Urteile aus der Vertragspraxis

Ein Schlupfloch für die Leasingnehmerin

08.04.1982

Dr. Christoph Zahrnt Rechtsanwalt in Neckargemünd

Im Gegensatz zum Fall 2-8-2 hatte sich die Leasingnehmerin in diesem Fall abgesichert: Sie durfte den Vertrag im ersten Jahr kündigen. Die Leasinggeberin hatte das Kündigungsrisiko auf den Lieferanten (Beklagten) abgewälzt. Das Urteil ist ein Beispiel dafür, wie manche Lieferanten die erforderliche Sorgfalt auf der rechtlichen Seite vermissen lassen.

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

"Die Klägerin (eine Leasinggeberin) vermietete am 7. /16. 9. 1970 der Firma X (Leasingnehmerin) eine Computer-Anlage. Die Mietdauer sollte fünf Jahre betragen, falls die Mieterin nicht zum Ablauf des ersten Mietjahres kündigte.

Die Beklagte hatte die Computer-Anlage geliefert und sollte auch den Wartungsdienst übernehmen.

Die Klägerin übersandte der Beklagten am 16. 9. 1970 einen Verrechnungsscheck und führte im Anschreiben aus, die Beklagte möge über diesen Scheck nur dann verfügen, wenn sie bereit sei, in den Mietvertrag anstelle der Firma X einzutreten, falls diese von ihrem Kündigungsrecht vor Ablauf des ersten Mietjahres Gebrauch mache. Die Beklagte löste den Scheck ein und reagierte im übrigen auf das Anschreiben nicht, obwohl sie darin gebeten worden war, sich auf einer Kopie mit dem Inhalt einverstanden zu erklären.

Nichtamtliche Leitsätze:

1. Zur Frage der Fortsetzung eines Mietvertrages durch schlüssiges Handeln.

2. Zur Frage, in welcher Höhe die Leasinggeberin, die in ihren AGB bei Verzug des Leasingnehmers alle noch nicht fälligen Mieten zahlbar stellt, für diese Verzugszinsen verlangen darf.

Am 26. 5. 1971 erklärte die Firma X gegenüber der Klägerin die Kündigung des Mietvertrages zum Ablauf des ersten Mietjahres am 31. 8. 1971. Zugleich teilte sie der

Klägerin mit, sie wolle mit der Beklagten über die Lieferung eines anderen Modells und eine zwischenzeitliche Überlassung der bisherigen Anlage verhandeln. Sie bat um Mitteilung, ob die Klägerin auf jeden Fall Herausgabe der Anlage nach Ablauf der Mietzeit wünsche oder ob sie, die Firma X, mit der Beklagten wegen der weiteren Verwendung verbindliche Abmachungen treffen könne.

Die Klägerin antwortete der Firma X auf dieses Schreiben nicht, übersandte der Beklagten unter dem 28. 5. 1971 aber eine Abschrift mit der Bitte um Vorschläge, "wie das Engagement weitergeführt werden solle". Die Beklagte antwortete unter dem 24. 6. 1971, sie habe von der Kündigung Kenntnis genommen und sei zwischenzeitlich so verblieben, daß die Maschine weitergemietet, jedoch ein neuer Mietvertrag über eine vergrößerte Anlage erst Ende August 1971 abgeschlossen werde; die Klägerin werde zur gegebenen Zeit weiter informiert werden.

In der Folgezeit zahlte die Firma X die vereinbarte Miete weiter an die Klägerin. Erst mit Schreiben vom 28. 9. 1972 teilte sie der Klägerin mit, die Verhandlungen mit der Beklagten hätte nicht zu einem positiven Ergebnis geführt, sie setze daher die am 26.5. 1971 bereits ausgesprochene Kündigung zum 31. 12. 1972 in Kraft. Die Klägerin widersprach zunächst und vertrat mit Schreiben vom 6. 10. 1972 die Auffassung, eine Kündigung sei nach dem Mietvertrag nicht mehr möglich. Die Firma X verwies daraufhin am 9. 10. 1972 erneut auf die rechtzeitige Kündigung vom 26. 5. 1971 und berief sich auf ihre Absprache mit der Beklagten, die sie angewiesen habe, bis zum Abschluß der Verhandlungen die Miete weiter an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin hat danach die Auffassung vertreten, nach der Kündigung der Firma X sei gemäß ihrem Schreiben vom 16. 9. 1970 seit dem 1. 9. 1971 die Beklagte als Mieterin in den Vertrag eingetreten und daher zur Mietzahlung verpflichtet. Unter Berufung auf Nr. 10 b der Vertragsbedingungen hat sie die volle Restmiete verlangt, nebst 1,5 Prozent Monatszinsen seit dem 1. 1. 1973 zu zahlen. (Die Kündigung war zum 31. 12. 1972 in Kraft gesetzt worden.)

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint: Da sie sich mit dem Inhalt des Schreibens vom 16. 9. 1970 nie einverstanden erklärt habe, fehle es an einer Einigung über ihren Eintritt in den Mietvertrag. Die Klägerin könne sich im übrigen weiter an die Firma X halten, weil deren Schreiben vom 26. 5. 1971 keine bedingungslose Kündigung enthalten habe, das Mietverhältnis mit dieser Firma fortgesetzt worden sei und die Kündigung vom 26. 9. 1972 verspätet gewesen sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Firma X habe aufgrund der Verhandlungen mit dem Zeugen B 1 (Mitarbeiter der Beklagten) ihre Kündigung vom 26. 5. 1971 zurückgenommen und sich zur Fortsetzung des Mietverhältnisses mit der Klägerin bereiterklärt. Davon habe die Klägerin auch Nachricht erhalten und die Miete weiter vereinnahmt. Wenn die Firma X nicht die Absicht gehabt habe, das Mietverhältnis für die vereinbarte Vertragszeit von 5 Jahren fortzusetzen, so habe sie das der Klägerin gegenüber zum Ausdruck bringen müssen; nachträglich habe die Klägerin sich darauf nicht einzulassen brauchen. Zumindest liege eine stillschweigende Verlängerung nach ° 568 BGB vor.

Die vermietete Computer-Anlage ist inzwischen - bei einem durch Einbrecher verursachten Brand in der Nacht vom 16. zum 17. 7. 1974 - vernichtet worden.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin den Mietzins bis zum Tag des Brandes sowie Zinsen in Höhe von 5 % p.a.zu.

Entscheidungsgründe

"Die Beklagte ist gemäß ° 535 BGB verpflichtet, an die Klägerin den Mietzins für die Zeit vom 1. 1. 1973 bis 16. 7. 1974 zu zahlen (Tag der Zerstörung).

Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß zwischen der Beklagten und der Klägerin eine Vereinbarung zustande gekommen ist nach der die Beklagte in den Mietvertrag, den die Klägerin mit der Firma X geschlossen hatte, unter der aufschiebenden Bedingung eintrat, daß die Firma X vor Ablauf des ersten Mietjahres kündigte. Ein entsprechendes Vertragsangebot hatte die Klägerin der Beklagten im Schreiben vom 16. 9. 1970 gemacht und zugleich gebeten, nur bei Annahme dieses Angebotes über den beigelegten Scheck zu verfügen. Unabhängig davon, ob die Beklagte damals einen Anspruch auf die Schecksumme hatte, konnte jedenfalls die Klägerin in der vorbehaltlosen Annahme und Einlösung des Schecks eine Annahme ihres Vorschlags durch die Beklagte sehen. Wenn die Beklagte darauf nicht eingehen wollte, hätte sie widersprechen müssen; dazu war sie aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsbeziehungen gegenüber der Klägerin verpflichtet; ohne einen solchen Widerspruch muß sie sich ihr Verhalten als konkludente Annahme ( = Annahme durch schlüssiges Verhalten) entgegenhalten lassen.

Die aufschiebende Bedingung für den Beginn des Mietverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten ist eingetreten; die Firma X hat ihren Mietvertrag mit der Klägerin vor Ablauf des ersten Mietjahres gekündigt; ihr Schreiben vom 26. 5. 1971 enthält eine fristgerechte, eindeutige und unbedingte Kündigungserklärung zum 31. 8. 1971.

Die Behauptung der Beklagten, in den folgenden Verhandlungen sei diese Kündigung wieder rückgängig gemacht worden, es habe also der ursprüngliche Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma X weiter gelten sollen, ist durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.

Die Tatsache, daß die Firma X die Anlage zunächst weiter benutzt und bis zum 31. 12. 1972 weiter den Mietzins an die Klägerin zahlte, ändert ebenfalls nichts daran, daß die Beklagte Vertragspartnerin der Klägerin geworden war und für die Zeit ab 1. 1. 1973 Mietzins zahlen muß. Aufgrund ihrer Vereinbarung mit der Beklagten über deren Eintritt in das Mietverhältnis hatte die Klägerin die Verhandlungen mit der Firma X nach der Kündigung völlig der Beklagten überlassen. Diese war nunmehr als Mieterin berechtigt, über den weiteren Verbleib der Maschine zu bestimmen. Wenn die Beklagte die Firma X die Maschine weiter benutzen ließ, so geschah das auf eigene Rechnung; die Firma X zahlte die Miete für die Beklagte an die Klägerin.

Selbst wenn man im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Firma X - aufgrund der Verhandlungen der Beklagten oder gemäß ° 568 BGB - eine frei kündbare Fortsetzung des Mietverhältnisses annehmen wollte, so blieb doch die Beklagte verpflichtet, nach der späteren Beendigung dieses Mietverhältnisses in den Vertrag mit der Klägerin einzutreten. Das ergibt sich aus einer ergänzenden Auslegung der Vereinbarung der Parteien gemäß dem Schreiben vom 16. 9. 1970: Die Beklagte sollte der Klägerin für den Fall, daß die Firma X von ihrem Recht zur Kündigung vor Ablauf des ersten Mietjahres Gebrauch machte, eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für die vorgesehene Dauer von 5 Jahren garantieren. Die Firma X hatte hier rechtzeitig gekündigt. Wenn die Beklagte nun im eigenen Interesse durch die weitere Besitzüberlassung an die Firma X oder die Verhandlungen mit ihr eine unbefristete, freikündbare Fortsetzung des Mietverhältnisses zwischen der Klägerin und der Firma X bewirkte, so kann das nicht zu einem Rechtsverlust der Klägerin führen.

Die Beklagte braucht den vereinbarten Mietzins aber nur für die Zeit vom 1. 1. 1973 bis zum 16. 7. 1974 zu zahlen, da die vermietete Computer-Anlage unstreitig in der Nacht vom 16. zum 17. 7. 1974 bei einem von Einbrechern verursachten Brand zerstört worden ist. Nach Nr. 7 der Vertragsbedingungen trägt zwar der Mieter die Gefahr des Untergangs der Mietgegenstände. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob diese Abänderung der gesetzlichen Regelung des ° 537 BGB wirksam ist. Auch wenn man davon ausgeht, entfällt nach den bringen Vertragsbestimmungen eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten für die Zeit nach dem Brand. Die Klägerin war nämlich nach Nr. 9 Abs. 2 der Bedingungen verpflichtet, für die zur kaufmännischen Betriebseinrichtung gehörende Computer-Anlage eine Feuerversicherung abzuschließen. Die Versicherungsentschädigung, die nach Nr. 9 Abs. 4 der Bedingungen der Klägerin zusteht, muß sie nach Nr. 9 Abs. 5 a als Gutschrift auf die Zahlungsverpflichtung der Beklagten verwenden; Nr. 9 Abs. 5 b scheidet aus, da die Klägerin eine Ersetzung, Wiederherstellung oder Reparatur selbst nicht veranlaßt und auch nicht gemäß Nr. 7 von der Mieterin gefordert hat.

Zur Höhe der Feuerversicherungsentschädigung haben die Parteien in der Berufungsverhandlung zwar keine genauen Angaben gemacht. Die Klägerin hat aber den Vortrag der Beklagten, die Entschädigungssumme decke den gesamten Mietzinsbetrag für die restliche Mietzeit vom 17. 7. 1974 bis 31. 8. 1975, nicht substantiiert bestritten. Davon ist daher auszugehen.

Auf Nr. 10 der Vertragsbedingungen kann die Klägerin die höhere Zinsforderung nicht stützen. Dort ist zwar ein Verzugszins von 1,5 % pro Monat vorgesehen. Diese Bestimmung hält aber einer Inhaltskontrolle nicht stand.

Wenn der Klägerin hier in Nr. 10 ihrer Vertragsbedingungen das Recht gegeben wurde, bei Verzug des Mieters alle noch nicht fälligen Mieten zahlbar zu stellen, also sofortige vollständige Vorleistung des Mieters zu fordern, so nähert sich bereits diese Regelung der Grenze des Billigenswerten; ähnliche Klauseln sind aber nicht ganz ungewöhnlich und können noch als angemessene Sicherung des Vermieters anerkannt werden. Die weitergehende Bestimmung, daß der Mieter dann aber noch einen Verzugszins von 1,5 % pro Monat zahlen soll, ist ganz ungewöhnlich und unangemessen. Ein Jahreszins von 18 % lag weit über den bei Abschluß des Vertrags im Jahre 1970 banküblichen Zinssätzen; selbst als in der Folgezeit durch die Kreditrestriktionen die Zinssätze erheblich stiegen, ist ein solcher Satz auch nicht annähernd erreicht worden. Es kann nicht gebilligt werden, daß eine Partei einseitig in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Formularverträgen einen solchen überhöhten Verzugszinssatz ohne Rücksicht auf die banküblichen Kreditzinssätze festlegt. Der Zinsklausel in Nr. 10 der Vertragsbedingungen ist daher die Wirksamkeit zu versagen."