Einsatz in Großunternehmen

E-Learning weiter auf dem Vormarsch

24.08.2001
Experten prophezeien E-Learning eine rosige Zukunft. Die Gründe sind neben eingesparten Seminarkosten und geringeren Fehlzeiten in der erhöhten Flexibilität beim Lernen zu suchen. Von Nachteil ist das Fehlen der sozialen Kontakte. Nun veröffentlichte die Göttinger Unicmind.com eine Studie zum Für und Wider des Lernens via Bildschirm. Von Holger Eriksdotter*

Das wichtigste Resultat der Studie ist, dass E-Learning in Großbetrieben einen hohen Verbreitungsgrad erreicht hat. Inzwischen gibt es für die Beschäftigten in neun von zehn Firmen Schulungen via Computer. Für die Studie hat die von Unicmind.com beauftragte private Fachhochschule Göttingen die 350 größten Unternehmen der deutschen Wirtschaft befragt; 102 davon haben sich an der Erhebung beteiligt und zu ihren Aktivitäten und Erfahrungen mit E-Learning und Online-Wissens-Management Stellung genommen.

Nach den Worten des Unicmind-Vorstandes setzen 93 Prozent der Unternehmen CBT-Programme (CBT = Computer Based Training) ein. Schulungsvideos werden zu 67 Prozent genutzt und Intranet-gestützte WBT-Programme (WBT = Web Based Training) zu 59 Prozent. Am unteren Rand der Skala rangieren hingegen die Internet-basierenden Trainingsprogramme (25 Prozent) wie auch Virtual Classrooms (20 Prozent) und Business-TV (19 Prozent).

Im Themenspektrum liegen Inhalte aus der DV an der Spitze. Dabei führt die Office-Software mit 66 Prozent vor anderen Anwendungsprogrammen, die nur in 44 Prozent der Unternehmen vermittelt werden. Betriebssysteme folgen mit 38 Prozent auf der Rangliste der per E-Learning geschulten Themen. Erst den vierten Platz (31 Prozent) nehmen Schulungen über unternehmenseigene Produkte ein.

Als großen Vorteil sehen die Firmen das Einsparpotenzial durch wegfallende Seminargebühren, Reisekosten und Spesen bei Präsenzseminaren sowie geringere Fehlzeiten am Arbeitsplatz an. So war für 70 Prozent der Firmen die Kostensenkung das entscheidende Argument, E-Learning-Kurse anzubieten. Aber auch die Aktualität und die Möglichkeit des flexibleren Lernens spielen für die befragten Unternehmen eine wichtige Rolle.

Mangel an sozialem KontaktAls nachteilig empfanden etwa die Hälfte der Befragten den Wegfall des "Social Effect", der in Präsenzseminaren neben den Lerninhalten den Austausch und die Kommunikation zwischen den Kollegen fördert. 46 Prozent sahen das Einführungsprozedere von Online-Lernsystemen als Hindernis an. Für 41 Prozent der Unternehmen war eher die mangelnde Akzeptanz hemmend.

Das im September letzten Jahres gegründete Unternehmen Unicmind.com ist auf Online-Wissenstransfersysteme spezialisiert und bietet vom Consulting bis zur technischen Realisierung Dienstleistungen im Bereich E-Learning und Knowledge-Management an. Bei Online-Lernsystemen, so Vorstand Hans-Christian Riekhof, seien die Inhalte für Lernerfolg und Akzeptanz ausschlaggebend. Deswegen sei der heute vielfach beschrittene Weg, erst die technische Infrastruktur zu schaffen und sich dann nach geeigneten Lernprogrammen umzusehen, oft nicht der richtige. Schon bei der Planung müsse der Inhalt im Vordergrund stehen. Wichtig sei es auch, schon bei Beginn des Projektes einen Teil des Budgets für begleitende Maßnahmen zur Förderung der Akzeptanz und sozialer Komponenten einzuplanen.

Die technische Seite, so Riekhofs Vorstandskollege Dirk Artmann, werde sich in Zukunft immer weiter verbessern. In den Intranets ständen schon heute ausreichende Datenübertragungsraten zur Verfügung, und in zwei bis drei Jahren rechnet er mit einer ISDN-Kapazität als Standard und zunehmenden Breitband-Übertragungswegen, die den schnellen, zeitlich unbegrenzten Zugang von zu Hause oder aus dem Hotel problemlos ermöglichen werden.

Technisch stehe die alte Welt den USA auf dem Sektor E-Learning kaum mehr nach, meint Eilif Trondsen, Direktor des Stanford Research Institute (SRI). Als Leiter des Projektes "Learning on Demand" berät er weltweit Unternehmen bei Planung und Einsatz von E-Learning. Nach seiner Einschätzung sind vor allem Mentalitätsunterschiede für den höheren Verbreitungsgrad in den USA verantwortlich: "Während Amerikaner alles Neue ohne Vorbehalte ausprobieren, erwarten Europäer - und speziell Deutsche - häufig vorher einen Beweis, dass es auch wirklich funktioniert", konstatiert Trondsen.

Wie erfolgreich der Einsatz von E-Lernsystemen sei, entscheiden eine Reihe von Faktoren: Neben nationalen Eigenheiten und Unternehmenskulturen spielten unterschiedliche Typen von Lernenden ebenso eine Rolle wie die mediengerechte didaktische Vermittlung. Zwar lasse sich technisch fast jeder Lernstoff für Online-Systeme aufbereiten - aber nicht alle Themen seien dafür auch inhaltlich geeignet, erklärt der Experte. Trotzdem lägen die Vorteile so eindeutig auf der Hand, dass sich E-Learning auf Dauer auch in Europa durchsetzen werde. Zurzeit arbeiteten viele Unternehmen erfolgreich mit "Hybridseminaren", die die Vorteile von Präsenz-Schulungen und E-Learning verbinden.

*Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.