Deutsche Bundespost Telekom dementiert Vorwurf der Preisabsprache

EG leitet Untersuchung gegen PTTs wegen Tarifwuchers ein

01.06.1990

BRÜSSEL/BONN (pg) - Die Postverwaltungen der EG-Länder stehen immer mehr im Kreuzfeuer der Kritik. Sie werden beschuldigt, überzogene Gebühren für Ferngespräche zu kassieren und im Kartell Preisabsprachen zu treffen. Die EG-Kommission hat jetzt eine Untersuchung angekündigt.

Die "Financial Times" war es, die den Stein ins Rollen brachte. Das Blatt hatte kürzlich in einer Ausgabe allen PTTs weltweit vorgeworfen, Tarife für internationale Ferngespräche zu erheben, die weit über dem Betrag der Kostendeckung liegen.

lns Zwielicht geraten ist dabei vor allem das in Genf ansässige CCITT (Consultative Committee for International Telephony and Telegraphy) als Dachorgaisation der nationalen Telefongesellschaften. Dort, so die Anschuldigung, finden gezielt Preisabsprachen statt.

Sowohl die Arrangements der EG-PTTs als auch deren Gebühren für Ferngespräche sind der EG-Kommission schon länger ein Dorn im Auge. Nach Ansicht der Brüsseler Eurokraten entsprechen sie alter monopolistischer Praxis und stehen damit im Widerspruch zum freien Wettbewerb, der insbesondere im Hinblick auf den EG-Binnenmarkt angestrebt wird. Zusätzliche Nahrung hatte die Diskussion vor zwei Wochen erhalten, als der halbstaatlichen British Telekom eine unkorrekte Gebührenabrechnung zu Lasten gelegt wurde. Die Kommission will deshalb einen Untersuchungsausschuß ins Leben rufen, der die Praktiken bezüglich der Preispolitik aller zwölf PTTs der EG-Staaten näher unter die Lupe nimmt.

Sollte das Kontrollorgan der EG tatsächlich weit übertriebene Tarife in grenzüberschreitenden Telefonverkehr feststellen, will die Kommission gemäß der "Treaty of Rome" als Wettbewerbshüter von ihrem Recht Gebrauch machen, den PTTs eine Gebührensenkung vorzuschreiben. In einem Statement

aus Brüssel heißt es, man werde die Abmachungen bezüglich der internationalen Fernsprechmargen untersuchen und prüfen, ob sie im Einklang mit den Wettbewerbsverordnungen der EG stehen.

Die angekündigte Untersuchung rechtfertigte Leon Brittan, bei der Euro-Behörde für Wettbewerbspolitik zuständig: "Wir müssen einfach sicherstellen, daß der Kunde vor dem internationalen Tarifsystem für Telefongespräche profitiert und ein ernsthafter Wettbewerb zwischen allen Anbietern stattfindet. Dies ist für die europäische Wirtschaft ebenso wichtig wie für den einzelnen Kunden."

Skeptisch betrachtet man dagegen in Bonn bei der Deutschen Bundespost Telekom die Möglichkeit der EG-Politiker, den PTTs Preissenkungen aufzuzwingen. "In der Gebührengestaltung ist jedes Land autonom", erklärte ein Sprecher der Telekom und wies gleichzeitig Vorwürfe zurück, daß zwischen den EG-Ländern gezielt wettbewerbshemmende Preisabsprachen stattfänden.

Die Tarife werden, so der Telekom-Vertreter, im CCITT in Form sogenannter Sonderziehungsrechte pro Belegminute für jedes Land individuell ausgehandelt und sind daher nicht einheitlich.

Auch Theodor Irmer, Direktor des CCITT, stritt die Beschuldigung ab, seine Organisation würde als Kartell für die PTTs fungieren. Irmer: "Wir legen die Tarife für internationale Telefongespräche nicht fest. Diese Aufgabe liegt in den Händen der nationalen Behörden und Telefongesellschaften."

Den Beteuerungen der Telekom und des CCITT mag Wilhelm Hübner, Vorsitzender des Verbands der Postbenutzer, allerdings nicht so recht Glauben schenken. Hübner: "Es ist sehr gut vorstellbar, daß die PTTs zum Zwecke der Gewinnmaximierung Gebührenabsprachen treffen". Für ihn erscheint die Situation der Teilnehmer in der Bundesrepublik "tieftraurig". Hübner zu den Gebühren: "Man kann per saldo sagen, daß die Verbindungsgebühren für Ferngespräche erheblich überzogen sind."

Nach Ansicht des Experten muß man kein Hellseher sein, um heute schon zu wissen, zu welchem Ergebnis der Ausschuß kommt. Er wird feststellen, so der Vorsitzende, daß die Telefongebühren in sämtlichen EG-Ländern zu hoch sind, weil über den gewinnträchtigen Fernsprechbereich defezitäre Nebenschauplätze subventioniert werden. Hübner weiter: "Die Bundespost ist nicht das überdurchschnittliche Unternehmen, als das sie sich immer selbst hinstellt. In Wahrheit wirtschaftet sie außerordentlich schlecht und wäre konkursreif, würde ihr das Brief- und Telefonmonopol entzogen. Kaschiert wird dies nur, indem sie aus den Monopolbereichen total übertriebene Gebühren zieht."

Laut Hübner wäre es ein Segen für alle Postkunden, wenn die EG-Kommission eine Gebührensenkung für Ferngespräche durchsetzen könnte, weil die PTTs dann gezwungen wären, rationeller zu arbeiten. Nach Meinung des streitbaren Fürsprechers der Postkunden kann dies nur in allen Postbereichen Kostensenkung bedeuten.

Ob jedoch die PTTs der EG-Staaten als Mitglieder des CCITT eine Anweisung zum Preisnachlaß aus Brüssel befolgen würden, ist fraglich. Dazu der Sprecher der Telekom: "Das CCITT als internationale Organisation wird sich kaum von der EG-Kommission Vorschriften machen lassen." Der Erfolg der Untersuchung ist also ungewiß, zumal ein Vertreter der Euro-Behörde einräumte, daß der Tatbestand, Tarife, die über der Kostendeckung liegen, zu berechnen, allein noch kein Verstoß gegen das EG-Recht sei.