Kein Stellenzuwachs durch Internet-Handel

E-Commerce enttäuscht Joberwartungen

17.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Vor einem Jahr rechneten die Experten mit einem riesigen Stellenzuwachs durch virtuelle Märkte. Inzwischen ist Ernüchterung eingetreten: Unterm Strich sind keine neuen Jobs entstanden. Dennoch fällt die mittelfristige Prognose der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg zuversichtlich aus.

E-Commerce sollte Tausende neuer Arbeitsplätze schaffen. So jedenfalls die Erwartung der Experten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Sie sagten noch letztes Jahr voraus, dass bis 2010 zwischen 440000 und 1,15 Millionen neue Jobs durch die Verbreitung des Internet-Handels in Unternehmen und Privathaushalten entstehen werden. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt: Gerhard Fuchs, Wissenschaftler an der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, diagnostiziert einen gegenwärtigen Stellenzuwachs durch E-Commerce von null Prozent. Im B-to-B-Bereich sind laut Fuchs zwar neue Jobs entstanden, an anderer Stelle wie im Vertrieb sind dafür Positionen weggefallen. Es handelt sich nur um einen Ab- und Umbau von Arbeitsplätzen.

Staat soll Pilotprojekte fördernPositive Beschäftigungseffekte lassen sich aber nur erzielen, wenn Unternehmen und Privathaushalte das Internet nicht nur für Firmendarstellungen und Informationsrecherche nutzen, sondern auch für Transaktionen. Hier ist der Staat gefordert, meint Arnold Picot, Professor für Betriebswirtschaft an der Universität München. Er müsse Pilotprojekte fördern und so den Firmen Anreize geben, auf E-Commerce umzustellen. So sollten Ausschreibungen und Auftragsvergabe nur auf elektronischem Wege erfolgen.

E-Government wiederum könnte helfen, Transaktionen via Inter-net beim Verbraucher beliebter zu machen, ergänzt Fuchs. Wenn sich Meldeangelegenheiten einfach und schnell über das Web erledigen ließen, fördere das auch die Bereitschaft zu E-Commerce.

Wären die Zahlungssysteme im Internet standardisiert und damit einfacher zu benutzen, könnten Kunden und Unternehmen E-Commerce ebenfalls leichter akzeptieren. Mittelfristig sei dann auch mit mehr Stellen zu rechnen, so die verhalten optimistische Prognose von Fuchs. Denn in der zögerlichen Umsetzung liegt auch eine Chance: Die Rationalisierungen, die mit der hastigen Einführung des elektronischen Warenverkehrs einhergingen, bleiben dann aus. Stattdessen erwartet der Wissenschaftler mittel- bis langfristig positive Effekte für den Arbeitsmarkt.