EDV-Spezialisten interessiert bei einer Computer-Grafik auch, wie sie produziert wurde. Die CW-Redaktion veröffentlicht deshalb diese "Gebrauchsanweisung" zu unserer Weihnachtsgabe "Lissajoussche Schwingaugen". Probieren Sie das doch mal! Jules Antoine

15.04.1977

EDV-Spezialisten interessiert bei einer Computer-Grafik auch, wie sie produziert wurde. Die CW-Redaktion veröffentlicht deshalb diese "Gebrauchsanweisung" zu unserer Weihnachtsgabe "Lissajoussche Schwingaugen". Probieren Sie das doch mal!

Jules Antoine Lissajous (1822 - 1880) war ein französischer Physiker, der durch seine Arbeiten über die Zusammensetzung harmonischer Schwingungen bekannt wurde. Die nach ihm benannten Lissajousschen Figuren (L. F.) entstehen, wenn jeweils eine horizontale und eine vertikale Schwingung aufeinandertreffen. So ergeben sich L. F. beispielsweise, wenn ein sandstreuender Trichter an einem Pendel hängt, das in zwei Richtungen schwingt. Die Figuren entstehen auch bei der Frequenzmessung mit einem Oszillographen auf dessen Bildschirm, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Für solche Messungen wird die Spannung eines geeichten Vergleichsgenerators auf den X-Eingang gegeben, deren Frequenz (Anzahl der Schwingungen pro Sekunde) und Amplitude (Maximaler Ausschlag der Schwingung) bekannt sind. Die Charakteristika der unbekannten zweiten Spannung, die am Y-Eingang des Oszillographen anliegt, können aus den Erscheinungen auf dem Bildschirm abgeleitet werden. Feststehende Figuren ergeben sich nur, wenn die beiden verglichenen Frequenzen in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen, d. h, etwa 1:2 oder etwa 4:2.

Sind beispielsweise die generierte Meßspannung und die unbekannte Vergleichsspannung sinusförmig, von gleicher Amplitude und "in Phase" (Gleiche Frequenz und Nulldurchgang an derselben Stelle und in derselben Richtung), so entsteht auf dem Bildschirm eine um 45° geneigte Gerade.

Bei zunehmender Phasenverschiebung geht die Gerade in eine Ellipse über (bei 30°) und dann in einen Kreis (bei 90°). Ist die Frequenz der einen Schwingung ein ganzzahliges Vielfaches der anderen, so ergeben sich weitere Lissajoussche Figuren wie etwa die" Liegende Acht".

Die CW-Computergraphik enthält 90 solcher Lissajou-Figuren, deren zwei Eingangsgrößen nach folgenden Schwingungsgleichungen berechnet werden:

l. y(t) = y(0) * sin w(y) * t

2. x(t) = x(0) *cos w(x) * t

Dabei bedeuten:

y, x = Elongationen (Schwingungsweite)

y(0), x(0) = Amplituden (Größte Entfernung aus der Ruhelage)

t = Zeit; wy, wx = Winkelgeschwindigkeiten. Die Winkelgeschwindigkeit, die wiederum von der Frequenz (f) abhängig ist (w=2pif), ist die für die Form der Lissajousschen Figuren entscheidende Variable, denn sie bestimmt, ob ein Pendel in einer Zeiteinheit große oder kleine Strecken zurücklegt. Für die CW-Computergraphik wurde im Programm ein Phasenverschiebungswinkel von 90° und Amplituden von 2,5 festgelegt, d. h., die Form der Figuren ist nur noch vom Verhältnis der Winkelgeschwindigkeiten bzw. den Frequenzen abhängig.

Das Winkelargument (w(y) *tbzw* w(x)*t) und im Programm nicht in Grad-Maß, sondern als Radiant-Wert (Bogenmaß) berechnet.

Die CW-Computergraphik heißt Lissajoussche Schwingungen statt Lissajoussche Figuren, weil die Darstellungen keine reinen Lissajousschen Figuren abbilden. Letztere entstehen, wenn die nach den Formeln

x = cos (1 * R) * 2,5 entspricht x(t) = x(0) sin w(y)*t

y = sin (J *R) *2,5 entspricht y(t) = y(0) cos w(x)*t

errechneten nebeneinanderliegenden Punkte direkt miteinander verbunden werden (siehe 5. Abbildung). In der Graphik wurden vielmehr weit voneinander entfernte Punkte - die allerdings alle auf der gleichen Lissajous-Figur liegen - direkt durch Gerade miteinander verbunden (Statement 35).

Für jede Figur gibt es 252 Punkte, die durch 252 Geraden miteinander verbunden sind. Die letzte Gerade endet im Anfangspunkt. Diese Zahl wurde willkürlich - durch Experimentieren - gewählt. Die Entsprechung im Programm ist Statement 31.

Die Schrittweite von Punkt zu Punkt ist variabel, abhängig von den Werten für I und J.

R durchläuft die Werte von 0 bis 352,3, wobei als Zeitpunkt für die Berechnung des nächsten Punktes auf der Lissajous-Figur die Konstante 1,4 frei gewählt wurde, so daß in jeder Zeichnung 252 Schritte vorkommen (252*1,4 = 352,8). I läuft von 1 bis 9 in der Schrittweite 1, und J läuft von 1 bis 10 in der Schrittweite 1.

Jede Darstellung hat also 252 Geraden, insgesamt gibt es 90 Darstellungen.

Diagonale A = Verhältniszahl 1 = Kreise; Horizontale B = Verhältniszahlen 1 bis 9 = "Liegende Achten"; Vertikale C = Verhältniszahl 1 bis 1/10 = "Stehende Achten".

Das Programm besteht im wesentlichen aus drei verschachtelten DO-Schleifen (beginnend bei den Statements 27, 28, 31), bei denen

w(x) =I, w(y) = J, t = R entsprechen und die Amplituden x(0) und y(0) auf die Konstante 2,5 festgelegt wurden. (Eine Veränderung der Amplituden hätte eine Vergrößerung bzw. Verkleinerung der Figuren zur Folge.) In Statement 26 wird der Nullpunkt für die erste zu zeichnende Figur festgelegt ( - 3 heißt: Neuer Nullpunkt merken). Durch die DO-Schleife der Statements 31 - 36 wird jeweils eine Figur berechnet und gezeichnet (In Statement 35 steht die 2 für "Abgesenkter Zeichenstift"). Anschließend erfolgt die Steuerung des Plotters für das Zeichnen der nächsten Figur (Statement 30).

Von der Entstehung her ist die CW-Graphik ein vertikal zu hängendes Blatt (keineswegs eine zwingende Vorschrift), denn der Plotter zeichnete zunächst den. Kreis links oben (I = 1, J =1, R = 1,4). Dann wurde die erste Schleife abgearbeitet (In obiger Matrix die Vertikale C), so daß rechts daneben die "Acht" (I = 1, J = 2) gezeichnet wurde, daneben dann die "Drei-Kreis-Figur" etc.

Oftmals erhebt sich bei den einzelnen Computergraphiken die Frage, ob für die Einmalleistung der Computer als Instrument wirklich erforderlich war. Im Gegensatz zu solch statischer Computergraphik zeigt die CW-Graphik einen dynamischen Aspekt, für den hohe Rechnerleistung und Präzision mechanischer Zeichengeräte Voraussetzung sind.

CW-Graphik: Autoren Georg Ahlborn und Heinz Pfennigs. Rechenzentrum: Universität Dortmund, Zentrales System: IBM 370/158 Graphik-Ausgabe: Calcomp-Plotter Typ 1038 Programmiersprache: Simula.