E-Mail-Archivierung verlangt Struktur

07.10.2005
Von Günter Daniel 
Integration kann Ausdrucken und Ablegen überflüssig machen.

Unter E-Mail-Archivierung ist die Auslagerung von Nachrichten in ein externes Speichersystem zu verstehen. Die Post gelangt entweder durch Einwirken des Anwenders oder automatisch und über Regeln gesteuert (zum Beispiel nach Alter und Größe) in ein Archiv. In der Mailbox selbst verbleibt oft ein Rumpfdokument, das im Wesentlichen aus den Kopfdaten (Absender, Empfänger, Datum, Betreff) besteht.

Hier lesen Sie …

• worin der Unterschied zwischen Mail-Archivierung und Mail-Integration besteht;

• warum eine reine Archivierung nicht ausreicht, um Abläufe in Firmen zu straffen;

• dass es nicht nur Aufbewahrungspflichten, sondern auch Auflagen zum Löschen von Geschäftsdokumenten gibt.

Mail-Wachstum begrenzen

Platz- und Kostenfresser in E-Mails sind die Anhänge: Sie belegen mehr als 80 Prozent des Speicherplatzes. Durch interne Verteilung an Kollegen ist ein und derselbe Anfang oft in vielen Mails gespeichert. Solche Redundanzen lassen sich vermeiden und so erheblich Speicherplatz einsparen. Optimierungsprogramme speichern den Anhang physikalisch nur einmal ab. Die Nachrichten, in denen die Datei vorkommt, verweisen auf dieses Objekt.

Der Markt bietet schon lange Produkte, die Anhänge komprimieren. Mittlerweile werden auch Produkte angeboten, die Anhänge komplett und redundanzfrei in ein externes System verlagern. Werden diese von Dokumenten-Management-Systemen ebenfalls genutzt, ergeben sich weitere Vorteile für die IT.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*79454: Archivierung ist gefragt;

*82049: Werkzeuge für E-Mail-Marketing;

*81370: Erfolgsrezepte für Content-Management;

*74638: Compliance-Manager für SQL-Server;

*73721: Basel-II-Paket von IBM;

*77034: Compliance-Speicher.

Der eigentliche Inhalt der archivierten Mail wird durch einen Link auf die Nachricht im externen System ersetzt. Praktisch alle Archivierungsprodukte können dort suchen.

Das Archiv speichert immer die gesamte Mail. Einige Produkte konvertieren die Dokumente in ein vom Mail-System unabhängiges Datenformat. Andere bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die Mail in ihrem ursprünglichen Datenformat zu archivieren. Anhänge werden entweder in einem Container-Format oder als referenzierte Objekte abgelegt.

Wenn der Anwender die Mail wieder aufruft, erhält er also immer alle Informationen, die ursprünglich darin vorhanden waren.

Unterschiedliche Speichertypen

Viele Mail-Archivierungsprodukte nutzen ein externes Dokumentenarchiv oder auch einfach klassische Datenspeicher wie das File-System und Tape Libraries, ergänzt durch Datenbanken, die für die Recherche erforderliche Metadaten über die archivierten Mails vorhalten.

Die Gemeinsamkeit solcher Lösungen ist es, dass sie den Charakter der Mail - insbesondere deren Vertraulichkeit - auch im externen System erhalten. Dies unterbindet zum Beispiel, dass geheime Vorstands-Mails von anderen Personen eingesehen werden können. Einige Hersteller bieten Produkte, die es dem Anwender ermöglichen, Mails recht komfortabel einer thematisch organisierten Ablage in einem Dokumenten-Management-System zuzuführen. Dieser Ansatz unterscheidet sich bei detaillierter Betrachtung grundsätzlich von den klassischen Mail-Archivierungslösungen, weshalb er im Folgenden als "Mail-Integration" bezeichnet wird.

Entlastung für die Server

Durch die zeitnahe Auslagerung von E-Mails reduziert sich das Datenvolumen auf den Mail-Servern erheblich. Im gleichen Maße verringert sich der Aufwand für die Datensicherung der Mail-Systeme. Es ist noch gar nicht so lange her, dass diese Aspekte die Hauptmotivation zur Einführung solcher Lösungen waren. Zu Zeiten, da ein Gigabyte an verwaltetem Festplattenplatz noch mit rund 1000 Euro pro Jahr kalkuliert wurde, rechneten sich solche Investitionen oft, auch wenn sie im Backend erhebliche Investitionen erforderten.

Mittlerweile haben sich die Kosten für Festplattenspeicher dramatisch reduziert, und vielleicht erklärt dies auch, dass manche Anbieter nun damit werben, ihre Lösungen dienten dazu, gesetzliche Vorschriften zu erfüllen ("Compliance"). Vorgaben wie "Sarbanes-Oxley Act", die "Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen" (GDPdU) und "Basel II" lassen es juristisch ratsam erscheinen, alle E-Mails zeitnah zu archivieren, damit nichts verloren geht.

Im Handelsgesetzbuch (HGB) ist vorgeschrieben, dass Handelsbriefe (beispielsweise Rechnungen) für zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Das HGB sagt nichts über die Form der Aufbewahrung aus. Betroffen sind aber ebenso der Kassenbon wie auch die viele Seiten umfassende Rechnung im Format DIN A4, die mit der Gelben Post zugestellt wurde. Dazu kommen Bestellungen und Angebote in jeder denkbaren anderen Form. Der Begriff E-Mail beschreibt allerdings nur eine Form - keinen Inhalt.

Die viel zitierten Auflagen zur Compliance beziehen sich nicht ausschließlich auf E-Mails. Der oft erwähnte Sarbanes-Oxley Act enthält zum Beispiel nicht ein einziges Mal den Begriff "Mail". In Deutschland schreibt das HGB eine Archivierungsfrist für "Primärdokumente der Buchhaltung" von zehn Jahren vor. Andere Verordnungen verlangen dagegen das ausdrückliche Löschen von Informationen selbst von Datensicherungsmedien.

Konfliktpotenzial

Viele Firmen fordern in ihren Einkaufsbedingungen, dass man alle Informationen, die Vertragspartner in Zusammenhang mit einem Projekt erhalten haben, nach Abschluss vollständig löscht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine reine Mail-Archivierungslösung zu Problemen führen kann. Ein Beispiel: Alle Mails werden zeitnah in persönliche Mail-Archive übertragen. Der Leiter der Buchhaltung hat also in seinem Archiv auch Mails, die für den Steuerprüfer relevant sind. Sicher hat er auch Bewerbungen per E-Mail erhalten, vielleicht protokolliert er auch Personalentwicklungsgespräche.

Datenschutzwerkzeug

Es ist auch gut vorstellbar, dass er projektbezogene Dokumente in seiner Mailbox vorhält. Wenn jetzt der Steuerprüfer kommt und Zugriff auf das Mail-Archiv der Buchhalter verlangt, steht dieser in einem echten Zielkonflikt: Laut GDPdU darf er dem Prüfer nicht den Zugriff auf das Mail-Archiv verwehren. Das Datenschutzgesetz besagt hingegen, dass der Prüfer nicht auf Personendaten zugreifen darf. Auch die vertraglich vereinbarte Vertraulichkeit der Projektinformationen ist nicht mehr gewährleistet.

Mittlerweile schaffen die ersten Unternehmen ihre E-Mail-Archivierungslösungen wieder ab. Leider ist das ebenfalls mit erheblichem Aufwand verbunden. Es lohnt sich also, das Thema Mail-Archivierung und Mail-Integration sorgfältig zu durchdenken.

Für ein Dokumenten-Management-System stellen Mailboxen der Anwender lediglich Dokumentenquellen dar. Produkte zur Mail-Integration erlauben es dem Anwender, wichtige Dokumente einfach in eine strukturierte Ablage zu überführen. Eine solche Strukturierung fasst Schriftstücke mit gemeinsamem Kontext zusammen. Immer mehr wichtige und wertvolle Dokumente landen in den persönlichen E-Mail-Ablagen der Anwender. Von dort aus werden sie gerne weiterverteilt, um auch die beteiligten Kollegen auf dem Laufenden zu halten. Wichtige Nachrichten drucken die Nutzer meist aus und legen sie konventionell ab.

Eine E-Mail-Integration kann das Ausdrucken und Ablegen solcher Dokumente überflüssig machen. Zudem führt dieses Konzept auch bei elektronischen Schriftstücken zu einer strukturierten Aufbewahrung. Der zweite Punkt verspricht den größten Nutzen. Alle Unternehmen, die ein Dokumenten-Management erfolgreich eingeführt haben, können dies bestätigen. Allerdings gibt es noch keine Firma, die ausschließlich mit einer elektronischen Ablage arbeitet. Das erklärt sich einfach dadurch, dass die Einführung solcher Lösungen mehr ein Organisations- denn ein IT-Projekt ist. Die IT liefert lediglich die Werkzeuge. Die Anwender müssen ihre Ablage selbst erarbeiten, damit sie diese auch nutzen. (fn)