FTAM als langfristige Alternative zu OFTP

EDI und ISDN: Transfergebühren und Reichweite sprechen für sich

23.10.1992

Ganz auf ISDN setzt man bei der Karlsruher Interpares Bauwa GmbH & Co. KG, wenn es darum geht, eine integrierte Datentransferlösung zu etablieren. Neben der herkömmlichen Inhouse-Kommunikation will man dabei im Baustoffhandel- zumindest im Bereich des Rechnungswesens - auch auf den EDI-Zug aufspringen. Markus Deutsch * beschreibt darüber hinaus, warum auch in diesem Anwendungsfall letztlich alles auf den OSI-Standard Edifact hinauslief.

Interpares gehört mit einem Gesamtumsatz von rund vier Milliarden Mark und 135 Mitarbeitern zu den führenden Verbundgruppen des deutschen Baustoffhandels. Im Gegensatz zu den Bestellungen, die größtenteils direkt von den Gesellschaftern, sprich von den Baustoffhändlern an die jeweiligen Lieferanten geschickt werden, findet die Fakturierung sämtlicher Rechnungen zentral bei Interpares statt. Von dort werden die anfallenden Beträge wieder weiter an die Gesellschafter berechnet.

Manuell waren die rund 3000 Rechnungen, die pro Tag anfallen, schon lange nicht mehr zu bewältigen. Aber auch seit der Einführung eines entsprechenden DV-gestützen Rechnungswesens erfolgte die Eingabe der Daten bisher von Hand. Hauptsächlich um den Kostenfaktor des Erfassungsaufwandes auszuschalten, sollen daher in Zukunft die Rechnungen direkt vom Lieferanten an die Verbundgruppe via EDI versandt werden. Vorrangig gilt es hierbei drei Punkte zu beachten:

- In welchem Format müssen die Daten bereitgestellt werden, damit eventuell auch andere Partner an dem Austausch teilnehmen können?

- Welches Übertragungsmedium soll eingesetzt werden?, und

- welches Protokoll garantiert einen gesicherten EDI-Verkehr?

Zum ersten Punkt läßt sich mit einiger Sicherheit feststellen, daß sich in Zukunft immer mehr der Standard Edifact durchsetzen wird. Inzwischen haben hier 17 Nachrichten den Status 2 einer internationalen Norm erhalten. Darunter befinden sich die wichtigsten Geschäftsdokumente wie Rechnung (Invoic), Bestellung (Orders) und Zahlungsavis (Remadv). Eine Reiche weiterer Dokumente wie Anfrage (Reqote), Auftragsbestätigung (Ordrsp) etc. befinden sind im Status 1- sind also als Vornorm bereits freigegeben.

Hier kann man sich auf international gültige Beschreibungen der einzelnen Feldinhalte der Nachrichten stützen. Merkmale für die komplizierte Syntax. in der die Nachrichten vorliegen, sind variable Satzlänge (Segmente) und variable Feldlänge (Elemente). Mit den verschiedenen Nachrichten wurden inzwischen erste Pilotprojekte in den verschiedensten Branchen durchgeführt.

Auch in der Baustoffbranche fiel daher die Entscheidung zugunsten von Edifact. Zu diesem Zweck hat der Bundesverband der Baustoffhändler (BDB) eine Untermenge (Subset) der umfangreichen Norm definiert, die vor allem eine bessere und ausreichende Übersicht über das Projekt garantieren soll. Bei der Klärung der zweiten grundsätzlichen Frage, nämlich der, welches Medium am besten geeignet ist, umfaßte der Kriterienkatalog folgende Punkte:

- hohe Übertragungsgeschwindigkeit,

- geringe Gebühren,

- verfügbares EDI-Gesamtsystem und

- bundesweit flächendeckende Verbreitung.

Vorab hatte man sich darauf geeinigt, daß zur Vermeidung unnötiger Kosten die Verbindungen Punkt-zu-Punkt und nicht über eine Clearing-Stelle realisiert werden sollten. Das bedeutet, daß jeder Lieferant mit jedem Partner kommunizieren können muß und die Daten nicht einfach an eine zentrale Stelle weitergeben kann, die dann wiederum die Weiterverteilung übernimmt. Dabei ist es nötig, daß alle Partner das gleiche Protokoll unterstützen und dieses auf allen Plattformen verfügbar ist.

Als Datenübertragungsmedium kommen in der Regel drei öffentliche Netze in Frage: Telefon, Datex-P und ISDN. Bei der Entscheidung, welcher Übertragungsweg Verwendung findet, gilt es weniger die netzspezifischen Besonderheiten zu beachten als vielmehr das Umfeld, welches für den automatischen Betrieb eines EDI-Gesamtsystems vorrangig wichtig ist, und hier zählt wiederum in erster Linie der Aspekt der Punkt-zu-Punkt-Verbindung.

Unabdingbar für einen gesicherten EDI-Punkt-zu-Punkt-Betrieb ist ein Protokoll, das ohne ständiges Eingreifen von außen einen problemlosen Betrieb ermöglicht. Durchgesetzt hat sich hier besonders in der Automobilindustrie das Odette-Filetransfer-Protokoll (FTP), welches im Moment noch auf Datex-P basiert, aber in Zukunft ebenso unter ISDN verfügbar sein wird. Hier können Verbindungsabbrüche mit einem Wiederaufsetzungsverfahren behoben werden. Ebenso ist Komprimierung, End-to-end-response und entsprechendes Routing möglich.

FTAM als OSI-Standard für den Filetransfer wird dabei in Zukunft sicher eine Alternative zu OFTI darstellen, eine Verbreitung besonders auf verschiedenen Plattformen bleibt aber noch abzuwarten. Gleiches gilt für die CCITT-Empfehlungen X.400 und X.435. Diese beiden Protokolle dienen hauptsächlich zur Übertragung an Clearing-Stellen (VANs) und sind auf Datex-P-Basis oder unter ISDN verfügbar.

Am schwierigsten gestaltet sich die Berechnung der Kosten, da für die leitungsvermittelten Netze, Telefon und ISDN die Dauer und die Entfernung der Verbindung als Grundlage dient; im Datex-P hingegen eine Kombination aus Dauer, Datenmenge und Anzahl der Verbindungen sowie Entfernung. Zusätzlich muß man in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen, daß ISDN eventuell auch die gesamte interne Telefonanlage samt Fax und Telex ersetzen kann.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die verschiedenen Übertragungswege ihre Vor und Nachteile durch Entfernungsabhängigkeit, Auslandstarife, Nachttarife etc. gegenseitig ausgleichen. Entscheidend wird immer eine spezielle Partner- und Inhouse-Analyse sein. Auf Dauer setzt sich ISDN aber sicherlich neben den privaten Netzen als EDI-Punkt-zu-Punkt-Übertragungsmedium durch, insbesondere, wenn wie bis Ende 1994 von der Telekom angekündigt, Datex-P unter ISDN, also mit einem Anschluß verfügbar sein wird.

Zu klären bleibt nun noch die Frage nach einem Übertragungsprotokoll, das einen gesicherten Nachrichtenaustausch garantiert. Da man bei ISDN noch nicht auf EDI- bewährte Protokolle wie X.400 oder OFTP zurückgreifen kann, stellt diese Frage zweifelsohne das größte Problem dar. Unverzichtbar sind eindeutige Identifikationsparameter, Übertragungsquittierungen, eventuell auch Restart- (Wiederaufsetzen bei Abbruch), Komprimierungs- oder Paßwortoptionen.

Bis zu Verfügbarkeit eines solchen Protokolls auf ISDN wird derzeit das Teletex-Protokoll im Transparentmode verwendet; auf welches über die Appli/COM-Schnittstelle zugegriffen wird (vgl. Abbildung). Dieses Protokoll baut auf der Common API der Kartenhersteller auf und reicht bis zur Schicht 5 des Basisreferenzmodells-Identifikation und Übertragungsquittierung sind hier also möglich.

Durch die Integration dieses File-Transfers in das EDI-Gesamtsystem der Seeburger Unternehmensberatung, Bretten, welches den automatischen Sende- und Empfangsbetrieb, die Partnerstamm- und Sendeauftragsverwaltung, die Empfangsdatenverarbeitung, Protokollierung und Archivierung übernimmt, ist nun ein interventionsloser Dauerbetrieb möglich. Zu versendende Daten wie zum Beispiel Bestellungen müssen in das übergeordnete Format Edifact konvertiert werden. Dies geschieht aufgrund von hinterlegten Zuordnungstabellen zwischen dem eigenen Bestellformat und den Edifact-Bestellungen. Umgekehrt werden zum Beispiel die Rechnungen beim Empfang aus der Edifact-Struktur in das eigene Rechnungsformat konvertiert und in die Fakturierung überführt.

Interpares Bauwa hat sich eindeutig für ISDN entschieden. Sowohl die Kosten im Anschaffungs- und Übertragungsbereich als auch die anzunehmende weltweite Verbreitung sprechen für einen baldigen Einsatz dieses Mediums. Außerdem will man bei der Gesellschaft früh die Übertragungsgeschwindigkeiten von 64 Kbit/s und die integrierte Datentransferlösung (Inhouse-Kommunikation, Fax, Telefon, EDI etc.), die ISDN ermöglicht, nutzen.