EDV in Italien: Wenig finanzielle Unterstützung, aber großer NachholbedarfComputerisierung erfolgt mit Spätzündung

21.05.1982

MÜNCHEN (CW) - Lange Jahre stand Italien bei seiner Computerisierung fast ausschließlich unter dem Angebotsdruck ausländischer Hersteller. Die klassischen Mainframer, allen voran IBM, beherrschten das Terrain. Diese Situation hat sich mit dem Aufkommen der dezentralisierten Datenverarbeitung sowie neuer Mikroprozessoren entscheidend verändert. Seitdem an dezentralen Betriebspunkten mehr und mehr Terminals gewünscht. kleine Knoten- und Vermittlungsrechner, Erfassungssysteme und aufgebohrte intelligente Speicherschreibmaschinen ihre Käufer finden, beginnt sich eine italienische EDV-Industrie zu etablieren.

Diese Spätzündung hat noch andere Gründe. Der Staat und die Industrie haben gegenüber anderen europäischen Ländern sehr spät damit begonnen, unterstützende und flankierende Gesetze beziehungsweise Programme zu verabschieden. Es gibt weder ein nach deutschem Vorbild praktiziertes DV-Förderungsprogramm, noch wird die Industrie für bestimmte technische Neuentwicklungen gefördert. Die Schulung und Weiterbildung ist äußerst mangelhaft, und der private Bedarf wird nicht stimuliert. Fast selbstverständlich bleibt deshalb das Fehlen jedweden Gesetzes über den Datenschutz. Schon jetzt bestehen Probleme beim länderübergreifenden Austausch von Informationen. "Assinform", der Verband italienischer EDV-Hersteller, weist ständig darauf hin, wie stark die anstehende Computerisierung des Landes durch die mangelhafte Infrastruktur verzögert, der internationale Wettbewerb eingeschränkt werden.

Obwohl an manchen Hochschulen Informatikausbildung sowie mehrere zweijährige Praxiskurse angeboten werden, fehlen den Studenten ausreichende Übungs-Rechenzentren. Die Probleme werden in den kommenden Jahren noch dringlicher, da das Land sich nicht von der wichtigen Entwicklung der Telekommunikation abkoppeln lassen will.

Erste Pläne und Vorschläge

Erst 1976 hörte man durch ein Weißbuch der FAST (Federation of Scientific and Technical Associations), wie stark Italien gegenüber anderen Ländern auf dem Computersektor rückständig sei. Zitat aus dem FAST-Papier: "Italien ist das einzige industrialisierte Land, dessen DV-Industrie und -Entwicklung keine Förderungspolitik genießt."

1978 detaillierte eine Studie "Programma Finalizatto dell Elettronica" die landesbezogenen DV-Lücken und stellte unter anderem die Forderung auf, Hard- und Softwareentwicklungen finanziell zu fördern. Darüber hinaus wurden zwei Interessen- und Fördergemeinschaft vorgeschlagen die Datenverarbeitung im institutionellen und öffentlichen Bereich vorantreiben sollen.

DV in Italien leidet an Geldmangel

Diese Vorstöße blieben jedoch Strohfeuer. Die meisten Forderungen sind bisher nicht erfüllt worden, und die bewilligten Geldmittel lagen erheblich unter dem angesetzten Minimum. Erst im vergangenen Jahr sind kleine Fortschritte für die Computerisierung der öffentlichen Verwaltung unternommen worden. Allgemein sind DV-Gesetze in Italien nur sehr mühsam und über ein längeren Zeitraum hinweg realisierbar. Erfreulicher ist ein Kooperationsprogramm der "Consiglio Nazionale dello Ricerche". Trotz geringen Budgets hat diese staatliche Institution einige Industriefirmen und Universitäten zusammengebracht, die gemeinsame DV-Projekte entwickeln. Trotzdem fehlt es immer an Geld und der staatlichen Unterstützung. Am treffendsten charakterisiert eine Studie der OECD die Situation. In Italien hat man bisher nicht verstanden, daß die Informationsverarbeitung ein wichtiger Industriesektor und ein Produktionsfaktor ist, der mit der Energiewirtschaft vergleichbar ist.

Das DV-Marktvolumen

Nach einer Erhebung der Assinform bestand das Marktpotential für Datenverarbeitung in Italien 1981 insgesamt aus 3140 Milliarden Lire (2500 Milliarden für Hardware, 640 Milliarden für Software) bei einem Zuwachs von jährlich 25 Prozent.

Besonders stark wächst der Absatz von kleinen DV-Systemen für rnittelständische Betriebe. Ebenfalls expansiv ist der Terminal-Markt, speziell für Branchenanwendungen. Er wächst zwischen 30 und 100 Prozent in den kommenden Jahren. Hier zeigt sich besonders deutlich der große Nachholbedarf Italiens. Zwischen 25 und 30 Prozent schätzt die Studie den jährlichen Zuwachs im Segment der Textverarbeitung. Noch höher soll die Zunahme bei den elektronischen Schreibmaschinen ausfallen - erklärbar durch die auf diesem Gebiet führende Rolle Olivettis.

Eine besondere Bedeutung kommt in Italien dem Kreditgewerbe, insbesondere den Banken, zu. 37 Prozent der installierten DV-Anlagen sind in diesem Bereich zu finden. Die Industrie befindet sich mit 36 Prozent auf Platz zwei, während alle anderen Branchen mit großem Abstand folgen. Wegen der sinkenden Hardwarekosten und der gleichzeitig größer werdenden Akzeptanz haben rund 15 000 Unternehmen im Laufe des letzten Halbjahres ihren ersten Computer installiert. Auch der Großhandel erkennt zunehmend die Vorzüge der Datenverarbeitung. Im ganzen gesehen wird der italienische EDV-Markt, wie dies bei noch nicht ausgereiften Märkten oft der Fall ist, mehr vom Angebot als von der Nachfrage bestimmt.

Die Anbieter und Hersteller

Die größten Firmen auf dem italienischen Markt sind: Olivetti, IBM und Honeywell. Daneben gibt es noch etwa 20 kleinere und mitteIgroße Hersteller. Die Gesamtzahl der Beschäftigten liegt bei 38 000, davon arbeitet rund ein Drittel in der Produktion. Die Zahl der Beratungs- und Service-Unternehmen sowie Softwarehäuser ist in den letzten Jahren stark gestiegen und liegt derzeit bei etwa 1150 Firmen mit rund 27 000 Mitarbeitern. Rund 100 000 Menschen sind heute in Italien direkt mit Aufgaben der EDV beschäftigt. Diese Steigerung ist verständlich, blickt man auf die Anzahl der EDV-Produkte: Gegenüber 1973 hat sich deren Anzahl verfünffacht, ebenfalls ein Ergebnis der DDP- und Mikroprozessor-Trends. Rechnet man noch die Mitarbeiter hinzu, die direkt bei den Herstellern und Anbietern tätig sind, so ergibt sich eine gesamte Beschäftigungsanzahl von rund 200 000. Nimmt man noch die Teilzeit-Beschäftigten hinzu, so kann man sagen, daß etwa ein Prozent aller italienischer Arbeitnehmer von der EDV leben. 1980 hatte Italien bei EDV-Produkten noch ein Export-Defizit von 396 Milliarden Lire. Typischerweise galt das nur für den Computersektor, dagegen sind elektronische Schreibmaschinen sehr erfolgreich.

Neben den "Großen" IBM, Olivetti und Honeywell sind in Italien folgende Firmen vertreten:

Antares, Mailand

Das Unternehmen beschäftigt 337 Mitarbeiter und stellt vor allem Schreibmaschinen sowie kleine Tischrechner her. Auch Normalpapierkopierer wurden vor einiger Zeit ins Programm genommen. Der Vertrieb erfolgt über Händler und Distributoren. 1980 betrug der Umsatz 21 Milliarden Lire, wovon 45 Prozent aus Exporterlösen kam.

Data Management, Malland

Dieses Service-Rechenzentrum ist ein Gemeinschaftsunternhemen, gegründet von Honeywell, einer italienischen Bank und Olivetti. Beschäftigt werden knapp 600 Mitarbeiter. Data Management unterhält mehrere regionale Rechenzentren und hat komplexe Programmpakete für Kreditinstitute, Kommunalbehörden und Personalinformationsdienste. Der Umsatz lag 1980 bei 19,6 Milliarden Lire.

Fima, Mailand

Mit 400 Beschäftigten hat sich dieses Unternehmen auf Zeit- und Personaldatenerfassungsgeräte spezialisiert. Die Dateneingaben erfolgen über codierte Plastikkarten. Darüber hinaus besteht eine Produktlinie für die Postbearbeitung, einschließlich Maschinen für Zusammentragung von Einzelblättern und Adressierung. (Bei uns sind die Fima-Produkte unter anderem durch die Importeure Pitney Bowes, Guhl & Scheibler (Schweiz), sowie Kleindienst bekannt). 1980 wurden 5,6 Milliarden Lire umgesetzt.

Fuigi Italiana, Mailand

Diese Firma konzentriert sich mit 50 Beschäftigten auf die Entwicklung von Anwendungs- und Betriebssoftware. Der Umsatz lag 1980 bei zwei Milliarden Lire.

Mael Computer, Carsoli

Die Firma gehört zum Olivetti-Konzern und beschäftigt rund 200 Mitarbeiter. Schon vorzeitig errichtete das Unternehmen in mehreren Ländern seine Tochtergesellschaften. Hauptprodukte waren und sind noch heute kleine Mini- und Mikrocomputer, für die Mael auch Anwendungssoftware herstellte. Besonders stark war Maels Position auf dem Bau- und Architektur-Sektor. Der Umsatz betrug 1980 rund 30 Milliarden Lire.

Remdex, Mailand

Die Gründung der italienischen Sperry-Gesellschaft ist auf den Gebieten der Büroautomation tätig. Für Kommunikationsnetze wurde der "Polyprozessor R80/60 entwickelt ein typisches DDP-Produkt für Multiterminal-Betrieb. Weitere Spezialitäten sind: Sicherheitssysteme sowie Anlagen für die Zugangskontrolle. 1980 wurde mit 144 Mitarbeitern ein Umsatz von 11 Milliarden Lire erwirtschaftet.

Satco, Neapel

Das 1977 gegründete Unternehmen hat vor allem durch Erwerb von Lizenzen sich ein Know-how über

Minicomputer und Systemkonfiguration erworben. Heute werden - vorwiegend für kommerzielle Anwendungen - Mikro- und Minicomputer über OEMs und Händler vertrieben. Der Umsatz betrug 1980 etwas über 6 Milliarden Lire.

Selenia, Neapel

Außer Militäraufträgen befaßt sich die Firma mit Soft- und Hardware für das Fertigungsmanagement sowie den gesamten Bereich der Telekommunikation. Besonders engagiert ist das Unternehmen auf dem Gebiet der computergesteuerten Telefonvermittlung. Der Umsatz 1980 betrug 167 Milliarden Lire.

Seli, Malland

Die 115 Beschäftigten sind SpeziaIisten für Entwicklungs-Aufträge aus der DV-Industrie, speziell auf dem Gebiet von Bildschirmterminals. Unter anderem finden sich unter den Kunden bekannte Namen, wie die ENEL, Olivetti und AEG-Telefunken. Seli entwickelt Geräte in 9-, 12- und 15-Zoll-Technik. Umsatz 1980: 1,4 Milliarden Lire.

Syntax, Ivrea

Ein Bereich befaßt sich mit der Fertigungssteuerung, einschließlich Robotereinsatz. Eine andere Gruppe ist auf den Gebieten der DV-Beratung und -Schulung tätig. Syntax entwickelt darüber hinaus Basis- und Anwendungs-Software, die von Spezialisten installiert und gewartet wird. Mit 350 Beschäftigten wurde 1980 ein Umsatz von 11,7 Milliarden Lire erzielt.