Projekt-Management: Viel Ärger und schlechte Karriereaussichten

Ein Knochenjob in Krisenzeiten

18.04.2003
MÜNCHEN (hk) - Auch wenn IT und Fachabteilungen erkannt haben, dass es ohne Projektarbeit nicht geht, nutzen sie dieses Instrument nicht immer professionell. Oft werden die falschen Mitarbeiter eingesetzt oder die guten vergrault.

Ohne Projekt-Management kommen IT-Organisationen nicht mehr aus. Unabhängig davon, was ansteht, sei es eine Produkteinführung, Prozessoptimierung, Umstrukturierung, Firmenzusammenschluss oder selbst Mitarbeiterentlassungen - für alles wird in der Regel ein Projekt definiert. Das klingt einleuchtend, denn jahrelange Erfahrungen haben das Potenzial von Projektorganisationen eindrucksvoll belegt. Oft wurden Arbeitsabläufe neu definiert, Prozesse bekamen eine größere Dynamik, und Kosten wurden transparenter.

Auf der anderen Seite gibt es die immer wieder aus Studien und Untersuchungen zitierten Zahlen, die große Probleme beim Projekt-Management belegen. Zu lesen ist beispielsweise, dass nur zehn Prozent der IT-Projekte in deutschen Unternehmen weder den Zeit- noch den Budgetrahmen sprengen, oder dass 75 Prozent der Projektleiter den Status der Vorhaben nicht genau kennen.

Diese Zahlen werden in der aktuellen Branchenkrise nicht besser. Überall - das bestätigen Projektleiter gegenüber der CW - nimmt der interne Kostendruck zu, Umstrukturierungen sind an der Tagesordnung. Damit geraten laufende Projekte unter Druck, ihr erfolgreicher Abschluss wird unsicher. Kommen noch externe Faktoren hinzu, etwa wenn Zulieferer oder Partner Pleite gehen oder Personal entlassen, ist das Scheitern des Projekts die Folge.

Firmenintern ist zu beobachten, dass die Fachabteilungen die Hoheit über IT-Projekte gewinnen, nach dem Motto: Wer zahlt, schafft an. Die Diskussionen konzentrieren sich nur noch auf ein Thema: Welchen Nutzen bringt das Vorhaben? Der IT-Abteilung wird aus leidvoller Erfahrung der Vergangenheit nicht zugetraut, die Kosten im Griff zu behalten.

Unter dieser Situation leiden viele IT-Profis, wie der IT-Projektleiter einer weltweit agierenden Spedition bestätigt. Immer wieder sei es passiert, dass Leute aus den Fachabteilungen im Projekt saßen, die "keine Ahnung" hatten: "Verantwortung ja, aber kein Wissen", so sein bissiger Kommentar. Georg Rubin, langjähriger Berater und Projektleiter bei Accenture, der sich mit mehreren Kollegen mit der Firma Entero selbständig gemacht hat, beobachtet das gleiche Phänomen. Das Problem vor allem bei Großunternehmen bestehe darin, so Rubin, dass Projektarbeit unattraktiv sei: "Kein guter Mitarbeiter drängt sich in diesen Zeiten freiwillig in ein Projekt." Die Angst sei zu groß, dass, wenn die Arbeit zu Ende geht, der alte Platz in der Abteilung unter Umständen schon "umorganisiert" ist, sprich nicht mehr existiert. Damit könne man sich auf einen Schlag eine Menge Karrierechancen verbauen.

Günther Szogs, Abteilungsdirektor in der Commerzbank IT sieht das etwas anders. Angesichts der hausinternen Reorganisation - "alle Abteilungen sind auf dem Prüfstand" - stehen Karriereüberlegungen nach einem erfolgreich umgesetzten Projekt weniger im Vordergrund. Da sich aber die Commerzbank von vielen externen Beratern und Freiberuflern getrennt habe, also ein konsequentes Insourcing betreibe, ergäben sich zwangsläufig auch wieder Karrierechancen. Kompetenzen in Sachen Projekt-Management baut die Bank im Rahmen einer Ausbildung auf, die gemeinsam mit einem Beratungshaus ausgearbeitet wurde. Allerdings, so Szogs, werde dieses Engagement angesichts der kritischen Geschäftslage derzeit mit angezogener Handbremse betrieben.

Projektarbeit verdient Sonderhonorierung

Projektarbeit ist auch deshalb oft wenig erfolgreich, weil sie sich für die Teilnehmer nicht lohnt. Es fehlt an Incentives. Der IT-Verantwortliche eines Automobilbauers erklärt dazu nur lapidar: "Wir als großer Konzern bieten doch ausgezeichnete Karrieremöglichkeiten, mit Extra-Belohnungen von Projekten fangen wir erst gar nicht an." Berater Rubin meint aber, dass gerade Projektarbeit, weil sie oft unter extremem Zeit- und Budgetdruck stattfindet, eine Sonderhonorierung verdiene.

Das Management ist nicht ganz unschuldig an den Problemen in vielen Projekten. "Warum sollte ein Unternehmen seine besten Verkäufer in ein Customer-Relationship-Management- (CRM-)Projekt stecken, wenn um jeden Euro Umsatz an der Produktfront gekämpft wird?" fragt Rubin. Da könne man doch nicht die Topleute für ein internes Projekt abziehen, sei eine oft zu hörende Argumentation. Die Konsequenz, dass nachher unter Umständen nicht die beste Lösung für die Fachabteilung herauskommt, interessiert in dem Moment weniger.

Ein weiterer Grund, warum Projekte scheitern, ist die mangelhafte personelle Besetzung an der Spitze. Georg Winkelhofer, langjähriger Projektleiter, Buchautor und Inhaber der Projekt-Management-Akademie in Stuttgart, glaubt, dass heute mehr denn je sozial kompetente Experten in der Leitung gefragt sind. Seine Begründung: Die Projekte sind komplexer geworden, und die Situation der Mitarbeiter hat sich in den meisten Unternehmen verschlechtert.

Zu 80 Prozent Psychologe

Unsicherheit, Angst vor Arbeitsplatzverlust und Demotivation seien keine Ausnahmeerscheinungen mehr. Deshalb hat in den letzten Jahren aus seiner Sicht eine eindeutige Verschiebung der Fähigkeiten eines Projektleiters stattgefunden. Er müsse heute "zu 80 Prozent Psychologe, zu zehn Prozent Fachexperte und zu zehn Prozent Betriebswirt sein", lautet seine klare Definition des Berufsprofils.

Heike Vocke, Informatikerin, Dozentin und selbständige Projektleiterin, bestätigt diese Einschätzung. Unternehmen könnten keinen größeren Fehler machen, als einen Programmierer direkt zum Projektleiter zu befördern. Der Projektleiterjob sei nunmal nicht jedem in die Wiege gelegt, erst recht nicht einem IT-Profi. Deshalb sei eine einschlägige Ausbildung das A und O als erster Schritt auf diesem Weg. Vocke sagt "Informatiker sind Individualisten" und beobachtet in der Praxis, dass sie oft Kommunikationsdefizite haben - auch wenn sie es nicht zugeben. Deshalb gestalte sich die Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen nicht immer einfach. Zudem könnten sich Techniker schwer von ihrer Programmierarbeit lösen, wollten alle Fehler selbst verbessern und würden vergessen, dass sie sich "als Manager verstehen müssen".