15 Jahre Wikipedia

Ein Online-Lexikon erobert die Welt

11.01.2016
Es ist eines der Web-Vorzeigeprojekte, geschaffen von unzähligen Freiwilligen: Vor 15 Jahren ging Wikipedia online. Heute gibt es 37 Millionen Beiträge in knapp 300 Sprachen. Doch wie rüstet sich die Online-Enzyklopädie eigentlich für die Zukunft?

Der große Brockhaus, die Encyclopedia Britannica und viele weitere - dutzendfach stehen diese dicken Wälzer in einem Regal im Berliner Deutschland-Büro von Wikimedia, dem Verein hinter Wikipedia. Ausgerechnet dort - Online-Enzyklopädie ist schließlich nicht unbeteiligt daran, dass traditionelle Lexika heute kaum mehr eine Rolle spielen. Der Niedergang von Lexikon und Enzyklopädie kam schnell - ähnlich wie sich der Siegeszug von Wikipedia vollzogen hat. Doch 15 Jahre nach seiner Gründung steht das digitale Nachschlagewerk auch vor zahlreichen, neuen Herausforderungen.

Vor 15 Jahren ging Wikipedia online - und revolutionierte die Welt der Enzyklopädien und Lexika.
Vor 15 Jahren ging Wikipedia online - und revolutionierte die Welt der Enzyklopädien und Lexika.
Foto: Claudio Divizia - shutterstock.com

So ist Wikipedia entstanden

Rückblick: Am 15. Januar 2001 rief der US-Amerikaner Jimmy Wales gemeinsam mit dem Programmierer Larry Sanger Wikipedia als Folgeprojekt ihres Online-Lexikons Nupedia ins Leben. Die Vision lautete damals wie heute ganz unbescheiden: Das gesammelte Wissen der Menschheit für Jedermann frei zugänglich zu machen. Die Besonderheit war dabei die Wiki-Software: Ein frei verfügbares System, mit dem jeder Nutzer ganz einfach Websites anlegen und bearbeiten kann.

Einen Monat nach der Gründung standen 600 Artikel online, nach einem Jahr waren es schon 20.000 - zur Überraschung der Gründer. Die hatten sich aber überworfen und Sanger zog sich aus dem Projekt zurück. Inzwischen gibt es mehr als 37 Millionen Beiträge in knapp 300 Sprachen, verfasst von unzähligen Freiwilligen. Kurz nach der englischen Version ging im März 2001 auch die deutschsprachige Version von Wikipedia an den Start. Diese wird mittlerweile im Schnitt eine Milliarde mal aufgerufen - pro Monat. Trotzdem steht die .de-Ausgabe von Wikipedia mit rund 1,9 Millionen Artikeln steht "nur" auf Platz drei hinter der englischen und der schwedischen Ausgabe. "Wir waren schon immer sehr stark in Deutschland", sagt Gründer Wales im Interview mit der dpa. Die Deutschen hätten traditionell Interesse an Enzyklopädien. Zudem seien das freiwillige Engagement und der Wille Gutes zu leisten in Deutschland besonders ausgeprägt.

Kostenloses Online-Lexikon ohne Werbung

Und wie finanziert sich das Ganze? Nach wie vor kommt Wikipedia gänzlich ohne Werbung aus. Das soll sich nach Aussage von Wales auch nicht ändern. Die Plattform trägt sich alleine durch Spenden - und das ziemlich gut. Bei der jüngsten Spendenaktion der Wikimedia Deutschland kamen Ende vergangenen Jahres 8,6 Millionen Euro zusammen. So gut sich die Zahlen lesen, auch bei Wikipedia kommt es immer wieder zu Problemen, die zum Teil nichts von ihrer Aktualität verlieren: die Zahl der Schreiber sinkt, überholte Technik, harsche Töne und ein niedriger Frauenanteil innerhalb der Community (liegt laut Wales noch immer bei 16 Prozent) sind nur einige Beispiele.

"Wir wollen wieder mehr Autoren gewinnen und den Leuten zeigen, dass Wikipedia nicht nur was zum Lesen und Konsumieren, sondern auch zum Mitmachen ist", sagt Christian Rickerts, Geschäftsführender Vorstand der Wikimedia Deutschland. Allerdings sei auch klar: Die Artikel zu vielen relevanten Themen seien bereits verfasst worden. "Es ist schwieriger geworden, die weißen Flecken auszumalen."

"Der Pioniergeist der Anfangszeit ist verschwunden", meint Martin Haase, der selbst mehrere Jahre als Autor auf Wikipedia aktiv war. Der Romanistikprofessor der Universität Bamberg veröffentlichte darüber hinaus mehrere wissenschaftliche Arbeiten über die Online-Enzyklopädie. Ihre Qualität sei ziemlich gut. "Es hängt natürlich vom Thema und den Beiträgen ab. Aber da meist viele Augen auf die Artikel schauen, gerade bei strittigen Fragen, kann man schon von einer hohen Verlässlichkeit ausgehen." Dass die Wikipedia-Idee ganz gut funktioniere, zeige sich ja in den enormen Nutzerzahlen.

Neue Herausforderungen für die Online-Enzyklopädie

Die renommierten Lexika hat Wikipedia längst hinter sich gelassen. Nach 244 Jahren gab der Verlag der Britannica im Jahr 2012 bekannt, dass die Enzyklopädie nur noch digital erscheint. Zwei Jahre später zog der Brockhaus - in Deutschland 200 Jahre lang das Maß aller Lexika - nach. Wales sieht das recht unemotional: "Die Welt ändert sich, und die Technologie schreitet voran." Gleichzeitig hob er bereits vor einigen Jahren im dpa-Interview seine traditionellen Ansichten in Sachen Bildung hervor: "Wer sagt: 'Du musst heutzutage nichts mehr wissen - Du musst nur wissen, wo Du es nachschlägst', hat meiner Meinung nach etwas missverstanden."

Um zukunftsfähig zu bleiben, muss sich Wikipedia fortlaufend der sprunghaften Entwicklung der Technik anpassen. "Das zählt zu unseren größten Aufgaben", sagt Wales. Derzeit gehe es vor allem um die wachsende mobile Nutzung. Eine Herzensangelegenheit des 49-Jährigen ist es dabei, Wikipedia globaler zu machen. Das hat natürlich auch seinen Grund: Kritiker bemängeln Einseitigkeit, da die meisten Artikel in der westlichen Welt verfasst würden. Dank der besseren technischen Ausstattung könnten sich jetzt immer mehr Menschen auch in der Dritten Welt vernetzen, sagt Wales. "Wir sind in einer Phase, in der die Zahl der Internetnutzer in Entwicklungsländern explodiert, womit die Nutzung von Wikipedia und die Mitwirkung in den jeweiligen Sprachen explodiert." Das sei spannend und aufregend, da das "auf lange Sicht deutliche Auswirkungen auf Wikipedia haben wird." (dpa/fm)