Stiftsysteme definieren Mobilitaet neu

Ein kleiner Ueberblick ueber die Betriebssysteme fuer Pen-Computer

26.02.1993

Die verschiedenen auf dem Markt befindlichen Systeme unterscheiden sich stark hinsichtlich ihres Einsatzgebietes, der Anforderungen an die Hardware und des Grades der Stiftunterstuetzung. Die Palette reicht von der Unterstuetzung einfacher textbasierter Programme auf kleinen Handheld-Rechnern bis zu ausgefeilten Windows-Applikationen, die mit dem Stift zu bedienen sein sollen.

Neben einigen kleinen Anbietern haben sich die Produkte von vier Firmen im Markt der Pen-Betriebssysteme etabliert: "Pendos" von der Communication Intelligence Corp. (CIC), Grids "Penright", die Stifterweiterung Pen-Windows fuer Microsoft Windows 3.1 und das Pen-Point-Betriebssystem der kalifornischen Firma GO.

Eines des bekanntesten Pen-Betriebsysteme ist das von CIC fuer Pen-PCs der unteren bis mittleren Leistungsklasse entworfenen Pendos. Es enthaelt einen kompakten nur zirka 40 KB grossen Recognizer, der gegebenenfalls vorhanden Erweiterungsspeicher fuer ein Woerterbuch nutzt. Pendos erweitert den Kommando-Interpreter und ermoeglicht handschriftliche Eingaben schon fuer das DOS-Prompt.

Darueber hinaus reagiert Pendos auf einfache Kommandogesten, die zur Steuerung der Eingabe dienen. Neben den normalen Kommunikationsfaehigkeiten sind Erweiterungen ueber Geraetetreiber und entsprechende Programmbibliotheken moeglich, so dass Anpassungen an spezielle Hardware, etwa die Kommunikation per Infrarotverbindung, moeglich sind. Zur Applikationsentwicklung steht eine C-Funktionsbibliothek zur Steuerung der Handschrifterkennung fuer textbasierte und grafische Anwendungen bereit.

Die US-amerikanische Firma Grid, Pionier des Pen-Computing, hat schon frueh die Software-Umgebung Penright fuer die eigenen Pen- Rechner entwickelt. Penright ist weitgehend Hardware-unabhaengig und laeuft auf jedem Rechner, der ueber eine Mausemulation fuer den Stift verfuegt.

Da diese einfache Schnittstelle auf praktisch jeden Pen-Computer vom Hersteller zur Verfuegung gestellt wird, laufen mit Penright entwickelte Applikationen ohne Aenderungen auf Rechnern unterschiedlichster Hersteller.

Der Nachteil dieser Vorgehensweise liegt in der geringeren Genauigkeit der von der Mausemulation gelieferten Positionswerte. Grid hat dieses Problem erkannt und mit der neuen Version "Penright! Pro" die Moeglichkeit geschaffen, spezielle Treiber fuer den jeweils verwendeten Digitizer zu benutzen.

Penright stellt allerdings nicht nur ein Laufzeitsystem dar, sondern umfasst auch eine komplette Entwicklungsumgebung. Mittels eines Editors koennen Anwendungen aus grafischen Eingabeelementen aufgebaut werden. Aus der internen Repraesentation kann dann eine EXE-Datei generiert werden, die sich unabhaengig einsetzen laesst.

Alternativ hat man die Moeglichkeit, einfache Applikationen in der Hoch-Scriptsprache "Pen Pal" schnell und effizient zu entwickeln. Zur Vereinfachung der Datenuebertragung stehen dem Anwendungsentwickler bereits auf der Ebene der Scriptsprache entsprechende Kommunikationsbefehle zur Verfuegung.

Mit "Windows for Pen-Computing" ist es Microsoft gelungen, diese weit verbreitete grafische Benutzeroberflaeche auch fuer Pen- Computer zu erweitern. Durch Ausnutzung der objektorientierten Architektur und des ereignisbasierten Kontrollmechanismus ist es moeglich, jede normale Windows Applikation auch mit dem Stift zu steuern. Dabei setzen die Griffelrechner handschriftliche Eingaben in entsprechende Maus- oder Tastaturaktivitaeten um.

Buchstaben werden in Eingabezeichen, Gesten in Tastenkombinationen fuer Funktionen wie Ausschneiden, Kopieren oder Einfuegen, sonstige Stiftbewegungen in eine aequivalente Mausfuehrung uebersetzt.

Zur Erleichterung der Handschrifterkennung sind spezielle Eingabefelder vorgesehen, die Zeicheneingaben in "Kaestchen" erlauben. Diese speziellen grafischen Kontrollelemente sind ebenso wie applikationsspezifische Gesten oder Erkennungssoftware nur bei speziell angepassten beziehungsweise neuentwickelten Anwendungen verfuegbar.

Fuer die Anwendungsentwicklung existiert eine ganze Reihe von Werkzeugen. Neben Microsoft-eigenen Programmiersprachen wie "Visual Basic" und "C 7.0 MFC" sind dies auch Produkte von Drittanbietern wie Borlands "C++" 3.1 oder "Penapps" von der Slate Corp. Um Pen-Windows auch auf kleinen Maschinen verfuegbar zu machen, arbeitet Microsoft inzwischen an einer ROM-faehigen Version unter dem Namen "Modular Windows".

Das fortschrittlichste Pen-Betriebssystem ist ohne Zweifel das von der GO Corp. in den letzten fuenf Jahren voellig neu entwickelte Pen-Point. Dieses objektorientierte Betriebssystem ist speziell fuer den Einsatz in Pen-Computern entworfen worden und zeichnet sich durch einen sparsamen Umgang mit Systemressourcen wie Speicherplatz und Energie aus.

So kann zum Beispiel mit der entsprechenden Hardware die Ladekapazitaet der Batterien abgefragt werden, bei Bedarf lassen sich verschiedene Systemteile stillegen. Pen-Point besitzt ferner eine speziell auf Stifteingaben zugeschnittene Benutzerschnittstelle, das Notebook User Interface (NUI).

Pen-Computer als Notizbuch

Statt eines symbolisierten Schreibtisches wie bei konventionellen grafischen Schnittstellen stellt bei Pen-Point der Pen-Computer ein Notizbuch dar, in das der Benutzer einzelne Seiten beliebigen Inhalts einfuegen kann. Die jeweiligen Anwendungen des Systems stellen dabei verschiedene Arten von "Papier" zur Verfuegung. So gibt es etwa Zeichenpapier, mathematisches Papier oder auch Blaetter fuer Tabellenkalkulationen.

Alle diese Dokumentarten koennen durch die "Embedded Document Architecture" von Pen-Point auch gemischt werden, so dass beispielsweise ein Textdokument eine Grafik enthalten kann, die aber nach wie vor mit dem Stift bearbeitet wird. Fuer Pen-Point steht neben einem C-Entwicklungssystem von Watcom auch der Applikationsgenerator Penapps von Slate zur Anwendungsentwicklung zur Verfuegung.

Es existiert eine Reihe weiterer Systeme, die bisher allerdings nur geringe Bedeutung erlangt haben. Ein solches Beispiel ist "Pen-OS", eine proprietaere Loesung von NCR, die speziell als DOS- Erweiterung fuer den ersten Pen-Computer von NCR, das Modell 3125, konzipiert wurde. NCR stoppt inzwischen die Weiterentwicklung, lediglich bestehende Anwendungen werden noch unterstuetzt.

Etwas exotisch ist "Dialogue", das von dem taiwanischen Unternehmen Dialogue Technologies fuer den eigenen Pen-Computer "Infoman" entwickelt wurde. Das grafische Dialogue ist nur auf dem 68000-basierten Rechner lauffaehig, wird aber von einem PC- basierten Entwicklungswerkzeug unterstuetzt. Mit diesem Formgenerator koennen Applikationen in einer Scriptsprache erstellt und als normale DOS-Dateien auf den Infoman uebertragen werden.

Auch fuer die auf PCs verfuegbare grafische Oberflaeche "Geos" gibt es eine Pen-Erweiterung, "Pen-Geos". Sie ist speziell fuer den Einsatz auf kleineren PC-kompatiblen Pen-Computern geeignet.

Mit "Netware Palm-Dos" schliesslich hat der fuer Netzwerkprodukte bekannte Softwarehersteller Novell eine Stiftversion von "DR-DOS" vorgestellt, das wiederum von der von Novell aufgekauften Digital Research stammt. Palm-Dos zeichnet sich vor allem durch eingebaute Kommunikationsfaehigkeiten aus.

Ein noch in der Entwicklung befindliches Betriebssystem ist das von Apple fuer den Personal Digital Assistant "Newton" (PDA) entworfene "Newt-OS". Ausser den von Apple vorab gepriesenen Faehigkeiten wie intelligente und lernfaehige Interaktion ist lediglich bekannt, dass Newt-OS in C++ implementiert wurde und nicht - wie zunaechst angenommen, - in der ebenfalls von Apple neuentwickelten objektorientierten Programmiersprache "Dylan".

Die Faehigkeiten des Systems, Benutzervorlieben und Routineaufgaben zu erlernen, duerften vor allem im Zusammenspiel mit den eingebauten Kommunikationsmoeglichkeiten fuer die Datenuebertragung per Infrarot oder Funk Massstaebe setzen.

Pen-Computer werden im wesentlichen in drei Aufgabengebieten eingesetzt: in der mobilen Datenerfassung, fuer Praesentations- und Dokumentationszwecke sowie als persoenliches Informationswerkzeug. Jedes dieser Einsatzgebiete stellt andere Anforderungen an die verwendete Hardware, Betriebssystem- und Anwendungssoftware.

Fuer die mobile Datenerfassung kommen kleine, leichte Pen-Computer in Bereichen wie Bestellwesen, Logistik, Aussendienst (Vertrieb und Wartung), Meinungsumfragen etc. zum Einsatz. Fuer die simplen Erfassungsaufgaben reichen textbasierte Anwendungen einfacher CGA- Grafik meist aus. Pendos und Penright finden hier ihre Berechtigung, da die beschraenkte Speicherkapazitaet der kleinen Geraete umfangreichere Betriebssysteme wie Pen-Windows meist nicht zulaesst.

Fuer komplexe Erfassungsaufgaben sowie im Praesentations- und Dokumentationsbereich sind leistungsfaehige grafische Oberflaechen unerlaesslich. Erklaerungsbeduerftige Produkte koennen ebenso wie etwa detaillierte Wartungsanleitungen nur bei einer hohen Bildschirmaufloesung adaequat dargestellt werden. Pen-Windows und PenPoint eignen sich fuer diese Aufgaben gleich gut. Die notwendigen Hardwarevoraussetzungen sind meist vorhanden, da schon die Applikationen selbst in der Regel ein grosses Datenvolumen und eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit bedingen.

Skalierbare Benutzerschnittstelle

Spezielle Pen-Computer fuer den Einsatz als persoenliche Produktivitaetswerkzeuge beziehungsweise staendige Begleiter sind bislang noch nicht verfuegbar. Zweifelsohne benoetigen diese kleinen und hochmobilen Systeme eine neue Art von Betriebssystemen. Diese muessen ein ressourcensparendes Design aufweisen, optimier- und erweiterbar sein und eine breite Palette von Kommunikationsfaehigkeiten unterstuetzen. PenPoint stellt einen wichtigen ersten Schritt in diese Richtung dar, zumal es im Gegensatz zu Pen-Windows ueber eine skalierbare Benutzerschnittstelle verfuegt, die auch fuer kleine Displays gute Lesbarkeit garantiert.

Die Wahl des passenden Betriebssystems haengt ohne Zweifel in erster Linie vom Einsatzzweck und damit auch von der verwendeten Hardware ab. Inwieweit Apples Newt-OS, das bis heute auf sich warten laesst, die Erwartungen erfuellen wird, ist ungewiss.

Vom technologischen Standpunkt aus gesehen, fuehrend ist derzeit ohne Zweifel Pen-Point. Dennoch bleibt abzuwarten, inwieweit sich das Programm gegenueber der Marktmacht des Softwaremonopolisten Microsoft behaupten kann. Optimistisch duerfte die GO-Leute stimmen, dass sie in dem Telekommunikationsgiganten AT&T einen starken Partner haben, dessen Betriebssystem-Wahl fuer den zusammen mit EO entwickelten Personal Communicator auf eine ROM-Version von Pen-Point fiel.

*Michael Wagner promoviert ueber objektorientierte Groupware und ist als freier Berater in Muenchen taetig.

Abb: Die Einsatzplattformen und das Leistungsvermoegen von Pen- Betriebssystemen im Ueberblick