High-Level-Sprachen kein Ansatz für Alltagsprobleme der DV:

Effizienz macht vor operativen Systemen halt

01.06.1984

Die Softwareproduktion ist seit Jahren in Bedrängnis: Anwendungsstau heißt das Schlagwort. Abhilfe versprechen die Hersteller unter anderem durch den Einsatz von Sprachen der vierten Generation, den "Very High Level Languages" (VHLL). Dabei ist die Rede von eminenten Produktivitätssteigerungen bei der Erstellung von Applikationssoftware: eine DV-Qualifikation des Produzenten ist kaum mehr gefragt. Rosige Zeiten also für den Anwender aus der Fachabteilung, der die Lösung seiner Probleme nun in eigener Regie angehen kann. Fraglich bleibt, was an dieser Vorstellung realistisch ist, und wo die Zone der Werbeslogans beginnt. Klaus Eifler. Geschäftsführer des Ingenieur Büro Eifler, München. rückt die verkaufsfördernden Aussagen etwas zurecht.

Mit dem Begriff "Sprache der 4. Generation" ist klein einheitlicher Komplex definiert, sondern eine Mischung von unterschiedlichen Systemen. Neben Sprachen wie "Lisp" oder "Prolog" werden auch Produkte, die eine Weiterentwicklung von Tools darstellen, in dieser Kategorie geführt.

Im Unterschied zu den Programmiersprachen auf prozeduraler Ebene wie "Fortran", "Cobol" oder "PL/ 1" bieten die VHLL neue, mächtigere Datenstrukturen an. Rekursive Bearbeitung von Baumstrukturen oder in Prädikatenlogik definierte Regeln ermöglichen die Lösung entsprechender Probleme in sehr kompakter Schreibweise.

Dies ist jedoch für die Alltagsprobleme der kommerziellen Datenverarbeitung wahrscheinlich kein Ansatz, um die erhofften Produktivitätssteigerungen zu erreichen. Die Anforderungen an die Qualifikation des Programmierers sind sicher nicht geringer als bei den prozeduralen Sprachtypen. Eine Domäne haben die VHLL zur Zeit eher auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz.

Ein anderer Aspekt ergibt sich bei der Betrachtung der interpretativen Systeme. Hier wird dem Anwender eine interaktive Kommunikationsschnittstelle zur Verfügung gestellt. Über eine Definitionssprache, in der man Vokabeln der Umgangssprache wiedererkennen kann, wird der Zugriff auf eine integrierte Datenbank ermöglicht.

Mit ebenfalls integrierten Standardprozeduren zur grafischen Aufbereitung von Informationen, oder deren Weiterverarbeitung mit Tabellenmanipulationsfunktionen, ergeben sich für den Anwender Möglichkeiten der direkten Lösung seiner fachlichen Probleme. Belange der Performance treten hier in den Hintergrund, da solche Auswertungen meist Ad-hoc-Anfragen sind. Außerdem werden die Leistungssteigerungen der Hardware auf diese Weise besser nutzbar.

Zusätzlich entfällt durch diese "direkte Programmierung" der zeitaufwendige und fehleranfällige Weg über die. .starre Programmierung" herkömmlichen Stils. Die obengenannten Produktivitätssteigerungen können in diesem Bereich wohl am ehesten realisiert werden.

Leider ist diese Art der Datenverarbeitung nur ein Teilbereich aus dem Spektrum der Anforderungen. Operative Systeme wie Auftragsabwicklung, Lagerverwaltung oder Produktionssteuerung erfordern eine Konsistenz der Datenhaltung und ein Antwortzeitverhalten, das über die Belange der Ad-hoc-Programmierung hinausgeht.

In diesem Bereich bleiben die fast schon klassischen Probleme der Softwareentwicklung bestehen, wie die Komplexität der Anforderung und deren inhaltlich richtige Realisierung im Laufe eines Projekts, die physikalische und logische Konsistenz der Datenhaltung sowie die rückwirkungsfreie Evolution der Verfahren im Zuge der Weiterentwicklung des Unternehmens.

Das Hauptmoment für die Steigerung der Produktivität in diesem Sektor dürfte in der sorgfältigen Konstruktion der Anwendungen liegen, wobei die Belange der Performance und der Wartbarkeit wichtige Qualitätsmerkmale darstellen. Nach wie vor spielen bewährte Tools in diesem Bereich eine wichtige Rolle.

Eine Prognose für die Entwicklung in der Zukunft erscheint zum jetzigen Zeitpunkt recht schwierig. Mehrere Entwicklungslinien stehen n Konkurrenz zueinander. So könnte die Entwicklung preisgünstiger Assoziativspeicher den Trend zum interpretativen System unterstützen. Zum anderen kommen vom PC-Markt verstärkte Impulse für dezentrale Lösungen mit Standardpaketen. Daneben geht die Entwicklung von DB/DC-Systemsoftware hin zu verteilten, auch heterogenen Netzen weiter, in denen die Vorteile aller Entwicklungslinien nutzbar gemacht werden können.