In der Not sind die ehemals verschmähten PCM-Anbieter gefragt:

Eclat zieht mit IBM vor das Bundeskartellamt

25.10.1985

MARBELLA - Eine Beschwerde gegen die IBM Deutschland GmbH hat am Montag vergangener Woche die "European Computer Leasing & Trading Association" (Eclat) beim Bundeskartellamt in Berlin eingereicht. Zielrichtung sind die Leasingkonditionen sowie die Verkaufs- und Rabattpolitik des Marktführers. Ungeachtet der Prüfung durch die obersten Wettbewerber haben beide Seiten ihre Bereitschaft zum Dialog erklärt.

Bereits Mitte dieses Jahres haben sich die in der Eclat zusammengeschlossenen europäischen Leasinggesellschaften und Broker auf einem Meeting in Hamburg die Option offengehalten, einige IBM-Geschäftspraktiken vom Bundeskartellamt prüfen zu lassen. Zwischenzeitliche Gespräche haben die deutsche Big-Blue-Tochter nicht veranlaßt, den Wünschen der Eclat entgegenzukommen. Auf ihrem jüngsten Treffen Ende vergangener Woche im südspanischen Marbella gaben sich die Leasingunternehmen wiederum "in Sorge vereint". Fast einstimmig war das Votum für die eingeschlagene Marschrichtung gegen den Branchenriesen.

Das Bundeskartellamt bestätigte schlicht die Entgegennahme des Rechtsgutachtens von dem Münchner Rechtsanwalt Dr. Christian Melcher: Für nähere Angaben sei es noch zu früh, da man den Sachverhalt erst prüfen und die Gegenseite hören müsse. Wortkarg wie immer gab sich auch die IBM in Stuttgart: "Wir haben die Unterlage nicht im Hause und sehen uns daher außerstande, dies zu kommentieren." Ein Sprecher gab zu verstehen, man sei davon überzeugt, "die beanstandete Geschäftspraxis genügt den Ansprüchen wie auch den kaufmännischethischen Grundsätzen".

So sehr die IBM sich auch den Anschein des Überraschten und Unwissenden gibt, die Probleme sind in Stuttgart bekannt. Zwischen der Eclat und Vertretern der Firma mit den drei Buchstaben hat es in den zurückliegenden Monaten bereits Gespräche gegeben. In einem Schreiben behauptet die IBM, weder den Inhalt des Rechtsgutachtens zu kennen noch die Chance einer Analyse durch den normalen Weg der geschäftlichen Diskussion bekommen zu haben. Diesen Behauptungen tritt die Leasing-Vereinigung entschieden entgegen. An der Costa del Sol machten von den eingeladenen IBM-Managern nur zwei eine Stippvisite mit einer Depesche im Gepäck.

So vollmundig die Eclat sich indes in der Kritik an IBM ergeht, in Marbella beherrschte Taktieren oder aber die Furcht vor ungewollten Reaktionen der deutschen IBM-Tochter das Handeln. Kaum anders ist es zu verstehen, daß die Vereinigung keine offiziellen Statements abgab. Was blieb, war eine knappe, drei Punkte umfassende englischsprachige Erklärung. Kommentar: "Was jetzt weiter passiert, liegt in der Hand des Kartellamtes." Deutlicher formulierte es ein Insider: "Wenn die Einschaltung der Berliner Behörde offiziell wird, könnte sich eine völlig neue Welt ergeben."

Was der Eclat nach wie vor Sorge bereitet, ist die Konkurrenz durch das seit 1983 bestehende Leasingangebot der IBM Kredit Bank. Die Kritik richtet sich auf angeblich marktunübliche und unlautere Praktiken: Die angebotenen Leasingraten scheinen nicht das richtige kaufmännische Verhältnis zu den IBM-Standardpreisen zu haben.

Die gütige Hand, die IBM in der Vergangenheit über die Leasinggesellschaften ausbreitete, ist offensichtlich seit 1983 für die Eclat zur eisernen Faust geworden. In diesem Jahr beschlossen die Macher in Stuttgart, ihre bislang treu dienenden Mitstreiter dem eigenen Vorteil zu opfern. Sie sahen die Leasinggesellschaften einfach nicht mehr als Vertriebskanal an.

Gleichzeitig verabschiedete der Branchenkoloß günstige Rabatte für Endverbraucher-Organisationen, ohne diese auch für die Eclat vorzusehen. Die Vereinigung sieht seither IBMs propagierte Prinzipien der Gleichbehandlung verletzt. Darüber hinaus glauben die Broker, die diversifizierende Anwendung von Rabattpraktiken hat die Konsequenz, daß weder IBM-Anwender noch Leasingfirmen imstande sind, klar zu verstehen, was für ein letztendlicher Kaufpreis für IBM-Equipment gezahlt werden muß .

Am letzten Montag schließlich wollte die Eclat auch ihre Erklärung nicht gedruckt wissen: "Wir möchten nicht in ein schwebendes Verfahren eingreifen."

Die Leasinggesellschaft als Mitbewerber denn als Partner zu behandeln, machte die IBM spätestens auf der letzten Jahreshauptversammlung der Eclat in Venedig deutlich.

Hier offenbarte der Branchenjumbo unverhohlen seine Absicht: die totale Kundenkontrolle. IBM ließ auch keinen Zweifel daran, sich auch künftig um die Verwertung gebrauchter Maschinen selber zu kümmern. Allein in Frankreich, so schätzten Experten, hat der weltgrößte DV-Hersteller in den 80er Jahren durch das Engagement der Leasinggesellschaft mehr als ein Viertel der Kundenkontrolle verloren; für Deutschland werden etwa 30 Prozent angenommen.

Jahrelang mit einem müden Winken abgetan, sucht die Eclat in ihrer Not Unterschlupf bei den Herstellern steckerkompatibler Maschinen. Man übt sich im Hofieren: "Die Japaner sind technisch überlegen." Es erstaunt daher kaum, daß auch ein Siemens-Vertreter den Weg ins sonnige Andalusien gefunden hatte. Noch weniger Zweifel ließen dessen Aussagen offen: "We fight against all - we fight against IBM and we fight against you (Eclat)."

Bei Siemens gibt man unzweideutig zu verstehen, daß die Broker den PCM-Anbietern in der Vergangenheit manches Geschäft verdorben haben: Gebrauchte IBM-Maschinen sind in den Markt geschoben worden, die um das Preisniveau neuer PCM-Rechner lagen.

Der Münchner Konzern meint zu dem, sich in der Welt der Finanzierungen selber gut auszukennen. "Für uns sind die Gebrauchtmaschinen ganz klar ein Bestandteil eines Gesamtangebotes, dieses Geschäft wollen wir auch nicht abtreten, sondern das Geld selber verdienen."

Die IBM führt derzeit vor, daß sie ihre Preispolitik ohne Rücksicht auf die Eclat macht. Sie schraubt derzeit die Preise für 308X- Maschinen herunter; so wird die 3081KX teilweise 40 Prozent unter Preis angeboten. Hierbei schert sie sich um das finanzielle Wohlergehen der Broker wenig, die mit den hohen Restwerten ihrer Maschinen leben müssen.