CW-Kolumne

Ein Gordischer Knoten

26.04.2012

Softwarelizenzen sind Ursache vielfältiger Auseinandersetzungen zwischen Anwendern und Softwareherstellern. Der Grund ist klar: Die meisten Firmen haben - oft unwissentlich - entweder zu viele oder zu wenige Nutzungsrechte für die eingesetzte Software erworben. Im ersten Fall entstehen unnötige Kosten, im zweiten Fall rechtliche Risiken. Bekanntlich scheuen sich die Softwarehäuser nicht, mittels lizenzvertraglich vereinbarter Audits routinemäßig oder im konkreten Verdachtsfall einzugreifen und sich ihre Rechte zu erstreiten.

Warum, so fragt man sich, sind die Lizenzverträge heute so kompliziert, dass Unternehmen ohne ein professionelles Lizenz-Management nicht mehr auskommen? "Die Märkte sind nun einmal unübersichtlicher geworden", verteidigen sich die Anbieter. Neben klassische Formate wie Named-User- oder Volumenlizenzen seien neue Spielarten getreten, die durch Trends wie Virtualisierung, Cloud Computing und Mobility entstanden seien.

Fragt sich nur, ob das die ganze Wahrheit ist. Mitunter erinnert die Softwareindustrie an die großen Mobilfunkkonzerne, die Heerscharen von Mitarbeitern damit beschäftigen, den nächsten schlauen Tarif auszutüfteln.

Problemlos konnten wir acht Seiten dieser Ausgabe mit hochverdichteten Informationen allein zu den Lizenzpraktiken der vier großen Anbieter SAP, Microsoft, Oracle und IBM füllen (ab Seite 16). Damit ist aber leider nur ein Bruchteil beschrieben. Für alle Details hätte die computerwoche wohl im Umfang eines Versandhauskatalogs erscheinen müssen.

Bestimmt hat der eine oder andere Leser noch den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof in Erinnerung. Er wollte 2005 antreten, um im Kabinett Merkel den Gordischen Knoten des deutschen Steuerrechts zu durchschlagen. Man mag den Bierdeckel-Visionen des Professors aus Heidelberg skeptisch gegenüber- stehen - die Softwareindustrie könnte mit ihren verworrenen und in keiner Weise harmonisierten Lizenzpraktiken durchaus ein paar radikale Veränderungen vertragen.