dollar; davon wurden in den letzten drei Monaten 6,421 (4,612) Millionen Dollar erwirtschaftet. Als Hauptursachen für den Erfolg nannte Chairman und President Ramond P. Kurshan die Vermarktung von Basic Four Computer Systems. Die Erwartungen im Bereich Textverarbeitung dagegen hätten sich nicht erfüllt.