Trotz großer Konkurrenz neuer Unix-Mainframe

Echtzeit-Spezialist Encore zielt mit Infinity-90 auf die IS-Zentren

16.10.1992

FORT LAUDERDALE (jm) - Bislang vor allem in der Arena der technisch-wissenschaftlichen Anwendungen und der Echtzeitverarbeitung beheimatet, wagt die Encore Computer Corp. aus Fort Lauderdale, Florida, mit dem Unixbasierten "Infinity-90"-System den Sprung in den Markt "alternativer" Großrechner.

Auf der diesjährigen CeBIT in Hannover präsentierte die Encore Computer GmbH, Düsseldorf, erstmals ihre "Encore-Serie-90"-Rechner. Dieses symmetrische Multiprozessor-System läuft unter "Umax V", einem vollständig parallelisierten Unix-Derivat , mit Multithreading-Funktionalität, das auf System V basiert.

Zu den Rechnerlinien von Encore gehören bislang die "Concept-32"-Systeme, Echtzeitrechner mit Motorolas RISC-CPU, 88100. Auch die "Encore-91"-Modelle arbeiten mit den Motorola-RISC-Prozessoren, sind VME-Bus-basiert und können auf maximal vier CPUs ausgebaut werden. Ebenfalls Echtzeitumgebungen unter Unix peilt die "Multimax"-Rechnerserie an, die mit bis zu 40 Motorola-Prozessoren ausgerüstet werden kann. Mit den "Encore-90"-Rechnern hatten die Leute aus Florida nach den Worten von Marketing Manager Jürgen Poppensieker eine Synthese aus der RechnerfamiIie Multimax und den Concept-Systemen geschaffen.

Unter Unix-symmetrisches Multiprocessing

In Deutschland bestand die Encore-Kundschaft angebotsbedingt vor allem aus Entwicklungs-, Forschungs-, Modelling- und Simulationsanwendern wie der ABB Verkehrssysteme AG, der BASF AG, der Dornier GmbH, der Kraftwerksimulator-Gesellschaft (KSG), der MAN AG oder der MBB GmbH unter anderem.

Mit den Infinity-90-Rechnern zielt Encore nun auf den Markt der IS-Zentralen für alternative Mainframes. Diese zeichnen sich nach den Worten von Jim Cassell, einem Analysten der Gartner Group Inc. aus Stamford im US-Bundesstaat Connecticut, im Gegensatz zu herkömmlichen Großrechnern durch vergleichsweise geringe Kosten und durch Skalierbarkeit aus. Vor allem aber besitzen diese Rechner nach Cassell einen Zeitvorteil in puncto offener Systemarchitektur.

Bislang, so der Gartner-Analyst, zauderten Anwender noch, Client-Server-Topologien in ihren Unternehmen zu installieren. Grund für die abwartende Haltung sei das Fehlen von ausgereifter System- und Netzverwaltungs-Software für solche DV-Strukturen. Bis diese zur

Verfügung stünde, könne man verteilte Rechnerumgebungen immer noch am besten zentralisiert verwalten. Und diesbezüglich seien diese alternativen Großrechnersysteme wie die Infinity-90-Rechner ein gangbarer Weg.

Die neuen Encore-Modelle sind - zumindest in den USA - ab sofort zu Durchschnittspreisen von etwa 1,3 Millionen Dollar verfügbar. Die symmetrische Multiprozessor-Architektur läuft unter Unix und ist skalierbar. Zum Einsatz kommen wie gewohnt Motorolas RISC-Bausteine aus der 88000-Familie.

Encore hebt hervor, daß besonders die bei Großrechnern eine große Rolle spielende I/O-Leistung und der Durchsatz der Infinity-Modelle mit 53 MB/s weit über der bisheriger Mainframes (4,5 MB/s) liegt.

Trotz dieser Eigenschaften fragen sich Marktanalysten, ob Encore es fertigbringt, das Image des technikorientierten Anbieters abzulegen und schnell genug Verkaufskanäle für den herkömmlichen Mainframe-Markt zu öffnen.