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Kritik an de Maizière

"Ein Manifest der Irrelevanz und Nichtigkeit"

24.06.2010
Den kürzlich veröffentlichten 14 Internet-Thesen von Innenminister Thomas de Maizière fehle die Exzellenz, kritisiert das Magazin "NeueNachrichten". In Wirklichkeit agiere die Bundesregierung defensiv und habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

In einem harschen Artikel wendet sich NeueNachrichten gegen die "14 Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft" von Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Zitiert wird unter anderem Bernhard Steimel, Sprecher des Fachkongresses Voice Days plus und der Smart-Service-Initiative, der von einem Manifest der Irrelevanz und Nichtigkeit spricht. "Wenn wir so die netzpolitische Zukunft gestalten, können wir uns in Deutschland als Technologieland bald verabschieden. Man muss schon angestrengt suchen, um überhaupt einen Hauch von Visionen aus diesem Papier herauszulesen", kritisiert Steimel. Wenn de Maizière proklamiere, dass wir strategische IT- und Internet-Kompetenzen erhalten und ausbauen müssten, dann sollte die Bundesregierung erst einmal an der eigenen Web-Exzellenz arbeiten.

Lesenswertes zu den 14 Internet-Thesen von de Maizière

Mit Bezug auf IBMs Cheftechnologen Gunter Dueck und dessen Besteller "Aufbrechen" mahnt Steimel, der Staat agiere viel zu statisch. Er sehe sich für Infrastrukturen wie Recht, Soziales, Verteidigung, Bildung, Ordnung, Gesundheit oder Verkehr zuständig, vergesse aber die Strukturen der Zukunft. Schon allein die Existenz eines Landwirtschaftsministers aus der Zeit des Primärsektors sei ein Anachronismus. "Wir haben ein Industrieministerium, das sich Wirtschaftsministerium nennt. Ein Dienstleistungsministerium hat man schlichtweg vergessen, obwohl Deutschland längst ein Dienstleistungsland ist. Wir haben keine Lobby für die Serviceökonomie, aber eine laute und mächtige Lobby für Industrie- und Bauerninteressen. Die Forderung nach einem Internetministerium wurde nur zaghaft gestellt und schnell wieder verworfen, weil auch die Web-Wirtschaft in Berlin keine politische Relevanz besitzt und Wählerstimmen bringt", moniert Steimel.

Gegen statt mit dem Internet

Der Innenminister werte das Internet als eine Basisinfrastruktur des Zusammenlebens und sehe den Staat in der Verantwortung, dass das Internet flächendeckend zur Verfügung stehen müsse. "Dieser Satz verlangt konkrete Taten. Danach bringt de Maizière direkt seine Ausführungen zur Datensicherheit", so Steimel. "Das kann einen nicht verwundern, wenn seine Kabinettkollegin Ilse Aigner ihre Rolle als Verbraucherschutzministerin im Kampf gegen Google sowie soziale Netzwerke auslebt und mit großem Getöse ihren Facebook-Ausstieg zelebriert. Substanzelle Positionen über die kommenden Web-Welten können so nicht entstehen", ärgert sich der IT-Unternehmer.

In seiner Kritik orientiert sich Steimel stark an den Ausführungen Duecks. Der hatte in seinem Buch von der Notwendigkeit einer "strukturkultivierenden Marktwirtschaft" gesprochen. Der Staat müsse die Infrastrukturen auf die Zukunft ausrichten. "Zum Beispiel könnte die Bundesregierung einen verbindlichen ‚Fahrplan‘ für den Ausbau des Breitbandinternets herausgeben. Das würde etwa 60 Milliarden Euro kosten, nicht mehr als die Rettung einer Bank", meint Dueck. Zu einem solchen Schritt würde sich aber niemand entschließen.

Ein superschnelles Internet sei für die Wirtschaft und für die Transformation zur Wissensgesellschaft unabdingbar. "Dieselben Leute, die die 60 Milliarden für die Zukunft nicht geben wollen, argumentieren wie selbstverständlich, dass der entscheidende Anstoß zu Deutschlands Wirtschaftswunder der energische und kompromisslose Ausbau des Autobahnnetzes in den 1960er-Jahren war, der für Deutschland eine moderne Infrastruktur schuf", führt Dueck weiter aus. Ein kompromissloser Ausbau des Internets hätte ähnlich dimensionierte positive Auswirkungen.

"NeueNachrichten" zitiert auch Peter Weilmuenster, Vorstandschef des Frankfurter After-Sales-Dienstleisters Bitronic: "Die Innovationsrevolutionen des Internets werden von den politischen Meinungsführern immer noch unterschätzt. Technologien und Geschäftsmethoden können über Nacht wertlos werden. Etablierte Branchen gehen unter und neue entstehen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung ist doch ein Indiz für die falschen Akzente in der Wirtschaftspolitik. Um ein robustes Wachstum zu erreichen, dürfen wir die traditionellen Industriezweige nicht mit kurzfristig wirkenden Steuermitteln versorgen mit einer nur geringen Halbwertzeit. Damit verschleppt die Bundesregierung wichtige Umstellungsprozesse", äußert sich Weilmuenster.