Die Karten sind noch nicht alle aufgedeckt

EBM-Direktvertrieb benachteiligt PC-Händler und MCA-Anwender

16.10.1992

MÜNCHEN (CW) - Mit verbalen Kraftakten und einem neuen Vertriebskonzept steigt die IBM in den Preiskampf im PC-Markt ein. Branchenbeobachter vermissen jedoch die klare Linie, der Händlerkanal-Konflikt sei programmiert. Wie manche IBM-Vertriebspartner vermuten jedoch auch die PC-Wettbewerber, daß einige von ihnen früher als erwartet auf der Strecke bleiben werden.

Als wenig durchdacht bezeichnet DEC-Direkt-Pressesprecher Jens Schnabel die neue Vertriebsstrategie der IBM, einen Teil der PCs zum Niedrigpreis direkt anzubieten (siehe auch Seite 35: "IBM bläst mit neuem Konzept..."). Schnabel: "Dieses Splitting innerhalb der Palette ist gefährlich. Als IBM-Kunde wäre ich ziemlich sauer, wenn blaue AT-Bus-Maschinen zum Vobis-Preis erhältlich sind, ich aber als MCA-Anwender weiter hohe Preise zahlen muß."

Große Schwierigkeiten mit der neuen Produktstrategie prophezeit ein IBM-Kenner den Stuttgartern auch innerhalb der eigenen Händlerschaft. Er geht davon aus, daß die "Value-Point"-PCs nur den ersten Schritt in den Direktvertrieb darstellen.

Auch die Billigst-Rechnerlinie "Ambra" wird seiner Meinung nach in naher Zukunft über IBM Direkt erhältlich sein. "IBM hat noch vor einem Jahr gesagt, wir gehen nicht in den Billigpreis-Markt hinein - das war reines Blabla", so der Marktkenner. Da aber offenkundig sei, daß deshalb IBM-Fachhändler die Segel streichen müßten, werde Big Blue versuchen, das neue PC-Engagement als konfliktfrei darzustellen.

"Besonders für die Händler, die einen sehr geringen Anteil an Dienstleistungen haben, kann es eng werden", sorgt sich ein IBM-Vertragspartner. Die IBM habe die Rabatte für die Wiederverkäufer, die nun zudem gegen den Hersteller selbst konkurrieren, deutlich gekürzt. "Die IBM ist dabei, den Händlern das Geschäft langsam abzugraben."

Auch die Wettbewerber wissen, daß mit dem Einstieg von Big Blue in den Preiskampf die Marktbereinigung beschleunigt wird. Sowohl Georg Hüniken, Deutschland-Geschäftsführer von Everex, als auch Manfred Lauterborn, Chef der AST Research GmbH, sehen diese Entwicklung. Compaq-CEO Eckhard Pfeiffer gibt sich indes gelassen. Es handle sich bei der als Profit-Center organisierten PC-Division um ein Unternehmen mit hochgerechnet sieben Milliarden Dollar Umsatz, das effizient arbeiten müsse, um sich selbst zu tragen. Der Compaq-Boß: "Bei einem allgemeinen. Preisnachlaß um 15 Prozent ist davon eine Milliarde weg. Das kann weder Akers noch den Aktionären gefallen."