Warenwirtschafts-Systeme von IBM, SAP und Steeb im Vergleich

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei Funktionsumfang und beim Preis

23.04.1993

In einem Vergleichstest hat GPS die Warenwirtschafts-Systeme von SAP (R/3), IBM (MAS 90und Steeb (V3) unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich, dass mittelstaendische Kunden, wie sie die GPS fuer den Test auswaehlte, fuer einen vergleichbaren Funktionsumfang bei allen drei Produkten knapp 200 000 Mark hinlegen muessten.

Um moeglichst realistische Testbedingungen zu schaffen, holte sich GPS die Beispieldaten und Anforderungsprofile von einem Handelshaus der Textilbranche mit einem Jahresumsatz von etwa 40 Millionen Mark. Schwerpunkt dieses Unternehmens ist weniger die Produktion als der deutschland- und europaweite Vetrieb vom zentralen Lager aus. Ausserdem wurde davon ausgegangen, dass das Handelshaus in mehrere selbstaendige GmbHs gegliedert ist, zu denen auch eine Einkaufsgesellschaft gehoert.

Die Warenwirtschafts-Systeme wurden aufgrund dieser Rahmenbedingungen und anhand eines vorgegebenen Unternehmensmodells fuer zwei Firmenstandorte mit identischen Testdaten und -szenarien getestet. Unterschiedlich waren lediglich die Systemumgebungen (siehe Abbildung 2, Seite 12).

Beurteilt hat GPS die Benutzeroberflaeche, den Bedienungsablauf, die Vollstaendigkeit der Funktionen sowie die Robustheit und das Fehlerverhalten der Software. Die von dem Anwender stammenden Anforderungen waren so hoch gesteckt, dass von den urspruenglich sechs Anbietern drei mit der Begruendung absprangen, ihre Systeme koennten die gestellten Aufgaben und Anforderungen nicht erfuellen.

Aber auch die verbliebenen Produkte bewaehrten sich nur, solange Aufgaben in einer homogenen Programmwelt zu loesen waren. "Beim Uebergang von einer Anwendung in eine andere hat es der Anwender nicht leicht", greift GPS daher einen der Hauptmaengel heraus. Besonders stoerend wirke, dass die einzelnen Module, wie etwa Auftragsbearbeitung und Debitorenbuchhaltung, strikt getrennt sind, obwohl sie aehnliche Kundeninformationen verwalten. "Die Systeme", so das harsche Urteil, "lassen den Blick auf den gesamten Betriebsablauf vermissen."

Aber auch wenn es darum ging, die Ergebnisse der Arbeit in eine praxisgerechte Form zu bringen, konnten die Systeme von SAP, IBM und Steeb nicht glaenzen. Faehigkeiten wie das Verschicken von Faxdokumenten sowie das Ausdrucken von Formularen oder Adressaufklebern gehoeren laut GPS nicht zu den Standardfunktionen (eine detaillierte Funktionsuebersicht gibt Abbildung 1).

Diese Kritik richtet sich explizit gegen MAS 90. An den Kernfunktionen des IBM-Produkts fanden die Tester allerdings nichts zu bemaengeln. Positiv heben sie hervor, dass die einzelnen Module nicht auf bestimmte Branchenbeduerfnisse eingeschraenkt seien. Auch seien Ausnahmeregelungen fuer Lieferanten und Kunden standardmaessig vorgesehen. Allerdings musste sich MAS-90 lediglich in einer True-Blue-Umgebung mit

AS/400-Server und angeschlossenen Terminals bewaehren.

Obschon ein Unix-Produkt, wurde die Steeb-Software V3, die aus der proprietaeren Mainframe-Welt stammt, in einer hierarchischen Master-slave-Umgebung getestet. Die Herkunft des Produkts zeigt sich auch dem Mischkonzept von Dialog- und Batch-Verarbeitung. Dafuer lobt GPS das Management-Informationssystem sowie die Stabilitaet des Produkts, das alle Funktionstests ohne Systemabstuerze ueberstand. Geruegt wird das Fehlen einer Funktion fuer die Provisionsabrechnung und eines Automatismus, der bei mengenabhaengigen Preisstaffelungen die Rechnungsbetraege anpasst, wenn sich die Anzahl der bestellten Produkte aendert.

R/3: Auf dem Stand der Technik aber aufwendig

Konsequente Client-Server-Unterstuetzung bietet dagegen die Unix- Software R/3 von SAP. Lobend erwaehnen die GPS-Tester neben der grafischen Benutzeroberflaeche das Konzept, mit Oracle eine handelsuebliche relationale Datenbank einzusetzen. Allerdings fehlen hier einige Module, so dass die Buchhaltungsfunktionen anhand des Vorlaeuferprodukts R/2 getestet werden mussten. Auch lief das Produkt bei der Testinstallation "etwas unrund". Fuer die von R/2 her bekannten aufwendigen Anpassungsvorgaenge findet GPS die Formulierung: "Ein erfahrener Pfadfinder kann bei der Systemeinfuehrung nicht schaden."

Abb. 1: Die Bewertung der Funktionalitaet

Maengel haeufen sich vor allem in der Auftragsbearbeitung und bei den betriebswirtschaftlichen Kernfunktionen. Quelle: GPS

Abb. 2: Testumgebung fuer die Warenwirtschafts-Systeme

Zwar gingen mit V3 und R/3 zwei Unix-Produkte ins Rennen, doch lediglich die SAP-Software lief in einer Client-Server- Umgebung, wie sie heute als Stand der Technik gilt. Quelle: CW