Ein Navi findet keine Wasserstelle

18.08.2009
Bruno Baumann durchquerte allein die Wüste Gobi, kletterte auf höchste Berge und erklärt Managern, was sie aus solchen Erfahrungen lernen können.

CW: Sie sind bekannt für Ihre Expeditionen durch Wüsten und auf höchste Gipfel. Die unternehmen Sie oft allein. Vermissen Sie da keinen tragbaren Computer, mit dem Sie Kontakt zum Rest der Welt halten?

Baumann: Wenn ich die intensive Naturerfahrung suche und das Alleinsein im Sinne von All-Eins-Sein, was dieser Begriff im ureigensten Sinne ja bedeutet, dann habe ich kein Bedürfnis, dies gleichzeitig der Welt mitzuteilen. Denn da geht es um eine Selbsterfahrung, also eher um eine Innen- und nicht eine Außenschau.

CW: Auf manchen Expeditionen sind Sie allerdings ohne Kontakt zu irgendwem. Daraus ließe sich lernen, dass auch Normalsterbliche ohne das geschwätzige Internet auskommen können. Gibt es ein Leben ohne Internet?

Baumann: Das Internet ist für mich eine revolutionäre Erfindung, die mittlerweile bis in völlig entlegene Winkel der Erde dringt. Ich sehe darin eine Chance zu mehr Dialog, mehr Transparenz. Aber zuweilen ist es heilsam, sich einmal für kurze Zeit daraus auszuklinken, Abstand zu gewinnen, um es einzuordnen: Es ist nur Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck und schon gar nicht Ersatz für die reale Welt. Es hängt also von uns ab, was wir damit machen: Ob wir uns ganz und gar vom Internet abhängig machen wie ein Süchtiger, oder ob es ein Instrument bleibt, bei dem wir bestimmen, wie und wann wir es nutzen.

CW: Wenn man so allein in der Wüste Gobi rumstiefelt, wäre doch ein Navi ganz hilfreich. Da hätte man auch eine persönliche Ansprache: "An der nächsten Düne bitte rechts abbiegen."

Baumann: Vorweg gesagt: Selbstverständlich nutze ich ein Navi in der Wüste. Aber das allein genügt nicht, um dort zu bestehen. Das Navi sagt einem nicht, wo man Wasser findet. Es weiß auch nicht, ob ein Brunnen bereits ausgetrocknet ist. Es sagt einem auch nicht "An der nächsten Düne rechts abbiegen." Damit es überhaupt etwas sagt, muss man erst einmal Zielkoordinaten und Wegpunkte einprogrammieren. Wegpunkte in der Wüste sind lebenswichtige Wasserstellen, die sich aber nicht einfach vom Wohnzimmer aus ermitteln lassen, indem man bei Google Earth surft oder Kartenwerke studiert. Ich habe die Wasserstellen für meine Solo-Route in der Gobi erst nach einem guten Dutzend von Touren mit Kamelkarawanen gefunden. Und zwar nicht mit Hilfe eines GPS-Navi – das ist nämlich nutzlos, wenn es keine Koordinaten hat –, sondern durch eine andere Art Navi, das wir im Bauch haben und das man nennen kann, wie man will: emotionale Intelligenz, Intuition, Instinkt. Trotzdem bin ich beim ersten Solo-Versuch fast verdurstet, weil sich die Distanzen zwischen den Wasserstellen als zu groß erwiesen haben.