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Ein IT-Services-Gigant entsteht: Atos und Origin fusionieren

29.08.2000
Zwei Unternehmen helfen sich aus der Patsche

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Konsolidierung im IT-Servicesektor schreitet voran: Der französische Systemintegrator Atos SA kauft die IT-Servicesparte Origin des niederländischen Elektronikkonzerns Philips. Mit einem Jahresumsatz von zusammen 2,8 Milliarden Euro mausern sich beide Firmen so zum drittgrößten IT-Dienstleister in Europa. Das neue Unternehmen, das Anfang Januar unter dem Namen "Atos Origin" mit 27 000 Mitarbeitern in 30 Ländern an den Start gehen soll, spielt damit in derselben Liga wie die europäischen Marktführer Cap Gemini, das im Februar 2000 mit der IT-Beratungssparte von Ernst & Young fusionierte (CW Infonet berichtete), und Getronics.

Im Rahmen der Transaktion, die als Fusion unter Gleichen ausgewiesen ist, wird Origin-Eigner Philips 21,5 Millionen neue Atos-Aktien erhalten. Auf Basis des letzten amtlichen Schlusskurses der Atos-Aktie vom vergangenen Freitag mit 122 Euro beläuft sich das Transaktionsvolumen damit auf 2,62 Milliarden Euro - der Handel des Atos-Papiers war am Montag an der Pariser Börse ausgesetzt worden. Nach dem Merger wird Philips zunächst knapp unter 50 Prozent an dem kombinierten Unternehmen halten, seinen Anteil innerhalb der nächsten zwei Jahre jedoch auf unter 35 Prozent senken.

Atos-Chef Bernard Bourigeaud, der die Leitung des neuen Unternehmens übernehmen wird, bezeichnete die Fusion als ein perfektes Match: "Atos und Origin ergänzen sich ohne Überschneidungen in Bezug auf Kundenstruktur, Produkte und geografische Präsenz." War die französische Firma bislang neben den Branchen Telekommunikation und Einzelhandel vor allem auf Finanzen spezialisiert, gewinnt sie nun die von Origin betreuten Bereiche Prozessindustrie und High-Tech dazu. Zu den gemeinsamen Kunden gehören Lucent, Philip Morris, Procter & Gamble sowie Shell. Mit der Akquisition von Origin kann Atos zudem seine geografische Reichweite von Frankreich auf die Niederlande und Großbritannien ausweiten. Der Firmensitz von Atos Origin soll in Frankreich angesiedelt werden, während der Vorstand des Unternehmens in Amsterdam residiert.

Auch dem Origin-Besitzer ist mit dieser Fusion geholfen, wollte sich Philips-President Cor Boonstra schon seit längerem von kränkelnden Einheiten trennen und den Mutterkonzern wieder auf die Herstellung von elektronischer Hardware konzentrieren. Ursprünglich hatte der Manager einen Börsengang für Origin im Visier. Diese Option erschien nach den im ersten Quartal 2000 erstmals separat ausgewiesenen Zahlen für diese Einheit jedoch wenig ratsam. Origin hatte in dem Berichtszeitraum, der am 31. März endete, mit 400 Millionen Euro einen Umsatzrückgang von 3,4 Prozent melden müssen. Der Gewinn war von 25 Millionen Euro im Vorjahr dramatisch auf eine Million Euro gesunken. Im Mai 2000 musste daraufhin Origin-Chef Robert Pickering seinen Hut nehmen. An seine Stelle trat der damalige Chief Financial Officer Tim Lomax.

Bourigeaud gestand auf der gestrigen Pressekonferenz in Paris ein, dass die Akquisition der schwachen Philips-Sparte die Leistung von Atos zunächst beeinträchtigen werde. Allerdings gab er sich für die weitere Zukunft optimistisch. So soll die kombinierte Firma ihre Betriebsmarge (Verhältnis von Betriebsergebnis zum Umsatz) vom Umsatz von sechs Prozent im ersten Halbjahr 2000 auf mindestens zehn Prozent im Jahr 2002 steigern.

Marktbeobachter sehen in dem Deal strategische Vorteile für beide Unternehmen. So sei es für Origin innerhalb der Philips-Gruppe fast unmöglich gewesen, seine Betriebsstrukturen zu verbessern. Atos wiederum erhalte durch den Merger die "kritische Masse", die in dieser Branche notwendig sei. Auch der Kaufpreis, der sich auf das Eineinhalbfache von Origins Jahresumsatz beläuft, bewege sich in einem vernünftigen Rahmen, hieß es von Seiten der Analysten. Sie erwarten innerhalb der nächsten zwei Jahre mögliche Kosteneinsparungen bei mindestens 50 Millionen Euro.