Diebold-Management-Konferenz: Was kommt nach dem Jahr 2000?

E-Business: IT-Manager müssen durchstarten

14.01.2000
FRANKFURT/M. (gh) - Nachdem das Jahr-2000-Problem abgehakt ist, können IT-Manager ihre eigentliche Arbeit wieder aufnehmen: Trends wie Supply-Chain-Management (SCM) und Application-Service-Providing (ASP) stehen ante portas - und natürlich das Thema E-Business. Zeit zum Durchschnaufen gibt es nicht.

Zwar haben viele DV-Leiter mit der offensichtlich erfolgreichen Umschiffung der Millenniums-Klippe den "Ritterschlag" erhalten - doch das ist Schnee von gestern. Nach den vermeintlich großen Herausforderungen müssen sich die IT-Verantwortlichen wieder dem Alltag widmen: die IT für den Geschäftseinsatz zu optimieren. Die Frage, welche Prioritäten dabei gesetzt werden sollten, stand Ende vergangenen Jahres im Mittelpunkt einer Diebold-Konferenz "Strategisches IT-Management". In den Vorträgen der Technologieberater kamen zwei Dinge klar zum Ausdruck. Als übergeordnete Trends dürften in den kommenden Jahren die Themen SCM und ASP im Vordergrund stehen. Neue Lösungen und Anwendungsszenarien wie die eben genannten sind zudem in einen Prozess eingebettet, der die IT-Strategie nahezu aller Unternehmen durchdringt: die Herstellung der E-Business-Fähigkeit. Aus dem eingangs formulierten Postulat "Die IT für den Geschäftseinsatz optimieren" wird deshalb ein völlig anderes Anforderungsprofil abgeleitet werden müssen. Die IT-Verantwortlichen stehen in der Zukunft vermehrt in der Pflicht, dem Topmanagement durch intelligenten Einsatz von IT neue Geschäftsfelder aufzuzeigen.

Dazu ist jedoch in jeder Hinsicht der große "strategische Wurf" nötig. Ulrich Sempf, Diebold-Partner und Mitglied der Geschäftsführung, machte dies am Beispiel von SCM deutlich. Einschlägige Produkte, die zum Einsatz kommen, fristen momentan - wenn überhaupt - nur ein Dasein als Insellösung, würden lediglich "als Tool eingesetzt und begriffen".

Dies hänge, so der Berater, nicht nur mit der Situation auf der Herstellerseite zusammen, wo längst Spezialisten wie I2 Technologies und Manugistics den etablierten ERP-Anbietern davongeeilt seien, so dass sich eine Lösung aus einer Hand für das Back-Office oft nicht anbiete. Wobei Back-Office eigentlich der falsche Begriff ist. Die IT-Verantwortlichen müssten, so Sempf, beispielsweise die Features, die eine SCM-Lösung beinhalte, dazu nutzen, endlich konsequent über "das Management der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens " nachzudenken.

Mit anderen Worten: Neben der Steuerung unternehmensinterner Prozesse (Kosten-, Leistungs-, Prozess- und Ressourcen-Management) müsse die IT unternehmensübergreifend agieren - sich um die jeweiligen "Beschaffungs- und Absatzmärkte" kümmern, wie Sempf es formulierte. Beispiele hierfür lägen auf der Hand, etwa der Eingriff in die Lagerdisposition/Logistik der Händler und Zulieferer oder die Produktionssteuerung durch täglich am Point of Sale ermittelte Verkaufsdaten. In vielen Fällen sei dies aber noch graue Theorie; nur in vereinzelten Branchen wie der Automobilindustrie greife das Management der gesamten Wertschöpfungskette, wo der Zulieferer ein Teilsystem direkt beim Hersteller just in time montiert.

Semps Beraterkollege Dieter Sinn unterstrich in diesem Zusammenhang die Erfordernis für das IT-Management, bei allem notwendigen Blick auf das Ganze mehr Flexibilität walten zu lassen. Die Steuerung aller Prozesse im Unternehmen (und außerhalb) mit einer durchgängigen ERP-Software gestalte sich schwieriger, die Lösungen würden unbeweglicher - Anbieter wie Anwender seien mit der Komplexität überfordert. Immer mehr Spezialfunktionen - SCM, Procurement, Customer-Relationship-Management (CRM) - würden besser durch Software eines zweiten oder dritten Herstellers abgedeckt. Die Konsequenzen, die sich für das IT-Departement daraus ergeben, sind nach Ansicht des Diebold-Consultants klar: Mehr denn je müsse an einer Modularisierung unternehmenskritischer Anwendungen gearbeitet werden; Schnittstellen müssen definiert, intelligente Middleware eingeführt werden. Generell sei der Vorgabe von technischen und logischen Schnittstellen "mehr Priorität einzuräumen als Konzernbeschlüssen für eine unternehmensweit einheitliche Softwarelandschaft". Für die Organisation des eigenen IT-Shops bedeute dies: Anpassung an die neue (flexible) IT-Struktur sowie gegebenenfalls die Inanspruchnahme neuer Formen des Outsourcings - beispielsweise ASP.

Apropos ASP: Die Antriebskräfte für das Vermieten von Anwendungen und Programmfunktionalität sowie deren zentralen Betrieb und Pflege durch einen externen Dienstleister sind klar. Der Aufwand für die Wartung von Programmen steigt dank zunehmender Funktionalität kontinuierlich, hinzu kommen immer kürzere Lebenszyklen sowie die hinlänglich bekannten Personalenpässe bei den Anwendern. Gleichtzeitig nimmt das verteilte, mobile Arbeiten auch in großen Organisationen zu. Dennoch ist das Thema ASP nach Ansicht von Sinn kein Allheilmittel. Derzeit sei das ASP-Geschäft "extrem anbietergetrieben". Vielen der Dienstleistungen fehle es an der "nötigen Marktreife". Auch im Hinblick auf die eigene IT-Organisation könne der Schuss nach hinten losgehen. Mit ASP entstehe eine "Software- und Servicewelt, für die Netzcomputer, Internet-Devices und Rezentralisierung eine notwendige Voraussetzung sind". In Wahrheit seien aber weder die klassischen ERP-Systeme noch die übliche PC-Software oder Rechenzentrumslösungen "auf diesen Trend gut vorbereitet".

Viele Hausaufgaben warten also auf das IT-Management. Neben Bereichen wie SCM und der damit verbundenen Modernisierung traditioneller ERP-Systeme läßt sich nach Meinung von Sinn das Pflichtenheft noch um Aspekte wie Groupware, Dokumenten-Management-Systeme, Content-Management-Tools oder Search-Engines ergänzen. So nutzten zwar die meisten Firmen schon Intranets für das Wissens-Management, gleichzeitig fehle es jedoch an intelligenten Produkten, um die benötigten Informationen auch abzurufen. Der Diebold-Berater griff noch ein anderes plakatives Beispiel heraus. Oft sei es besser, statt über die Technik über die Schaffung einer entsprechenden "Wissenskultur" in ein Projekt einzusteigen. Was nützt es, so Sinn, "wenn mit einer CRM-Lösung zwar alle Prozesse in Marketing, Vertrieb und Kundenbetreuung durchgängig mit IT unterstützt werden, deren Einführung aber unternehmerisch nicht vorbereitet wird?"

Eine Frage, die natürlich für das übergreifende Thema E-Business um so mehr gilt. Wenn, wie es auf der Konferenz hieß, im Internet-Zeitalter je nach Branche ganze Geschäftsprozesse entfallen beziehungsweise geändert werden müssen, könnten sich auch die Beurteilungskriterien für das IT-Management ändern. Diebold-Berater Dieter Böhm brachte es auf den Punkt: "Die IT-Professionals werden in Zukunft daran gemessen werden, ob sie die gesamte neue Wertschöpfungskette des Unternehmens in der IT abgebildet haben - nicht daran, ob sie in einzelnen Bereichen Spitze sind oder eine spezielle Applikation besonders gut entwickelt haben." Als verhängnisvoll dürfte es sich deshalb erweisen, wenn das IT-Department zuletzt eine zu kurzsichtige Strategie verfolgt hat - besser gesagt: das Jahr-2000-Projekt und die ersten Gehversuche im E-Business nicht dazu genutzt hat, eine Reorganisation der Geschäftsabläufe anzumahnen. Dann habe man, so der Diebold-Experte, unter Umständen "Millionen ausgegeben, nur um Jahr-2000- und Euro-fähig zu sein".