Standardisierung öffnet EDI Tür und Tor

EDI-Vorteile ergeben sich erst bei der Umorganisation

28.06.1991

Mit dem Standard Edifact bekommt die Diskussion über Electronic Data Interchange (EDI) eine neue Dimension. Edifact kann große Kostenvorteile, Differenzierungschancen und Zeiteinsparungen mit sich bringen. Doch auch bei EDI gilt laut Günther Tolkmit*: Ohne Berücksichtigung rechtlicher und organisatorischer Fragen bleibt der Erfolg des Technikeinsatzes aus.

Die Faktoren Zeit und Information gewinnen einen immer höheren Stellenwert. Wer in der Lage ist, sich mit seinen Geschäftspartnern schnell und zuverlässig auszutauschen, und dadurch prompt auf neue Anforderungen reagieren kann, erschließt sich einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. EDI spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Der bisherige Datenfluß "Computer - Drucker - Papier - Versenden des Papiers - Lesen und Eingeben in den Computer des Empfängers" reduziert sich auf die Parameter "Computer - elektronische Übertragung - Computer".

Als strukturierte Daten kommen in Frage:

- kommerzielle oder Verwaltungsdaten sowie Rechnungen, Aufträge, Frachtbriefe, Zollerklärungen und andere Geschäftsdokumente,

- elektronischer Kapitaltransfer, vor allem bei Transaktionen im Bankengeschäft,

- technische Daten wie CAD/CAM-Zeichnungen in Design und Ingenieurwesen und

- interaktive Transaktionen beispielsweise Reise- und Flugreservierungen.

EDI als Basis von

Just-in-time-Logik

Der zeit- und kostenintensive Austausch von Papierdokumenten wird durch den elektronischen Datenaustausch ersetzt. Die Vorteile dieses Verfahrens - Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und permanente Erreichbarkeit - liegen auf der Hand. Doch sollte man hier nicht nur an mögliche Kostenvorteile durch Einsparungen von Material denken oder an Arbeits- und Personaleinsparungen durch den Wegfall vieler manueller Tätigkeiten. Für Logistiker und Einkäufer in Industrieunternehmen zum Beispiel ist EDI schon seit langem die Basis für Just-in-time-Logistik und damit letztlich auch eine Form von Informationspartnerschaft zwischen Zulieferern und Herstellern.

Der elektronische Datenaustausch bietet den Anwendern einen Zeitvorsprung, der häufig im Bereich von Tagen liegt, so daß sich Durchlaufzeiten beschleunigen lassen. Die kürzeren Bestellzyklen reduzieren teure Lagerhaltung. Diese Wirkung von EDI auf Just-in-time-Konzepte trägt insbesondere bei Produkten mit verhältnismäßig geringer Absatz- und Produktionsstabilität ihre Früchte.

Mit dem weiteren Vordringen des Standards Edifact (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport) werden diese Tendenzen in Zukunft sicherlich noch weiter verstärkt. Edifact, dessen Syntax 1987 von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa und der ISO als internationale branchenübergreifende und auf dem OSI-Kommunikationsmodell basierende Norm verabschiedet wurde, bietet vor allem eine Chance: Es ermöglicht länder- und branchenübergreifende Kommunikation.

Autoindustrie bevorzugt VDA

Dies ist momentan noch nicht einfach. Wollen beispielsweise Firmen der Automobilindustrie miteinander kommunizieren, benutzen sie derzeit in Deutschland meist den EDI-Standard VDA, im europäischen Rahmen vielleicht Odette und in den USA schließlich ANSI X12. Will ein Hersteller von Elektronikbausteinen, der verschiedene Industriebereiche beliefert, mit seinen Partnern kommunizieren, so kann er den Nutzen aus EDI nur dort ziehen, wo sein eigener Branchenstandard verwendet wird. Diese negativen Beispiele eines nur partiell effektiven EDI-Einsatzes machen deutlich, warum die Standardisierung erforderlich ist. In welchem Tempo und Umfang diese Standardisierung auch voranschreiten wird, eines steht bei jeglichem EDI-Einsatz fest: Das Management muß sich nicht nur Gedanken machen, wie bisherige Abläufe kostengünstiger gestaltet, sondern wie die neuen Möglichkeiten auch innovativ genutzt werden können. EDI sollte Herkömmliches nicht einfach abbilden. Nützlich ist es vielmehr, die neue Technik als Chance zu begreifen, Wertschöpfungsprozesse zu überdenken und an die neuen Möglichkeiten der unternehmensübergreifenden Kommunikation anzupassen.

Warum sollte es zum Beispiel im Verlaufe dieses Umdenkens nicht zu strategischen Partnerschaften und damit vielleicht sogar zu einer Auslagerung von Funktionen kommen? Will man als Unternehmen tatsächlich alle bisherigen Aufgaben und Funktionen weiter selbst ausführen, oder könnten sie nicht aufgrund der technischen Möglichkeiten von Marktpartnern besser vollzogen werden?

Die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Organisation an veränderte technische Umweltbedingungen anzupassen, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. So sollte auch dem EDI-Einsatz eine gründliche Analyse des aufbau- und ablauforganisatorischen Ist-Zustandes sowie die Definition künftiger Geschäftsziele vorangehen. Daraus ergibt sich, daß zu Beginn nicht möglichst viele EDI-Partnerschaften entstehen, sondern zuerst die wichtigsten Geschäftsbeziehungen berücksichtigt werden sollten.

Aufgrund lückenhafter rechtlicher Regelungen dürfen juristische Aspekte keinesfalls ausgeklammert werden. Das gilt nicht zuletzt im Hinblick auf die Kommunikationsanforderungen im internationalen Geschäft. Länderspezifische Regelungen müssen im Vorfeld unbedingt abgeklopft werden. So ist etwa die Datensicherheit ein essentielles Anliegen, welches ein Unternehmen bei der Einführung von EDI mit seinen DFÜ-Partnern klären muß.

Keine integrierten

EDI-Anwendungsprogramme

Weitere Fragen betreffen die Aufbewahrungsvorschriften, die Vorgehensweise bei Änderungen, die Fehlerbehandlung, die Verbindlichkeit der elektronischen Dokumente und natürlich auch die Kosten. Auch Anpassung und Umstellung, Aus- und Weiterbildung haben ihren Preis.

Bisher gibt es keine integrierten EDI-Anwendungen, also Anwendungsprogramme, die direkt auf den EDI-Datenstrukturen aufsetzen und standardisierte EDI-Formate ausgeben. Im praktischen Einsatz kann dies auch kaum wünschenswert sein, da der Prozeß der Edifact-Standardisierung noch nicht abgeschlossen ist. Gerade die flexible Anpassung an den Stand der Normung und die Verfügbarkeit vergangener, gegenwärtiger und künftiger Normen ist einer der wesentlichen Aspekte einer EDI-Lösung.

Anwendungen von externer Kommunikation trennen

In diesem Kontext erscheint es nur logisch, die internen Anwendungsstrukturen von den externen Kommunikationsstrukturen abzukoppeln. Diese Realisierung als Add-on zu vorhandenen Anwendungen hat sich bei den EDI-Lösungen im allgemeinen durchgesetzt. Dabei bleibt die Anwendung selbst in der Regel unverändert. Die Daten werden über eine File-Schnittstelle zur Anwendung von der entsprechenden EDI-Software in das Standardformat umgesetzt und dann in das Netzwerk übertragen. Das empfangende System kann das Dokument in sein eigenes, internes Format umwandeln.

Damit auf dieser technischen Ebene die Einführung ohne große Reibungsverluste vonstatten geht, empfielt es sich, mit Hilfe eines Data Dictionaries eine Analyse der bestehenden Anwendungen durchzuführen, damit tatsächlich auch alle Datenfelder und Datenbanken berücksichtigt werden, die von der Umstellung betroffen sind. Was die Kommunikationsleitungen angeht, bieten bestehende Netze wie Datex-P oder X.25 einen kostengünstigen Einstieg. Die Option auf eine spätere Nutzung von X.400 oder Value Added Networks sollte auf jeden Fall offengehalten werden.