Ein gutes Design macht noch lange kein gutes Manual

12.09.1986

Mit der verstärkten Einführung von PCs in den Fachabteilungen gewinnt die Systemliteratur immer mehr an Bedeutung. Doch ihre Qualität läßt nach wie vor zu wünschen übrig. Zwar haben sich laut Gerd-Reiner Hoja von den Lübecker Stadtwerken in den vergangenen Jahren vor allem Inhaltsverzeichnisse und Indices verbessert. Doch Benutzerführung, Praxisbezogenheit oder konsequente Manual-Update-Organisation bereiten den Anbietern noch immer arges Kopfzerbrechen. Auch die Übersetzungen englischer Manuals ins Deutsche sind weiterhin mangelhaft. Dies gilt vor allem für die Mainframe-Literatur, deren deutsche Versionen immer wieder Aktualität und Aussagefähigkeit vermissen lassen. Über die oft schlechte Qualität der Systemliteratur, lästert Wolfgang Müller, Leiter DV-Programme aus Fulda, könne auch nicht die zunehmend modische Aufmachung der Manuals der neuen Generation hinwegtäuschen. O-Ton Müller: "So wie Kleider eventuell Leute machen, macht ein gutes Design noch lange kein gutes Manual." bk

Peter Hofmann

DV-Leiter, Hengstler GmbH, Aldingen

DV-Manuals benötigt man in der Regel, wenn der Ernstfall eingetreten ist. Da in so einem Fall die DV-Anlage stillsteht, wäre es von Vorteil, wenn man über einen Index kurzer Hand an die richtigen Handbücher gelangen könnte. Die heutige Situation ist jedoch eine ganz andere. Hat man erst einmal erkannt, ob der Fehler im CICS, DL/1, VSE oder VM aufgetreten ist, muß der Betroffene sich durch oft sehr praxisfremde, englische Literatur kämpfen. Sind deutsche Handbücher vorhanden, dann läßt ihre Qualität oft zu wünschen übrig.

Der Wartungsaufwand, um DV-Literatur auf dem neuesten Stand zu halten, erfordert eine Menge Arbeit. Im Zeitalter der Dezentralisierung von DV-Anwendungen (Einführung PCs in der Fachabteilung) kommt der Systemliteratur immer mehr an Bedeutung zu. Also werden in Zukunft vom Organisator bis zum Sachbearbeiter in der Fachabteilung gute und in Deutsch geschriebene Handbücher vonnöten sein.

Betrachtet man heute nur die Vielfalt an Programmen und die dazugehörige Literatur, die es für Personal Computer gibt, ist der Einsatz in den Fachabteilungen immer noch mit einem relativ hohen Schulungsaufwand verbunden.

Fazit: Die Qualität der DV- Manuals ist auf den Hersteller bezogen sehr unterschiedlich. In der DV-Abteilung wird die englische Sprache mit Sicherheit weiterhin Standard bleiben, und somit wird auch die Literatur in englischer Sprache nicht wegzudenken sein. Aber man sollte nicht vergessen:

Auch in einer DV-Abteilung ist die Umgangssprache Deutsch.

Für die Fachabteilung wird die DV-Literatur noch vereinfacht und in vielen Fällen noch verdeutscht werden müssen, um den Einsatz von Computern am Arbeitsplatz zu erleichtern.

Gerd-Reiner Hoja

Leiter der Systemtechnik, Stadtwerke Lübeck

Die Frage nach der Entwicklung der Qualität von Systemliteratur läßt sich nicht mit einer pauschalen Antwort ausdrücken. Gerade auf diesem Gebiet gibt es viel Licht und Schatten. Deshalb muß erst definiert werden, welche Anforderungen wir an eine Dokumentation stellen. Beim Aufbau der Literatur sind klare Strukturierung und Gliederung, Inhaltsverzeichnis für Kapitel, Inhaltsverzeichnis für Abbildungen und Zeichnungen, qualitativ gute Abbildungen und Zeichnungen, Erklärung bestimmter Fachbegriffe, Index, Querverweise zu anderen Dokumentationen sowie Anhang für Notizen und Bemerkungen notwendig.

Das Update der Literatur sollte Kennzeichnung der Änderungen, Kurzbeschreibung der Änderungen, Andruck der jeweils gültigen Änderungen und problemlose Austauschmöglichkeiten bieten.

Einige der aufgeführten Punkte wurden in den letzten drei Jahren wesentlich verbessert. Besonders auf dem Sektor der Inhaltsverzeichnisse und Indizes hat es einige gute Ansätze gegeben. Dadurch ist es für den Benutzer leichter geworden, bestimmte Abschnitte der Literatur zu finden und aufzuschlagen.

Mängel gibt es häufig noch bei der Erklärung bestimmter Fachbegriffe. Da sich hinter dem gleichen Begriff unterschiedliche Deutungen verbergen können, ist es oft sehr wichtig, daß der Autor genau erklärt, was er unter diesem Begriff versteht. So ist der Leser dann in der Lage, diese Erklärung mit seiner eigenen Vorstellung zu vergleichen und kann so eventuell Mißdeutungen vermeiden.

Ein weiterer Punkt sind Übersetzungen in die deutsche Sprache. Während in der Gruppe der Fachliteratur die deutsche Sprache nur einen sehr kleinen Teil ausmacht - und auch weiterhin ausmachen wird -, überwiegt in der Gruppe der Literatur für den Endanwender die deutsche Sprache. Man kann heute sogar sagen: Literatur in deutscher Sprache oder nicht ist eine wesentliche Restriktion bei der Auswahl von Soft- beziehungsweise Hardware.

Zur Verbesserung der Systemliteratur hat sicherlich in den letzten drei Jahren die Verbreitung der PCs und damit der PC-Software beigetragen. Um einen breiten Absatz ihrer Soft-, beziehungsweise Hardware zu erreichen, sind die Hersteller der Software gezwungen, ihre Systemliteratur in allgemeinverständlicher Form zu erstellen.

Dieses führte dazu, daß auch die Hersteller von Endbenutzersystemen auf Großrechenanlagen gezwungen waren, ihre Dokumentation in deutscher Sprache zu erstellen. Leider sind die Übersetzungen dieser Literatur oft noch von schlechter Qualität, da in den Übersetzungsbüros qualifizierte Übersetzer mit Fachkenntnissen fehlen.

Alles in allem kann man eine Steigerung der Qualität von Systemliteratur in den letzten drei Jahren feststellen. Bis sie allerdings unseren Forderungen in allen Punkten gerecht wird, werden sicher noch einige Jahre vergehen.

Wolfgang Müller

Leiter EDV- Programme, Tegut Theo Gutberlet, Fulda

In den Modefarben der Saison, auch sportlich-dynamisch schwarz, jedenfalls mit progressivem Design, oft unterstützt von hochdotierten Machern der Werbebranche, zeigt sich der Einband von Manuals der neueren Generation dem nach Information trachtenden Benutzer. "Angeturnt" von so viel Einfallsreichtum bei der Aufmachung, wird der Benutzer jedoch die schon vor Jahren vorhandenen grundlegenden Mängel bei den meisten Manuals wiederfinden.

Das Bemühen um Verbesserungen in diesem Bereich ist bezogen auf unseren Hersteller zwar nicht zu bestreiten. Jedoch ist aufgrund der unterschiedlichsten Beobachtungen augenscheinlich, mit welch geringem Budget sich bei einem Computerhersteller die Manual-Macher auseinandersetzen müssen. Dabei wird deutlich, daß sprachliche Übersetzungen im Mainframe-Manual-Bereich für die Hersteller kein Thema mehr sind. Zu umfangreich sind die Nachschlagewerke, zu rasant die hardware- und softwaretechnische Entwicklung, um hier noch Aktualität und Aussagefähigkeit aufrechterhalten zu können. Konsequenz ist, daß Mitarbeiter Grundkenntnisse in Englisch und den besonderen "Sprachschatz" des DV-Englisch in ihr eigenes. "Fortbildungsprogramm" aufnehmen müssen. Doch auch in der Manual-Muttersprache vermißt der Benutzer die "Mängelaufarbeitung" der letzten Jahre. Benutzerführung, Praxisbezogenheit, konsequente Manual-Update-Organisation sind nur einige Punkte, mit denen sich wohl die meisten Hersteller immer wieder schwertun. Im folgenden ein weiterer zu diesem Thema passender Aspekt:

Neue Hardware, neue Software, neue Betriebssystemversionen werden angekündigt sind orderbar, manchmal auch einsatzfähig. Installationsüberraschungen in diesem Bereich sind jedoch meist auch vorprogrammiert. Da gibt es Fehlermeldungen, die nirgendwo dokumentiert sind, da will man Produkt-Features einsetzen, für die es keine Beschreibung gibt und da kann es gar vorkommen, daß zwar das neue Produkt beim Anwender ist, von dem/den Manual(s) fehlt jedoch "jede Spur". Wenn es der Anwender dann noch mit Anfängern seitens des Herstellers im Installations- und Hard-/Software-Unterstützungsbereich zu tun hat, ist dies eine besondere Art des "Anwendungsstaus".

So wie "Kleider eventuell Leute machen", macht "gut Design noch lange kein gut Manual".