Fusion zum zweitgrößten ISP der USA

Earthlink und Mindspring nehmen AOL ins Visier

01.10.1999
MÜNCHEN (CW) - Mit ihrer Fusion attackieren die amerikanischen Internet-Service-Provider (ISPs) Earthlink und Mindspring die Marktführerschaft von America Online (AOL). Analysten halten die ehrgeizigen Pläne allerdings für überzogen und erwarten keine Konsolidierungswelle.

Der Zusammenschluß beider Firmen erfolgt im Rahmen eines Aktientauschs und soll im ersten Quartal des nächsten Jahres abgeschlossen sein. Earthlink-Aktionäre erhalten 1,615 Anteile des neuen Unternehmens für jede alte Aktie, während die Mindspring-Aktien eins zu eins umgetauscht werden. Rein rechtlich entsteht ein völlig neues Unternehmen. Es soll Earthlink heißen und wird von dessen Chef Garry Betty als CEO geführt werden. Mindspring-Gründer Charles Brewer übernimmt den Chairman-Posten am gemeinsamen Firmensitz in Atlanta. Zusammen verfügen beide Provider über 2,8 Millionen Abonnenten und einen Marktwert von etwa 3,3 Milliarden Dollar. "Wir wollen zum führenden ISP in der Welt werden, und das könnte weniger lange dauern, wie manch einer denkt." Mit diesen markigen Worten gab Mindspring-Boß Brewer die Marschroute vor. Jupiter-Analyst Joseph Laszlo hält das Zusammengehen der beiden Ex-Konkurrenten allerdings für keine große Überraschung und die Pläne angesichts der Übermacht von AOL für sehr ehrgeizig. Selbst 2,8 Millionen Abonnenten sind nur ein Bruchteil der 20 Millionen Surfer, die der Marktführer an sich bindet. "Kein ISP hat bislang den Mehrwert für Internet-Einsteiger geliefert, den AOL bietet", so Laszlo. Zunächst einmal werde das neue Unternehmen weiter gegen Konkurrenten wie AT&Ts "Worldnet" oder Microsofts "MSN" mit 1,7 beziehungsweise 1,8 Millionen Nutzern kämpfen. Dem Unternehmen fehle die einmalige Kombination von Inhalten, Zugang und Software, die AOL biete, meint auch Ross Rubin, Vice-President beim Marktforschungsunternehmen Jupiter Communications.

Der wahre Nutzwert dieser mit viel Getöse angekündigten Fusion dürfte im Marketing liegen. Zukünftig können die Etats beider Unternehmen in eine einzige Marke gepumpt werden. Angeblich sind für das Jahr 2000 im Bereich Werbung 300 Millionen Dollar eingeplant - eine gewaltige Summe angesichts gemeinsamer Umsätze von etwa 650 Millionen Dollar auf Basis der jüngsten Quartalsergebnisse. Beobachter halten den Zusammenschluß für eine logische Folge des ebenso heiß umkämpften wie zersplitterten weltweiten Provider-Markts. Ein Fanal für weitere Fusionen sehen sie nicht.