Achter IT-Trainingskongress in Bonn

E-Learning muss einfach und billig sein

29.11.2002
BONN (am/hk) - Lange wurde die Diskussion über E-Learning unter technischen Gesichtspunkten geführt. Nun erkennen Hersteller und Anwender, dass Motivation der Mitarbeiter, Akzeptanz im Management und Einbindung der Lernlösung in einen Qualifizierungsprozess wichtiger sind als neue Features.

"Keine technischen Innovationen. Immer das Gleiche. Nur heiße Luft." Für manche der 450 Besucher war der 8. IT-Trainingskongress in Bonn eine Enttäuschung. Für die meisten aber rückte die Veranstaltung von Synergie Network, bei der sich auch 36 Bildungsanbieter präsentierten, endlich die wichtigen Fragen in den Mittelpunkt: Die Weiterbildungsangebote sollen auf den konkreten inhaltlichen Bedarf und die Zielgruppe zugeschnitten sein. Die Kosten müssen sich in Grenzen halten, Lernerfolg und Nutzen sollten messbar sein.

Inzwischen werden elektronische Lernmethoden nicht mehr als isolierte Komponente in der Weiterbildung betrachtet, sondern als ein Baustein in einem größeren Qualifizierungskonzept. Die Hersteller haben die Erkenntnis, dass man auf Schulungen im alten Stil nicht verzichten kann, in den neuen Markting-Begriff "Blended Learning" verpackt und bieten entsprechende Lösungen an. Heute kommen Computer- und Web-based Trainings vor allem zum Einsatz, wenn es gilt, den Umgang mit Massenprodukten wie Microsoft Office zu vermitteln sowie traditionelle Kurse vor- oder nachzubereiten.

"Es geht nicht mehr um die Frage, ob wir E-Learning brauchen oder nicht", so Heinz Arzberger, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Comonfour aus Nürnberg. Mit Präsenztraining ließen sich etwa Großgruppen nicht binnen kurzem wirtschaftlich schulen. Arzberger betreute das Training von 8500 Anwendern in einem Energiekonzern, als dieser auf SAP-Standardsoftware umstellte. Die Mitarbeiter lernten via Computer nur die Module, die sie direkt an ihrem Arbeitsplatz benötigten. Wichtig war die Unterstützung durch Mentoren, die den Trainingserfolg sicherten.

Ebenso entscheidend ist die Geschwindigkeit, so die Erfahrung von Gabriele Feldmeier, bei Siemens Business Services für das Thema E-Learning zuständig. In einem ihrer Projekte galt es, weltweit 13000 Vertriebsmitarbeiter auf ein neues Telekommunikationsprodukt zu schulen - und das in drei Monaten. Da sei keine Zeit mehr geblieben, um lange über Fragen wie Lernen am Arbeitsplatz oder zu Hause, multimediale Umsetzung der Inhalte oder Akzeptanz der Anwender zu diskutieren.

Akzeptanz der Anwender

Dabei entscheidet die Akzeptanz der Betroffenen über den Erfolg eines Projekts. Der Reifenhersteller Continental etwa hat via E-Learning seine weltweit 22000 Mitarbeiter in Lotus Notes geschult. Das erste Lernprogramm war nur in englischer Sprache vorhanden, was die Motivation nicht gerade förderte. Also entschied man sich kurzfristig, den Mitarbeitern das Online-Programm in elf weiteren Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Wichtig für die Akzeptanz ist auch die Benutzerfreundlichkeit eines Systems. "In der Regel ist die Schulung weit weg vom beruflichen Alltag", so die Erfahrung des Schering-Weiterbildungsexperten Walter Rauschenberger. Als der Pharmakonzern von Client-Server auf Web-Applikationen umstellte, bastelte der IT-Dienstleister Datango eine Lernhilfe, die in der Software integriert ist: Der Benutzer kann sofort auf Erklärungen zugreifen, ohne sich ein Lernprogramm zum Produkt anzueignen. Rauschenberger nennt das stolz "bedarfsorientierte Just-in-Time-Schulung". Der Nebeneffekt war, dass die Handbücher, mit denen man früher zusätzlich arbeitete und die mit 35 Euro pro Exemplar zu Buche schlugen, jetzt nicht mehr benötigt werden.

Einige Diskussionen auf dem IT-Trainingskongress zeigten aber, dass es nicht immer leicht ist, Mitarbeiter, die seit zehn oder 20 Jahre dieselbe Tätigkeit ausüben, von Neuerungen und der Notwendigkeit des Lernens zu überzeugen. Die Betroffenen sollten darum schon früh informiert, in den Veränderungsprozess eingebunden werden, aber auch klare Zielvorgaben bekommen - so die Ratschläge der Experten.

Freiräume zum Üben schaffen

Die Commerzbank hat es geschafft, die Berührungsängste von 8000 Mitarbeitern im Vorfeld abzubauen, so dass diese gleich am Tag der Freischaltung mit der neuen Vertriebssoftware arbeiten konnten. "Die Mitarbeiter konnten sich mit Hilfe einer Simultion mit der Software vertraut machen und fast alle Geschäftsvorfälle beliebig oft ausprobieren, ohne für den Kunden das Wertpapier wirklich zu kaufen", erläutert Projektleiter Thomas Müller von der Commerzbank. In seinen Augen gehört der Freiraum zum Üben zu den wichtigsten Voraussetzungen, wenn der Wandel gelingen soll.

Über den Erfolg von Weiterbildung entscheidet aber auch das Wohlwollen des Managements. Beim Ingolstädter Autobauer Audi durchliefen insgesamt 42 000 Mitarbeiter eine IT-Qualifizierungsoffensive. Grundgedanke war, IT-Kompetenz von der Bedienung des Intranets über Microsoft Office bis hin zu IT-Strategien zu vermitteln. Zunächst hatten die Mitarbeiter einen Online-Test zu absolvieren und konnten dann ihre Wissenslücken durch ein elektronisches Lernprogramm auffüllen. Die Inhalte richteten sich nach dem Einsatzgebiet des Beschäftigten. Die Manager etwa hatten sich mit IT-Visionen und E-Business auseinander zu setzen. Doch hier entstanden die größten Schwierigkeiten. "Die Führungskräfte glaubten, sie wüssten schon alles, und mussten freundlich aufgefordert werden, den Online-Test selbst zu absolvieren und ihn nicht an die Sekretärin zu delegieren", gab Klaus Mühleck, Chief Information Officer von Audi, zu. In seinen Augen war es für die Motivation der Mitarbeiter entscheidend, dass auch die oberste Führungsriege die Tests absolvierte und mit gutem Beispiel voranging.

Zündstoff bietet das Thema E-Learning auch in rechtlicher Hinsicht. So wies Rechtsanwalt Stefan Nägele von PricewaterhouseCoopers Veltins darauf hin, dass Firmen die Arbeitnehmer nicht verpflichten dürfen, zu Hause oder rundum die Uhr zu lernen. Damit verstoßen sie gegen das Arbeitszeitgesetz, das eine Obergrenze von zehn Stunden pro Tag festlegt, oder gegen das Sonn- und Feiertagsgesetz. "Auch wenn die Mitarbeiter gegen diese Regelungen verstoßen, ist es der Arbeitgeber, der mit einem Bußgeld oder auch einer Freiheitsstrafe belegt werden kann", warnte Nägele. In vielen Firmen gebe es noch keine Betriebsvereinbarung zu E-Learning. Bert Gochermann von der Deutschen Bank räumte ein, dass separate Räume gestellt werden müssen, um ungestörtes Lernen zu ermöglichen. In der Deutschen Bank findet E-Learning nur während der Arbeitszeit statt.

Online-Diskussion

Die Diskussionen und Roundtable-Veranstaltungen auf dem IT-Trainingskongress behandelten eine große Bandbreite von Themen: Ob nun Stolpersteine bei Qualifizierungs-Rollouts, die Umsetzung des neuen IT-Weiterbildungssystems oder die Frage, was E-Learning dazu beitragen kann, um Unternehmensziele zu erreichen. Wichtige Themen waren zudem Blended Learning und die IT-Ausbildung. Anders als bei vielen Kongressen wurde in Bonn tatsächlich diskutiert, nicht nur von den Podiumsteilnehmern, sondern zusammen mit den Besuchern. Da die Zeit aber oft begrenzt war und sich viele Teilnehmer einen weiteren Austausch wünschten, bietet die CW ab 28. November ein Online-Forum zum Thema "Learning" an. Unter www.computerwoche.de können Sie Ihre Erfahrungen, Anregungen und Fragen zum Thema Weiterbildung, E-Learning und IT-Ausbildung loswerden. Interessante Hinweise wird die CW-Redaktion aufgreifen, um auf dieser Basis neue Artikel zu recherchieren.