Pharma-Betrieb Mucos GmbH: Erfahrungen eines Erstanwenders

EDV-Einstieg kann zum Gang nach Canossa werden

12.08.1977

GRÜNWALD bei MÜNCHEN -"Noch bevor der erste EDV-Verkäufer ins Haus kommt, sollte unbedingt eine Bedarfsanalyse durchgeführt werden", warnt Ernst Lichtenthäler, EDV-Leiter bei der Mucos GmbH, Grünwald bei München. Ebenfalls unerläßlich vor Umstellung eines Betriebes auf DV ist nach Lichtenthälers Meinung eine gründliche Einarbeitung in die Datenverarbeitung. Newcomern empfiehlt er, "am besten einen Operator-Kurs mitzumachen". Nur bei Einhaltung dieser "eisernen Regeln" besteht die Aussicht, "daß der lange Marsch in die Datenverarbeitung nicht zu einem Gang nach Canossa wird".

Die in den 50er Jahren als pharmazeutischer Familienbetrieb gegründete Mucos GmbH hat - wie nahezu die gesamte Pharmabranche - eine rasante Entwicklung hinter sich. Lag der Mucos-Umsatz 1970 noch bei einer Million Mark, so schätzt man ihn in diesem Jahr bereits auf 16 Millionen. Entsprechend wuchs der Verwaltungsaufwand: Von den heute 80 Beschäftigten sind allein 55 in der Verwaltung tätig.

"Vor einem Jahr waren wir nahe dran, den Überblick zu verlieren", erinnert sich Lichtenthäler: "Eine Überprüfung der Außenstände ergab beispielsweise, daß wir noch eine sechsstellige Summe von unseren Kunden zu bekommen hatten."

Die Mucos-Oberen entschieden sich, daraufhin für die Einführung der Datenverarbeitung: "Der Computer sollte wieder Ordnung im Haus schaffen."

Auf Bedarfsanalyse verzichtet

Da die Zeit drängte, verzichtete man auf eine eingehende Bedarfsanalyse. Statt dessen verließen sich die Mucos-Mannen auf die Empfehlung ihres Steuerberaters, der, wie Lichtenthäler berichtet, zum Kauf eines Olivetti Rechners Modell Audit 6 riet. Da Lichtenthäler keine Alternative parat hatte, fiel die Entscheidung schließlich zugunsten des Olivetti-Systems.

Mit dieser Anlage sollten bei Mucos Finanzbuchhaltung, Fakturierung sowie Lohn- und Gehaltsabrechnung abgewickelt werden. Die entsprechende Software lieferte Olivetti in Form von Standard-Paketen. Bereits in der Testphase stellte Lichtenthäler fest, "daß die Möglichkeiten der Programme hinter den Erwartungen blieben", woran er freilich - wie er zugibt - selbst nicht ganz schuldlos war. Denn die Software war für maximal 1900 Mucos-Kunden ausgelegt (400 mehr als Ernst Lichtenthäler ursprünglich angab); tatsächlich waren es aber dann fast 5000 Kunden. Zu spät stellte der DV-Leiter fest, daß die Programme weder statistische Auswertungen noch Mahnungsschreibungen zuließen - für Mucos aber sei beides unbedingt erforderlich.

"Olivetti versuchte daraufhin, das Standard-Programm den Mucos-Bedürfnissen anzupassen - was aber nicht gelang", berichtet Lichtenthäler. Das Angebot, ein völlig neues Programm zu schreiben, lehnte der DV-Chef ab: "Das wäre viel zu teuer gekommen."

"Die Nase voll"

Angesichts solcher Schwierigkeiten bemühte sich Lichtenthäler um Alternativen. Er nahm Kontakt mit einer Münchener Pharma-Firma auf, die über eine IBM 370/125 verfügt, und unterbreitete Olivetti -nach erfolgreicher Verhandlung mit den Münchner Kollegen - den Vorschlag, das Audit 6-System gegen ein intelligentes Olivetti-Terminal DE 523 umzutauschen. Sein Plan: Fakturierung mit dem Terminal im eigenen Haus, statistische Auswertung der fakturierten, auf Diskette gespeicherte Daten sowie Mahnungsschreibungen auf der 370/125.

"In den Keller gestellt"

Olivetti sei jedoch nur zu einem Tausch der A 6 gegen das größere ModelI A 7/90 bereit gewesen, berichtet Lichtenthäler und fügt hinzu: "Wir hatten schließlich die Nase voll." Mucos habe daraufhin den Kontakt zu Olivetti abgebrochen und "die A 6 in den Keller gestellt" (sie wurde vor kurzem mit 17 000 Mark Verlust verkauft).

Anschließend begann die Suche nach einem neuen System. Während dieser Phase untersuchte Lichtenthäler zahlreiche Systeme verschiedener Hersteller (darunter Nixdorf, Kienzle, Philips und IBM) auf ihre "Mucos-Tauglichkeit".

Das Rennen machte schließlich eine 8820 von Nixdorf, unter anderem "weil sie über Bedienerführung an einem großen Bildschirm verfügt", begründet der DV-Planer die Wahl "denn darauf legten wir sehr viel Wert".

Vom "Standard" abgeschreckt, ließ Mucos von Nixdorf ein maßgeschneidertes Programm erstellen - "zum ausgehandelten Festpreis von 10 000 Mark", wie Lichtenthäler versichert. Nachher habe Nixdorf dann zwar 20 000 verlangt, "doch wir blieben hartnäckig".