CW-Redakteur Michael Pauly besuchte L'Oreal in Brüssel

Ein in vieler Hinsicht interessanter Laden

17.10.1975

BRÜSSEL - Bei der belgischen Tochtergesellschaft des Kosmetik-Unternehmens L'Oreal können Vertreter nicht mehr schwindeln: der Verkaufsleiter zeigt ihnen am Bildschirm, welcher Friseur seine Haarfestiger noch bezahlt oder auch welche Drogerie weniger gekauft hat als im Vorjahr. Das gleiche Verfahren kann der Direktor beim Gespräch mit seinen Verkaufsleitern anwenden.

EDV-Leiter M. Demazy von L'Oreal S. A. in Brüssel hat bisher acht Bildschirme installiert: je ein Data-100-Gerät für die Programmierer in der Zentrale und für die 160 Kilometer von Brüssel entfernte Fabrik in Libramont (zur Lagerbestandskontrolle bei den 15 000 Zwischen- und 4000-Endprodukten) und je drei IBM-Bildschirme für die Verwaltung der beiden Verkaufs-Divisions (Friseurbedarf und Endverbraucher-Produkte).

In den Verkaufsabteilungen werden die Bildschirme zur Auftragsbearbeitung eingesetzt: die Bestellung wird eingegeben und auf Plausibilität und finanzielle Situation des Kunden geprüft. Hat der Kunde beispielsweise frühere Rechnungen nicht bezahlt oder der Vertreter einen Auftrag falsch ausgeschrieben, so bekommt die Sachbearbeiterin einen entsprechenden Hinweis und muß entscheiden, ob eine Rückfrage nötig ist oder die Bestellung abgelehnt wird. Bei Kundenanfragen können die gespeicherten Daten am Bildschirm aufgerufen werden, sodaß eine sofortige Antwort möglich ist.

Westi statt Cies

Gesteuert wird das TP-System mit "Westi". "Diesel Monitor hat zwar nicht die vielen Möglichkeiten von CICS - aber er benötigt einschließlich unserer Anwendungsprogramme nur 80 K Hauptspeicher. Mit CICS hätten wir mindestens 160 K benötigt" erklärt Demazy. "Das war neben den Kosten von nur 35 000 Mark Kaufpreis ausschlaggebend. Das Schreiben von TP-Programmen macht nicht mehr Arbeit als das Schreiben normaler Programme". Der mittlerweile etwa 150 mal installierte Monitor für DOS und DOS/US, 2260- und 3270-Mode wurde ohne Hilfe von Westinghouse installiert.

Reichlich Mixware

Auch die Konfiguration ist auf Sparen ausgelegt: an der IBM 370/145 mit 256 K von IBM und 128 K von Itel hängen je ein IBM- und ein CDC-Drucker, zehn Platten und vier Bänder von Itel, eine Memorex-Steuereinheit (mit Racal-Mildo-Modems und Data-100-Terminals) sowie zwei IBM-Steuereinheiten mit je drei IBM-Bildschirmen und einem Drucker. "Wir hatten vorher eine IBM 360/40 und wollten auf die neue Generation umsteigen ohne daß wesentlich Mehr-Hardware-Kosten entstehen" erläutert Demazy die ungewöhnliche Kombination der Geräte von sechs verschiedenen Herstellern. Er hat übrigens mit der Mixed Hardware noch keinerlei Schwierigkeiten gehabt.

Lieber zentralisiert

In puncto Kosten und Effizienz seines Systems steht Demazy unter Leistungsdruck: die L'Oreal-Zentrale in Paris fördert die Idee der dezentralisierten DV mit Minis oder MDT-Anlagen in jeder Betriebsstätte. Die Belgier aber sind aufgrund ihrer Erfahrungen für einen zentralen Rechner mit Bildschirmen in den Außenstellen. "Wir haben damit genauso die DV-Leistung in jeder Abteilung - aber wir sind sicher, daß in jeder Abteilung die gleiche Sprache gesprochen wird" erklärt Demazy. "Die Verbindungen zwischen Herstellung und Verkauf, die wegen der Übersicht über die Liefermöglichkeiten nötig sind, wären bei Einsatz mehrerer Minis beispielsweise nicht möglich".

CTV, Mikrofilm und tragbare DE

Für die Zukunft sind weitere Terminalanwendungen geplant. Im Frühjahr 1976 soll beispielsweise die Textverarbeitung am Bildschirm beginnen: die im System jetzt schon gespeicherten Daten wie Kundenadresse, Kontostand und Zahlungseingänge werden um Standard-Textbausteine ergänzt sodaß sich am Bildschirm der Text eines Briefes zusammenstellen läßt. Dieser Text wird dann auf einer Platte gespeichert werden und zusammen mit anderen Briefen auf ein Druckband überspielt, das sowohl für einen Schreibautomaten wie auch für die Mikroverfilmung auf einer COM-Anlage (Registratur) genutzt werden kann.

Das mutet bereits konventionell an gegenüber dem zweiten Plan- die Vertreter sollen Bestelldaten im Auto nach jedem Besuch mit einem tragbaren Erfassungsgerät auf Minikassette speichern und den Kassetteninhalt abends telefonisch überspielen.