Was Mitarbeiter frustriert

Ein netter Chef reicht nicht

10.09.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Wenn Mitarbeiter sich nicht mehr engagieren, liegen die Ursachen meist in mangelnder Wertschätzung, zu hohem Druck und an unfähigen Chefs. Jeder Fünfte reagiert mit Resignation oder Leistungsreduktion. Das geht aus einer Befragung von 30.000 Mitarbeitern hervor.

Behandelt ein Unternehmen Mitarbeiter schlecht, sinken Identifikation und Bindung, während Fehlzeiten und Fluktuation steigen. Das geht aus den Befragungen des Münchner Geva-Instituts von insgesamt 30.000 Mitarbeitern hervor, dazu Geschäftsführer Gerhard Bruns: "Letztlich sind es die Chefs, die dafür sorgen, ob sich Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen identifizieren können, ihm treu bleiben und sich persönlich einbringen." Wer mit seinem Chef zufrieden ist, bewertet auch insgesamt das Klima am Arbeitsplatz besser, unterstützt seine Kollegen mehr, engagiert sich freiwillig stärker für das Unternehmen als andere und berichtet allgemein über mehr Selbstwirksamkeit und Einflussmöglichkeiten im Unternehmen. Mitarbeiter mit schlechten Chefs dagegen resignieren deutlich häufiger und werden öfter krank.

In Sachen Kommunikation haben Chefs Nachholbedarf

Nett zu sein reicht für Chefs nicht. Mitarbeiter wollen Führungskräfte, die gut organisieren und kommunizieren.
Nett zu sein reicht für Chefs nicht. Mitarbeiter wollen Führungskräfte, die gut organisieren und kommunizieren.
Foto: Günter Menzl - Fotolia.com

Nett sein allein reicht aber nicht. Nahezu alle Befragten wollen Chefs, die Veränderungen, Entscheidungen und vereinbarte Maßnahmen nachhaltig umsetzen und für eine gute Organisation der Arbeitsabläufe und Prozesse sorgen. Das beherrschen viele deutsche Führungskräfte bereits recht gut. Zu kurz kommt aber die Kommunikationsfähigkeit. Dazu gehören regelmäßige Gespräche, Offenheit für Ideen und Vorschläge und differenzierte Feedbacks zur Leistung, verbunden mit einer individuellen Förderung der Mitarbeiter. Das kostet Zeit, die manche Chefs nicht investieren wollen - und nur in Ausnahmefällen nicht können. Besonders schwer tun sich Führungskräfte mit der verständlichen Formulierung von Arbeitsaufträgen und einer zeitnahen Information der Mitarbeiter. Dies wiederum ist keine Frage des Wollens, sondern eine Frage des Könnens. Auf der emotionalen Seite sind Glaubwürdigkeit und Loyalität von Führungskräften ganz entscheidende Bewertungskriterien, neben dem Gefühl der Mitarbeiter, auch echte Wertschätzung und Anerkennung zu erfahren.

Unternehmenskultur ist Aufgabe des Top-Managements

Insgesamt gesehen sind die meisten Deutschen mit ihren direkten Chefs aber durchaus zufrieden, ebenso mit ihrer Arbeitstätigkeit, das heißt, den Aufgaben, die täglich erledigt werden müssen. Deutlich stärker in der Kritik steht die Unternehmensleitung, die für Mängel in der Unternehmenskultur verantwortlich gemacht wird, also dafür, wie im Unternehmen insgesamt mit den Mitarbeitern umgegangen wird. Weniger relevant als landläufig vermutet sind die Themen Vergütung und Arbeitsbelastung, die zwar tendenziell negativ bewertet werden, für die Mehrheit der Mitarbeiter aber nicht den größten Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit haben.

Ein positives Unternehmensimage trägt dazu bei, dass sich viele Menschen bewerben. Verlassen werden Firmen dagegen nicht aus Imagegründen, sondern wegen schlechter Führung, einer unangemessenen Unternehmenskultur und dem daraus resultierenden Glaubwürdigkeits- und Identifikationsdefizit.

Je positiver sich ein Unternehmen gegenüber Bewerbern präsentiert und je höher die Erwartungen im Bewerbungsprozess geschraubt werden, umso größer ist die Enttäuschung, wenn sich die Realität später anders darstellt. Daran ändern auch werbliche "Beste Arbeitgeber"-Plaketten nichts, die manche Unternehmen gerne in ihre Stellenanzeigen setzen. Mit regelmäßigen Führungskräftebeurteilungen und Mitarbeiterbefragungen betonen Unternehmen hingegen den Stellenwert der Führungsaufgabe auch im Kontext anderer Managerpflichten. Zunehmend häufiger wird die Führungsleistung zum Bestandteil der Führungskräftebeurteilung und hat damit eine direkte Auswirkung auf die variable Vergütung von Managern. Spätestens wenn die Jahresprämie im Feuer steht, macht sich jeder Chef Gedanken um seinen Führungsstil.