EIN NETZ FÜR ALLE

29.10.2002
Die Welt der Telefone und die der Computer waren lange völlig voneinander getrennt. In konvergenten IP-basierten Netzwerken wachsen Sprache und Daten nun zusammen - eine Entwicklung, die es Unternehmen ermöglicht, Geschäftsprozesse neu zu gestalten und dabei Geld zu sparen.

Frankfurt, Flughafen: John Ford ist aus der Maschine gestiegen und auf dem Weg zum Anschlussflug. Kundentermin. Zu dumm, dass die E-Mail mit den gestern abgesegneten neuen Preislisten, die ihm ein Kollege vom Vertrieb noch vor dem Abflug schicken wollte, ihn nicht rechtzeitig erreicht hat. Aber mittlerweile müsste sie eigentlich da sein. Zeit, zu einem Internet-Terminal zu hasten, ist nicht. Während ihn das Laufband durch die Terminals transportiert, ruft John stattdessen mit dem Handy seine E-Mail-Box an. „Sie haben drei neue E-Mails“, erklärt ihm eine Computerstimme. Eine ist die heiß erwartete Mitteilung aus dem Vertrieb. „Nachricht hören“, sagt John. Sekunden später liest die Computerstimme sie vor. Die neuen Zahlen lässt Ford sich auf sein Multimediatelefon übermitteln und speichert sie. In der Anschlussmaschine überarbeitet John das Material für die Präsentation und baut sie dort ein.

Es ist nicht das erste Mal, dass John schnell reagieren muss, obwohl er nicht in seinem Büro ist. Mobilität, Geschwindigkeit und Erreichbarkeit sind in der modernen Arbeitswelt zu wichtigen Erfolgsfaktoren geworden. Der strategische Einsatz eines konvergenten IP-basierten Netzwerks und intelligenter Anwendungen ist eine Antwort auf diese Anforderungen. Johns Unternehmen setzt auf so ein Netz, in dem die Welt der Telefone und der Sprachübermittlung mit der Welt der Datenübertragung verschmolzen ist.

Diese beiden Welten waren lange voneinander getrennt. Als Paul Baran, einer der Erfinder der paketorientierten Datenübertragung, 1962 sein Buch „On Distributed Communications Networks“ veröffentlichte, hat er sich nicht träumen lassen, dass aus dem von ihm beschriebenen Internet-Protokoll (IP) einmal eine einheitliche Basis wird, auf deren Grundlage alle Kommunikationsnetze zusammenwachsen. Zu Barans Zeiten erlaubte vor allem das Telefon, über viele Kilometer hinweg in Echtzeit Informationen auszutauschen. Heute können Menschen wie John auch mit Hilfe des Internet-Protokolls grenzenlos kommunizieren. Die E-Mail war dabei nur ein erster Schritt. Weltweit verständigen sich heute Menschen mit Hilfe von Daten, die in kleine digitale Pakete zerteilt und über zentrale Internet-Rechner, die Router, durch die weltweiten Datennetze von einem Personalcomputer zum anderen übertragen werden. Chaträume oder Instant Messaging sind Beispiele dafür. Mittlerweile

wird so auch Sprache ganz selbstverständlich in Datenpakete zerteilt übertragen, etwa bei der Computer-Telefonie-Technologie Voice-over-IP (VoIP) oder Videokonferenzsystemen.

Existierende Produktlinien laufen langsam aus

Private Branch Exchanges (PBX), also die traditionellen Nebenstellenanlagen, und das klassische Telefon haben Konkurrenz bekommen: Während die Zahl der verkauften Analog- und Digital-Telefone sinkt, steigt die der IP-basierten Telefone, die mit Hilfe der Datenpakete aus den Computernetzen arbeiten. Im ersten Quartal 2002 ging dem Beratungsunternehmen InfoTech zufolge der PBX-Verkauf um 12,4 Prozent zurück. Tendenz: weiter fallend. „Die Hersteller lassen existierende Produktlinien langsam auslaufen“, analysieren die InfoTech-Consultants.

Ihren Platz nehmen Konvergenznetze ein. Sie bieten heute eine einheitliche Infrastruktur zum Informationsaustausch, die auch Sprachdaten einschließt. Das unterscheidet sie von traditionellen Netzwerken, die entweder über Telefonleitungen die Stimme oder über Computernetze Daten transportieren. Die Gartner Group schätzt, dass 2005 rund 45 Prozent der neu installierten Telefonleitungen IP-basiert arbeiten werden; 2000 waren es noch zwei Prozent. In einem konvergenten IP-Netzwerk werden Computer, Telefone und andere Endgeräte verzahnt. John Ford und seine Kollegen nutzen unternehmensweit alle Telefone - egal, ob es sich um analoge, digitale oder schnurlose Geräte handelt - ebenso wie PC-Clients über ein einheitliches Netz. So ist es möglich, die Sprachübertragung mit jeder beliebigen Softwareanwendung zu verknüpfen. Johns Kommunikation lässt sich komplett über Unternehmensportale in die Geschäftsprozesse integrieren, zum Beispiel in das

Warenwirtschaftssystem, mit dem er arbeitet. Wenn John eine Nachfrage zu einem dort gespeicherten Angebot hat, muss er nicht umständlich anhand von Bearbeitungskürzeln herausfinden, wer das Dokument im Workflow zuletzt geändert hat, und dessen Durchwahl im Unternehmenstelefonbuch suchen.

Kinderkrankheiten sind mittlerweile beseitigt

Nach dem Einloggen klickte John heute morgen vor dem Abflug an seinem Bürorechner auf ein Eingabefeld des Warenwirtschaftssystems, in dem der vorherige Bearbeiter verzeichnet ist. Die mit dem System verknüpfte Kommunikationssoftware weiß, ob der Mitarbeiter telefonisch erreichbar ist. Wenn sein Kollege verfügbar gewesen wäre, hätte sie John von seinem Rechner aus direkt verbunden. John hat seinen Kollegen zwar nicht mehr telefonisch erreichen können. Seine Anfrage nach den neuen Preislisten hat er aber als Instant-Message hinterlassen. Und rechtzeitig eine Antwort bekommen.

Schöne Visionen? Keineswegs. Die Konvergenz-Technik ist nicht nur bei klassischen Computeranwendungen wie Kalenderfunktionen marktreif.Kinderkrankheiten wie abgehackte Sprachströme oder verklirrte Anrufe, die Pioniere bei den ersten Voice-Over-IP-Projekten im Unternehmenseinsatz in Kauf nehmen mussten, gehören der Vergangenheit an. In den letzten zwei bis drei Jahren ist „die Konvergenz-Technologie erwachsen geworden“, urteilen die Analysten von Deloitte Consulting.

Ideale Kundenbetreuung

Siemens IP-Konvergenz-Technik kommt weltweit in mehr als 120.000 IP-Systemen zum Einsatz. Elf Millionen IP-fähige Telefone hat das Unternehmen bis heute ausgeliefert. Der Logistik-Riese FedEX oder die Automobilhersteller Volvo und BMW setzen die Siemens Konvergenz-Technologie HiPath ein. Die Mitarbeiter von Legoland Deutschland kommunizieren dank einer Siemens Konvergenz-Lösung zuverlässig und stellen so sicher, dass ihre Kunden jederzeit bestens betreut werden. Wie so eine einheitliche Kommunikationsinfrastruktur aussehen kann, ist besonders gut in der Niederlassung von Siemens ICN in San Jose, Kalifornien, zu besichtigen: Die gesamte Kommunikation aller Büros und Konferenzräume läuft über ein Local Area Network (LAN) im Ethernet-Standard. Jedes Stockwerk bildet eine Netzeinheit. Über IP-Switches sind diese Unternetze miteinander und mit dem Backbone verbunden. Zu den Ressourcen des Netzes gehören sowohl das IP-Telefon-Gateway für den Übergang ins

öffentliche Netz, aber auch die E-Mail-, Internet- und Intranet-Server. Herz der Anlage sind zwei „HiPath 5000“-Softswitches, über die alle Sprachanwendungen für mehr als 1000 Teilnehmer realisiert werden.

Ausfallsicherheit von 99,999 Prozent

Wichtig für Unternehmen, die sich auf eine neue Technologie verlassen, sind aber auch Fragen wie Ausfallsicherheit und eine garantierte Verfügbarkeit der benötigten Leistungen. Auch in dieser Hinsicht sind konvergente IP-Netzwerke unternehmensreif. Da die Siemens IP-Telefone über das LAN mit Strom versorgt werden können, arbeiten sie auch dann, wenn die Stromversorgung des restlichen Gebäudes ausgefallen ist. Ziel der Ausfallsicherheit: 99,999 Prozent.

Die Mailabfrage als geschäftskritischer Arbeitsprozess

Stichwort „Quality of Service“: Die garantierte Bereitstellung von Bandbreiten und die Zuverlässigkeit der Anwendungen erlaubt es Organisationen, den Einsatz von Konvergenz-Produkten strategisch und langfristig zu planen. Sie ermöglicht, innovative Arbeitsprozesse auf Grundlage einer zuverlässigen Infrastruktur zu entwerfen.

John und seinen Kollegen stehen intelligente Telefonbücher zur Verfügung, über die sie neben den Telefonnummern eines Kunden alle relevanten Informationen abrufen können, die andere im Unternehmen bereits gesammelt haben. Eine Abteilung wird aufgelöst? Mausklicks in der Steuerungssoftware genügen, um die überzähligen Endgeräte zu deaktivieren. Vor ein paar Wochen zog John in ein anderes Bürogebäude um. Seine Telefonnummer behielt er, als er sich an seinem neuen Arbeitsplatz beim Einheitsnetz wieder anmeldete - zum Glück, denn die Mitarbeiter in Johns Unternehmen werden oft zu Projektteams umgruppiert. Als Außendienstler, der viel reisen muss, gehört die mobile Mailabfrage zu Johns geschäftskritischen Arbeitsprozessen. Genauso muss der Vielflieger sich auf das Konvergenznetz verlassen können, wenn er an Meetings nur per Videokonferenz teilnehmen kann.

Der Nutzer entscheidet, wann und für wen er erreichbar ist

Innerhalb des eigenen LAN Bandbreiten für solche Anwendungen bereitzustellen, ist kein Problem für Systemadministratoren. Wer seine Kommunikationsleistungen von den großen Internet-Service-Providern bezieht, kann Nutzungsverträge abschließen, die bestimmte Bandbreiten reservieren und dem Datenverkehr aus den Konvergenznetzen Vorfahrt einräumen.

Das zuverlässig arbeitende Konvergenznetz ermöglicht es John, jederzeit das bequemste Endgerät für die Arbeit zu benutzen. Das kann das Mobiltelefon beim hektischen Flughafentransfer sein, aber auch der Bildschirm von Johns eigenem Computer im Hotel. John kann festlegen, für wen er wann in welcher Situation erreichbar sein soll. Ungewollte Anrufe bei einer Besprechung gibt es nicht mehr, unerwünschte Werbe-E-Mails dringen nicht zu ihm durch.

Pro Jahr werden weltweit 30 Milliarden E-Mails verschickt

Über sein Telefon managt John zudem seine Mailbox. Wenn er per Spracheingabe den Befehl „Löschen“ über das Telefon gibt, wird eine Mail tatsächlich gelöscht. Mit „HiPath CorporateConnect“ kann ein mobiles Telefon, ein Laptop oder ein Organizer mit Web-Verbindung als Zugangsmedium zum Firmendatennetz mit allen Sprachfunktionen genutzt werden. Sogar an die Sicherheit ist dabei gedacht: Nur die richtige Spracheingabe öffnet den Zugriff auf das Unternehmensnetz.

Konvergenz schlägt sich in steigender Produktivität nieder

Gleichzeitig wird der Computer mit Hilfe von Telefonsoftware zum Endgerät für Sprachinformationen.

„HiPath ComResponse“ ist eine Web-basierte Sprachapplikation, die für jeden Mitarbeiter eines Unternehmens ein breites Spektrum von Diensten bietet, vom einfachen „music-onhold“ bis hin zum persönlichen Callcenter. John hat die Software über eine Web-basierte Plattform nach seinen Anforderungen konfiguriert.

Die Menge an Informationen, die Unternehmensmitarbeiter wie John bewältigen müssen, steigt rapide an, Kommunikation wird zum Produktionsfaktor. Beispiel E-Mail-Volumen: Die Gesamtzahl der in einem Jahr verschickten Digitalbriefe wird 2002 laut dem Marktforscher IDC die 30-Milliarden-Grenze überschreiten; 2006 werden es doppelt so viele sein.

Auf den Zeitpunkt kommt es an

Einige Unternehmen haben sich mit der Umsetzung von Konvergenz-Projekten bereits dem neuen Takt der Wirtschaft angepasst und ihren Mitarbeitern Werkzeuge an die Hand gegeben, um die neuen Herausforderungen meistern zu können. Etliche weitere planen, das zu tun, berichten die Unternehmensberater von Deloitte Consulting in ihrer Studie „Ready to Go! - The Executives Guide to Practical Convergence“. Neun von zehn befragten Unternehmern ziehen in den nächsten zwei Jahren ein Voice-over-IP-Projekt in Erwägung oder starten Pilotprojekte. „Wenn Geschäftsgründe CxOs dazu zwingen, die derzeitigen Kapazitäten ihrer Organisation zu evaluieren, ist das der beste Zeitpunkt, konvergente IP-Dienste einzubinden“, so die Analysten.

Konvergenz als strategischer Geschäftsfaktor

Bei der Frage nach dem Return on Investment (RoI) einer solchen Umstellung lassen sich etliche Faktoren punktgenau gegenrechnen - etwa die Kosten, die der Neuanschluss von benötigten Telefonleitungen verursacht.

Wenn die klassische Telefonanlage an ihre Kapazitätsgrenze stößt, muss eine neue her. Eine Konvergenzlösung kann dagegen durch das Dazuschalten neuer Standardkomponenten erweitert werden. Eine einheitliche Kommunikationsinfrastruktur lässt sich kostensparend warten und reduziert so die „Total Cost of Ownership“ (TCO). Und: Konvergenz ist ein Geschäftsfaktor, ein Geschäftswerkzeug, das sich - strategisch eingesetzt - in wachsenden Umsätzen, erhöhten Margen und steigender Produktivität niederschlägt.

Das gilt auch, wenn Unternehmen weiter eine Nebenstellenanlage einsetzen wollen. Vielfach sind diese wertvollen Investitionen noch nicht abgeschrieben. Die alte Anlage von heute auf morgen einzumotten macht ökonomisch oft keinen Sinn. Auf dem Weg in die konvergente Zukunft kann jedes Unternehmen sein eigenes Tempo gehen. Die Berater von InfoTech gehen deshalb davon aus, dass es „die wahrscheinlichste Art der Implementation sein wird, existierende PBX-Anlagen IPfähig zu machen.“

Hybrid-Lösungen helfen, die alte Telefonanlage Schritt für Schritt abzulösen. Schon solche Teillösungen ermöglichen es laut Deloitte Consulting, „ohne ein sofortiges Neudesign der gesamten Infrastruktur“ Konvergenz-Vorteile zu nutzen. Sie können Prozesse und Arbeitsabläufe in einem Rhythmus, den die eigene Organisation und nicht der Technikanbieter vorgibt, an die neuen Perspektiven gewöhnen. Die sanfte Migration ist zudem, wie auf einer der folgenden Seiten dargestellt wird, billiger als andere Wege, um die Kommunikationsinfrastruktur zu erneuern.

Die Frage lautet: Wann sollen wir es tun?

Doch egal, ob sanfte Migration oder schlagartige Erneuerung: Am Ende dieser Entwicklung steht für Unternehmen eine einheitliche Kommunikationswelt, in der Sprach- und andere Daten zusammengewachsen sind. Fazit der Berater von InfoTech: „Bei der Entscheidung, IP-LAN-Telefone zu implementieren, stellt sich nicht länger die Frage ‚Sollen wir es überhaupt tun?‘, sondern die Frage ‚Wann sollten wir es tun?‘.“

Man darf sich die Chancen nicht entgehen lassen

Michael Meyer, Senior Vice President Enterpise Networks bei Siemens IC Networks, geht noch einen Schritt weiter. „Gerade heute, wo den Unternehmen - und häufig den IT-Abteilungen im Besonderen - ein rauer Wind entgegenbläst, darf man sich die Chancen, die in IP-Konvergenz liegen, nicht entgehen lassen. So werden mit Hilfe dieser zukunftssicheren Einbindung von Communication-over-IP in IT-Umgebungen neue Geschäftsmodelle umsetzbar und damit auch mehr Umsatz generierbar. Und es zeigt sich in immer mehr Projekten, dass der zugehörige Return on Investment (RoI) außerordentlich hoch ist.“

Links zum Thema:

http://www.hipath.de https://hipath-partnernet.icn.siemens.com/marketingmaterial.jsp http://www.tlk.de/local/presales/siemens/HiPath.html http://www.edialog.de/Newsline/IP-Konvergenz.jsp http://www.funkschau-handel.de/heftarchiv/pdf/2002/fs1402/fs021415007.pdf http://www.konvergenzforum.de