Mysap-Workplace-Projekt bei Rheinmetall Landsysteme

Ein Portal ordnet das Applikationschaos

23.11.2001
Auf einem durchschnittlichen Client findet sich heute eine Vielzahl von Applikationen und Datenquellen mit separaten Bedienoberflächen und Passwörtern. Um die PC-Bedienung übersichtlicher zu gestalten, hat Rheinmetall Landsysteme ein Pilotprojekt mit dem Portal "Mysap Workplace" gestartet. CW-Bericht, Jan Schulze

Ein typischer Desktop-Rechner kann im Unternehmensalltag heute vorweisen: einen ERP-Client (ERP = Enterprise Resource Planning), eine Groupware- und Kommunikationslösung, ein Office-Paket, einen Internet-Browser und diverse Zusatzprogramme. Die Applikationen greifen auf unterschiedlichste Datenquellen zu. Für viele Ressourcen benötigt der Anwender ein eigenes Passwort, das aus Sicherheitsgründen auch noch regelmäßig geändert werden sollte. Im Gegensatz dazu bleiben manche Informationsquellen, etwa das Wissens-Management-System eines anderen Unternehmensbereichs, völlig ungenutzt - einfach, weil ihre Existenz überhaupt nicht bekannt ist.

So auch bei der Rheinmetall Landsysteme GmbH, Kiel. An Standardapplikationen setzt das Unternehmen verschiedene Lösungen ein: Für das ERP nutzt es SAP R/3. Zu Stundenabrechnungen oder um den Überblick über das Gleitzeitkonto zu behalten, greifen die Mitarbeiter auf die SAP-Komponente "ESS" (Employee Self Service) zu. Als Groupware- und Kommunikationssoftware dient "Lotus Notes"; das "Office"-Paket kommt von Microsoft.

Maßarbeit durch RollenkonzeptUm die Applikationen in eine einheitliche Oberfläche zu integrieren und den Anwendern die tägliche Arbeit zu erleichtern, führt die Rheinmetall-Tochter derzeit gemeinsam mit dem konzerninternen IT-Dienstleister Rheinmetall Informationssysteme GmbH (RIS) ein Unternehmensportal ein. Da der Mutterkonzern SAP-Lösungen als Konzernstandard festgeschrieben hat, fiel bei der Software die Entscheidung zu Gunsten des Mysap Workplace.

Die Browser-basierte Portalsoftware lässt sich personalisieren und entsprechend dem SAP-Rollenkonzept auf Arbeitsplatzanforderungen zuschneiden. Zurzeit unterstützt das System Microsofts "Internet Explorer" ab Version fünf. Das System verwaltet auch die verschiedenen Passwörter des Anwenders, so dass nur eine Anmeldung am Workplace (Single-sign-on) notwendig ist, um auf alle vordefinierten Ressourcen zugreifen zu können. Alle Applikationen, die in den Workplace integriert sind, können über dieselbe Benutzeroberfläche bedient werden.

Das Pilotprojekt mit etwa 20 Usern startete im August 2001. Insgesamt sollen bis April nächsten Jahres 800 bis 900 Clients mit dem Workplace ausgestattet werden. Das Projekt reiht sich in die konzernweite langfristige Strategie ein, flächendeckend statt lokaler Anwendungen Server-basierte Applikationen einzuführen. Zurzeit werden jedoch noch einige Kernanwendungen wie zum Beispiel Microsofts Office-Paket direkt auf der Festplatte des jeweiligen Clients vorgehalten.

Eine spezielle Anforderung an den Workplace ergab sich aus der Firmengeschichte: Rheinmetall Landsysteme wurde erst im vergangenen Jahr aus drei bis dahin unabhängigen Organisationen gegründet. Immer mehr Anwender pendeln zwischen den verschiedenen Standorten. Bei der Zusammenführung der Unternehmen zu einer neuen Einheit mussten auch die unterschiedlichen IT-Umgebungen aufeinander abgestimmt werden - zurzeit ist das Unternehmen dabei, über alle Standorte hinweg einheitliche Applikationsstandards zu schaffen.

Zentral auf einem Server gehostetUnter anderem sollen die Anwender in der Lage sein, ihren Arbeitsplatz zu wechseln oder mit Notebooks zu arbeiten und dabei jeweils ihren personalisierten Desktop vorzufinden. "Wir erwarten von dem Workplace-Projekt, dass wir eine höhere Standardisierung erreichen und den Benutzern eine einfachere und bessere Arbeitsumgebung zur Verfügung stellen können", beschreibt Hartmut Hahn, Chief Information Officer (CIO) der Rheinmetall Landsysteme, das Ziel. Damit der Zugriff auf den Workplace unabhängig vom Aufenthaltsort eines Mitarbeiters möglich ist, wird das Portal zentral auf einem Server der Rheinmetall Informationssysteme gehostet. Von dort lädt sich der personalisierte Workplace auf den PC oder das Notebook des Mitarbeiters. Hier kommt der Rheinmetall Landsysteme zugute, dass alle Standorte auf dieselben Server-basierten Backend-Ressourcen zugreifen und bei lokalen Applikationen unternehmensweite Standards definiert sind.

Single-sign-on hat auch SchattenseitenDen Zweck des Projekts sieht Hahn nur dann erfüllt, wenn alle Unternehmensanwendungen über das Portal erreichbar sind. Könnte ein Benutzer über das System etwa nur seinen Zeitnachweis eingeben, wäre damit noch kein Mehrwert geschaffen, erläutert der CIO. Seiner Ansicht nach sollten mindestens die R/3-Anwendung sowie Lotus Notes in den Workplace integriert sein, um den Anwendern eine merkliche Arbeitserleichterung, zum Beispiel durch das Single-sign-on, zu bieten.

Doch gerade das Prinzip der einmaligen Benutzeranmeldung, bei der sich jeder User nur noch ein einziges Passwort merken muss, hat auch seine Schattenseite. Kennt ein Eindringling dieses Passwort, kann er automatisch auf alle damit verbundenen Ressourcen zugreifen. Dieses Problem wurde laut Hahn bei der Projektvorbereitung diskutiert: "Aus Sicherheitsbedenken haben wir lange überlegt, ob wir überhaupt Single-sign-on einführen sollen. Wir glauben aber, dass wir unser Netz so weit abgesichert haben, dass wir uns das trauen dürfen."

Ein HTML-Frontend als BedingungDa der Workplace auf der Hypertext Markup Language (HTML) basiert, müssen die zu integrierenden Applikationen eine HTML-fähige Oberfläche mitbringen. In der bestehenden IT-Struktur der Rheinmetall Landsysteme ist das allerdings noch nicht überall der Fall. Weder Microsoft Office noch die Lotus-Notes-Version 4.6 erfüllen diese Bedingung. Im Fall der Lotus-Software zeichnet sich eine Lösung ab: Das Unternehmen wird auf die Notes-Version 5 umstellen, die über ein HTML-Frontend verfügt und somit in den Workplace integriert werden kann. Diesen Release-Wechsel hätte man auch ohne das Workplace-Projekt vorgenommen, so der CIO.

Bisher noch ungelöst ist hingegen die Integration des Office-Pakets. Vorerst wurde für die Einbindung aller nicht HTML-fähigen Applikationen das Shareware-Tool "Intralaunch" von Paricle Software ausgewählt, damit der Anwender den Workplace nicht verlassen muss, um zum Beispiel mit Microsoft Word zu arbeiten. Intralaunch erlaubt es, lokal ausgeführte Anwendungen im Web-Browser darzustellen. Eine alternative Office-Suite kommt für Hahn nicht in Frage, Microsoft sei hier konzernweiter Standard.

Keine Schwierigkeiten sieht der CIO dagegen bei der Integration der SAP-Komponenten. Das Graphical User Interface (GUI) von SAP ist für den Zugriff via Internet-Browser ausgelegt. "Alles, was sowieso mit dem Internet Explorer geht, funktioniert im Workplace problemlos", fasst Hahn zusammen.

Zu den einfach integrierbaren Komponenten zählen auch die Quellen aus dem Intra- oder Internet. Das Intranet bekommt im Hinblick auf die noch unterschiedlichen Kulturen der vormals eigenständigen Unternehmen, aus denen Rheinmetall Landsysteme hervorgegangen ist, zusätzliches Gewicht. "Unser Intranet ist zwar an allen Standorten verfügbar, aber es wird noch nicht überall umfassend genutzt", bekennt Hahn. Mit Hilfe des Workplace sollen die Mitarbeiter auf Entdeckungstour in die Intranets anderer Unternehmensbereiche gehen, um den Wissensaustausch innerhalb der Rheinmetall AG zu fördern. Deswegen ist das interne Informationsnetz als zentraler Bestandteil des Workplace geplant.

Neben den Vorteilen für die Anwender ist für den IT-Chef wichtig, dass der Workplace wesentlich niedrigere Ansprüche an die Client-Hardware stellt als herkömmlich aufgerufene Applikationen: "Der Ressourcenbedarf bei einem Browser, in dem alle Anwendungen laufen, ist deutlich geringer als etwa bei SAP-GUI." Das Portal sei ein erster Schritt in Richtung Thin Clients.

Die Reaktionen der Pilotanwender auf die neue Bedienoberfläche bezeichnet der CIO als "gemischt". Die Benutzer seien von der einfachen Bedienbarkeit begeistert. Andererseits habe eine HTML-basierende Oberfläche generell noch ein paar Schwächen: Einige Funktionen lassen sich bei reinen Windows-Applikationen einfacher und schneller nutzen. Dennoch ist Hahn überzeugt, durch die Vorteile des Workplace die Produktivität der Mitarbeiter steigern zu können. Ein Beispiel dafür sei der geringere Schulungsaufwand bei der Einführung neuer Applikationen oder neuer Versionen. Da stets in der vertrauten Browser-Umgebung gearbeitet werde, müssten sich die User nicht an immer neue Bedienoberflächen gewöhnen. Bei über 800 Anwendern an vier verschiedenen Standorten seien Schulungen sonst ein riesiger Aufwand.

Der Trainingsaufwand für den Workplace selbst ist laut Hahn gering. Die Testanwender des Pilotprojekts hätten nur rund eine Stunde mit dem neuen System vertraut gemacht werden müssen; der Workplace sei weitgehend intuitiv bedienbar. Den firmenweiten Rollout plant das Unternehmen über ein E-Learning-System, das direkt in den Workplace integriert werden soll. Erste Erfahrungen mit dieser Technik sammelt es gerade in einem Pilotprojekt zur Einführung der neuen Lotus-Notes-Version.

Insgesamt zeigt sich der IT-Chef mit dem neuen Projekt zufrieden. Bei der Pilotinstallation seien keine besonderen Probleme aufgetreten. Innerhalb der Konzernstrategie in Richtung auf Web-gestützte Anwendungen sieht Hahn das Portal jedoch nur als einen Anfangsschritt: "Ich glaube, dass der Trend noch stärker zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen geht. Die Internet-Techniken werden hier deutlich zunehmen."

Das UnternehmenDie Rheinmetall Landsysteme GmbH mit Hauptsitz in Kiel ist Teil der Rheinmetall Detec AG, einer Tochter des Rheinmetall-Konzerns. Rheinmetall Landsysteme wurde im Januar 2000 aus den Gesellschaften Henschel Wehrtechnik, Kuka Wehrtechnik GmbH sowie MaK System GmbH gegründet und ist innerhalb der Rheinmetall Detec AG Führungsgesellschaft des Geschäftsbereichs "Systeme und Geräte". Kerngeschäft des Unternehmens ist die Herstellung von gepanzerten Ketten- und Radfahrzeugen, zum Beispiel des ABC-Spürpanzers "Fuchs". Der Bereich Systeme und Geräte erwirtschaftete laut Geschäftsbericht der Rheinmetall Detec AG im Jahr 2000 einen Umsatz von mehr als 270 Millionen Euro.