EDV-Schulung der DDR im internationalen Vergleich: Den Anwendern auf die Sprünge helfen

20.08.1982

Der chronische Mangel an Computern hat in der DDR offensichtlich eine unkritische Verbrauchermentalität entstehen lassen: Zuerst ist der potentielle Benutzer interessiert, überhaupt irgendeinen Computer zu erhalten, dann erst überlegt er, wie er diesen effektiv einsetzen kann. Schulungen sollen hier Abhilfe schaffen.

Da der Benutzer oft nicht in der Lage ist, den Computer richtig einzusetzen, entsteht eine unzureichende Ausnutzung der Rechnerkapazitäten. Diese Diskrepanz von produktmäßig vorhandenem Know-how und der vollen Realisierung dieser technischen Möglichkeiten versucht man beim Kunden abzubauen, indem das Leistungsangebot von Robotron - dem DDR-Hersteller mit dem Monopol zur Produktion elektronischer Rechner - erweitert und differenziert wird.

Die Vereinheitlichung des Schulungssystems für Nutzung und Wartung begann 1979. Die Kurse werden hauptsächlich von Schulungszentren des Kombinats Robotron angeboten.

Aus dem neuen Unterrichtsprogramm von Robotron ergibt sich eine klar getrennte Aufgabenteilung der verschiedenen Ausbildungsorte nach Produkten. Um so bemerkenswerter ist es daher, daß in drei Zentren Schulungen zum neuesten Robotronprodukt, dem Mikrorechnersystem K 1600, und zu den Basisrechnersystemen robotron A 6401/6402 durchgeführt werden.

Die Angebote des Zentrums in Leipzig sind in Kurse gegliedert, die zum einen Kenntnisse über Hard- und Software vermitteln und zum anderen Managern einen Gesamtüberblick bieten. Für die Groß- und Mikrorechner gibt es beispielsweise jeweils Ausbildungsprofile in der Software für Systemanalytiker, Systemprogrammierer und Anwendungsprogrammierer mit Spezialisierungen für Teilnehmersysteme, Datenfernverarbeitung und Datenbanken/Datenbankbetriebssysteme .

An der Hardwareschulung wird deutlich, wie unter Ausnutzung des modularen Schulungssystems zwei unterschiedliche Qualifikationsrichtungen von EDV-Technikern realisiert werden. Der Anlagentechniker soll durch vorbeugende Wartung eine kontinuierliche Verfügbarkeit des Computers gewährleisten. Er soll mit Hilfe entsprechender Test- und Diagnoseprogramme den Fehler eines Gerätes erkennen und leichte Mängel beheben können.

Kann der Anlagentechniker komplizierte Fehler nicht beheben, muß er einen entsprechenden Spezialisten, den Reparaturtechniker, zu Hilfe rufen. Ihm werden zusätzlich Spezialkenntnisse über die Zentraleinheit und/oder die eingesetzten peripheren Geräte beziehungsweise Gerätegruppen in der Schulung vermittelt.

Manager-Kurse

Für Manager, Führungs- und besonders ausgewählte Fachkräfte der verschiedenen Wirtschaftszweige bietet Robotron spezielle Schulungen auf der Grundlage festgelegter Lehrgangsprogramme an. Die Kurse reichen von einwöchigen Übersichtslehrgängen zu Großrechnern und Mikroelektronik bis zu speziellen Lehrgängen, die Robotron für das ESER anbietet (Automatisiertes Reservierungssystem ARS/E, Rechnereinsatz in der Geldwirtschaft REG und Leitungsinformationssystem LIS), und zu Anwendungslösungen für ausgewählte Wirtschaftszweige sowie für kommerzielle Basisrechner und Bürocomputer.

Die vergleichsweise geringe Ausbildungskapazität für Software entspricht nicht dem internationalen Trend. Das ist vor allem deswegen unverständlich, weil in der DDR schon früh und häufig kritisiert wurde, daß die Systemunterlagen unzureichend seien. Zwar hat sich das Softwareangebot von Robotron in letzter Zeit wesentlich verbessert, aber statt das Problem langfristig anzugehen, operiert man nur an Symptomen.

In Leipzig steht für die Ausbildung eine Gerätetechnik mit einem Wert von etwa 50 Millionen Mark zur Verfügung: vier komplette Rechenzentren und 20 Räume für die Ausbildung an Zentraleinheiten und Peripherie.

Jährlich finden hier etwa 1000 Lehrgänge in 130 Lehrgangsarten statt. Das Modularsystem wird seit fünf Jahren angewendet. Die internationale Verpflichtung von Robotron wird dadurch dokumentiert, daß neben 1400 EDV-Spezialisten aus der DDR rund 1800 aus 20 anderen Ländern ausgebildet wurden.

Die Integration der Computerproduktion im Comecon, die 1972 mit dem Bau des ESER begann, wurde erst fünf Jahre später auch auf dem Bereich der Schulung durch Bildung einer entsprechenden Sektion im "Rat für komplexen Kundendienst" begonnen. Durch halbjährliche Beratungen soll eine weitgehend einheitliche Gestaltung der Schulungssysteme, eine gegenseitige Unterstützung in der Schulungsvorbereitung und -durchführung sowie eine breite fachliche Weiterbildung der Lehrkräfte erreicht werden. Dabei auftretende Probleme, wie unterschiedliche organisatorische Zuordnungen, Aufgabenstellungen und Strukturen der Schulungseinrichtungen, werden nicht verschwiegen.

*Bardo Diehl ist Mitarbeiter am Institut für Gesellschaft und Wissenschaft an der Universität .