EDV in Caritaskrankenhaus Bad Mergentheim:"Freimachen vom Kompetenzen- und Ressort-Denken"

29.07.1977

BAD MERGENTHEIM (hö) - In der Krankenhaus-Verwaltung zählt Rechnerhilfe heute schon fast zum guten Ton. Aber auch für die damit verbundenen Leistungsabrechnungen ist der Computer dringend nötig. Jedoch: Wie in anderen Bereichen der Datenverarbeitung sehen Anwender oft ausschließlich ihre Abteilung mit deren Problemen, so daß es zu keiner umfassenden Lösung kommen kann. Denn welche Aufgaben heute mit Rechnerhilfe besser, schneller und damit auch wirtschaftlicher gelöst werden können, ist hinreichend bekannt. Dennoch scheiden sich die Geister bereits an der Frage, unter wessen Oberaufsicht der Rechner stehen soll, wer dafür verantwortlich ist und so auch die Kosten zu übernehmen hat. Aber es gibt auch Ausnahmen, die sich dadurch auszeichnen, daß hier der Gedanke des EDV-Konzeptes mit aller Konsequenz zu Ende gedacht wurde: Ein Beispiel dafür bietet der allumfassende Rechnereinsatz im Caritaskrankenhaus Bad Mergentheim, wo man sich über die Schranken von Disziplinen und Kompetenzen hinweggesetzt hat.

Das Caritaskrankenhaus Bad Mergentheim führt seit Jahren das Personalwesen, die Leistungsabrechnung und die Finanzbuchhaltung EDV-gestützt nach den Programmen der Kirchlichen Gemeinschaftsstelle für elektronische Datenverarbeitung (KIGST) durch. Die bis vor kurzem manuell auf OCRA-Belegen erfaßten Daten wurden zur Verarbeitung an eines der elf kirchlichen Rechenzentren weitergegeben.

EDV ohne EDV-Spezialisten

Die manuelle Verarbeitung der Daten im Laborbereich zeigte zudem, daß nur eine rechnergestützte Lösung hier Verbesserungen bringen kann. Ein solcher Rechner sollte auch in der Lage sein, neben der Steuerung des Betriebsablaufes und der Verarbeitung der Labordaten auch die bisher manuell erarbeiteten Informationen bereitzustellen. Die Vorstellungen von Vorwaltungsdirektor Hans Tony sahen ein Konzept vor, das möglichst einfach zu realisieren ist, keine zusätzlichen Aufwendungen im Hinblick auf Spezialpersonal erfordert, das von allen Bereichen des Hauses genutzt werden kann, das ausbaufähig und auch zukunftssicher ist. In der KIGST fand Tony einen Partner, der bereit war, eine entsprechende Software zu entwickeln: KIGST-SYS wurde so konzipiert, daß sie den Bedürfnissen der verschiedenen Benutzer flexibel und problemlos angepaßt werden kann (siehe Kasten).

Im Caritaskrankenhaus Bad Mergentheim ist heute installiert:

DEC PDP-11/34 mit 48 KWorte, 2 Plattenlaufwerken, 1 Bandlaufwerk, 4 Bildschirmgeräte, 5 Fernschreiber, 2 Drucker sowie den entsprechenden Interfaces. Die Gesamtkosten von

200 000 Mark können - so Dr. Hermann Haase vom KIGST stufenweise je nach Bedarf des Hauses - investiert werden.

Die in der standardisierten Programmsprache MUMPS geschriebenen Software-Pakete laufen auf kleinen und großen Konfigurationen. Sind besondere Statistiken erforderlich, so kann der Anwender selbst mit Hilfe eines Programmgenerators per Dialog entsprechende Programme generieren und einsetzen. Erforderliche Änderungen werden ebenfalls vom Anwender über Parameter vorgenommen, so daß für die Bedienung des Rechnersystems kein spezielles EDV-Personal erforderlich ist.

Der Rechner des Caritaskrankenhauses steht heute im Laborbereich. Über Fernschreiberleitungen sind in den verschiedensten Bereichen (Labor, Verwaltung, Aufnahme etc.) Terminals angeschlossen, die so mobil sind, daß sie - je nach Bedarf - mit verschiedenen Anschlußmöglichkeiten genutzt werden können. Das Rechnersystem übernimmt hierbei automatisch die entsprechende Zuordnung.

EDV zwingt zur Kommunikation

Voraussetzung für das Gelingen dieser komplexen Lösung ist - so Verwaltungsdirektor Tony - eine enge Zusammenarbeit und ein gutes Zusammenspiel: "Die Verwaltung hat neben ihrer allgemeinen Aufgabe den übrigen Bereichen Hilfestellung zu geben, denn nur bei gegenseitiger Abstimmung im gesamten Krankenhaus-Bereich kann wirtschaftlich gearbeitet werden. Die gemeinsame Nutzung dieses EDV-Systems durch verschiedene Bereiche zwingt zu einer Kommunikation - ein Ressort-Denken ist nicht mehr möglich."

In Bad Mergentheim sind diese Voraussetzungen erfüllt worden: Der Einsatz von medizinisch-technischem Fachpersonal zu Schreibarbeiten fällt weg, man spricht von echtem Rationalisierungseffekt.