Realschule am Stadtpark Leverkusen:

Ein "Programm" gegen Schulstreß

23.04.1976

Daß durch den Einsatz von "Schulcomputern" die Lehrer von administrativen Aufgaben entlastet werden müssen - welcher Bildungsreform-Technologe hätte diese Forderung nicht schon erhoben.

Und doch kann von einem "Masseneinsatz" von Schulcomputern (immerhin gibt es in der Bundesrepublik über 30 000 Schulen) hierzulande nicht gesprochen werden. Insider wie Dr. Gerhard Ortner, kommissarischer Direktor des Instituts für Bildungsbetriebslehre beim Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren (FEoLL), behaupten gar, daß die Zeit der Rechner im Bildungswesen schon wieder vorbei ist, bevor sie richtig angefangen hat (siehe Seite 52 "Der Aufwand von zehn Jahren kann abgeschrieben werden"). Doch es gibt Beispiele dafür, daß es eines allumfassenden bildungspolitischen Konzeptes nicht bedarf, um Lösungen zu finden, wie Rechner in der Schulpraxis lehren, lernen, leiten und verwalten helfen können. Die Realschule am Stadtpark in Leverkusen ist eines - es sollte Schule machen.

LEVERKUSEN - Die Realschule am Stadtpark in Leverkusen hat allen Grund zur Freude: Sie ist stolzer Besitzer eines freiprogrammierbaren Minicomputers PDP-8 von Digital Equipment.

Für die Schüler bedeutet das natürlich eine Bereicherung und Auflockerung des Unterrichts - ganz "nebenbei" haben sie direkten Kontakt zur elektronischen Datenverarbeitung.

Die Idee für den Rechnereinsatz hatte Realschullehrer Frank Lemaire (39), der seit 12 Jahren in den Fächern Mathematik und Physik unterrichtet. Er hat sich auf Kursen, die vom Land Nordrhein-Westfalen angeboten wurden, die erforderlichen EDV-Kenntnisse angeeignet und steht der Entwicklung positiv gegenüber: "Wenn man im Schulbetrieb keine besonderen Ideen hat, dann wird alles zu routiniert."

Programmieren ein Freizeitspaß

Viele seiner Kollegen denken anders; ihnen ist - so. Lemaire - der damit verbundene Arbeitsaufwand zu groß.

Der 16 K-Rechner mit Lochstreifenleser und -stanzer sowie angeschlossenem ASR-33-Teletype wird eingesetzt - im Informatik-Unterricht (Wahlpflichtfach) in den Klassen 9 und 10, im Mathematik-Unterricht, von verschiedenen Schülergruppen mit Programmen logischer Spiele, - für die Auswertung informeller Tests in mehreren Klassen.

Die Schüler erlernen die Programmiersprache Basic. Die Begeisterung ist zum Teil so groß, daß auch außerhalb der Schulzeit Programme geschrieben und getestet werden. Dazu Einzelkämpfer Lemaire: "Das Ziel besteht jedoch nicht darin, den Schülern eine Spezialausbildung zum Programmierer zu vermitteln, sondern allgemein verwertbare Kenntnisse über die Datenverarbeitung, ihre Möglichkeiten und Gefahren."

Basic im Handumdrehen?

Das Aufschlüsseln eines Problems in kleinste Denkschritte spiele dabei die entscheidende Rolle. Der Computer schaffe - wie Lemaire erläutert - kein Mehr an Stoff, denn die Programmiersprache Basic könne in wenigen Unterrichtsstunden erlernt werden: "Wenn die Schüler in der Lage sind, ein Problem algorithmisch zu zergliedern, dann können sie es auch in Basic umsetzen."

Nicht nur im fehlenden Engagement vieler Lehrer sieht Lemaire einen Hinderungsgrund dafür, daß dieses Beispiel Schule machen könnte; das sei viel mehr eine Frage der Wirtschaftlichkeit: Für die Realschule in Leverkusen waren es immerhin 30 000 Mark, die die Stadt aufbringen mußte.

Direktor Pötsch, früher selbst Mitglied des Stadtrats: "Man kann den Fortschritt nicht einfach aufhalten."

Spielerei mit Nutzeffekt

Denn in nahezu allen Berufen würden die Schüler später einmal mit der EDV konfrontiert werden. Das rege Interesse zeige auch, daß der Rechner im schulischen Bereich großen Zuspruch gefunden habe. Die Schüler hätten eine starke Motivierung für Mathematik und Problemdenken entwickelt: "Die scheinbare Spielerei mit dem Computer vermag auf eine Art Kenntnisse zu übermitteln, die mit traditionellen Mitteln überhaupt nicht möglich ist", erklärt Pötsch.

Frank Lemaire hat für die Zukunft noch weitere Pläne: "Es wäre schön, wenn wir drei weitere Terminals hätten, damit die Schüler in Gruppen effizienter arbeiten könnten."

Auch die Anschaffung einer Floppy Disk und sonstiger externer Speicher wie Magnetband- oder Platteneinheiten wird angestrebt. Da die meisten Schüler (etwa 80 Prozent) nach Beendigung ihrer Schulzeit eine Ausbildung in Industriebetrieben absolvieren werden, liege es nicht nur im Interesse der Stadt und der Schulbehörden, dieses Projekt zu unterstützen, argumentiert Frank Lemaire mit einem Seitenhieb auf die in Leverkusen anässige Industrie: "Die ist ja nicht gerade klein."