Streaming Media/Streaming auf Basis von MPEG 4

DVD-Qualität über das Netz

21.06.2002
Mit MPEG 4 steht seit kurzem ein leistungsfähiger Videostandard zur Verfügung, der für Video on Demand, PC-Conferencing, Digital-TV oder auch in Überwachungssystemen einsetzbar ist. Unterstützt durch eine neue Server-Generation gewährleistet die Technik hohe Performance und Verfügbarkeit. Von Uwe Walther*

Multimedia im Internet wurde in den vergangenen Jahren durch zwei Faktoren gehemmt: die mangelnde Verfügbarkeit ausreichender Bandbreiten und eine wenig effiziente Kompressions- und Streaming-Technik. Durch die weite Verbreitung von ADSL-Anschlüssen, die Einführung des UMTS-Standards und aufgrund IP-fähiger Kabel- und Stromanschlüsse ist in Deutschland seit einigen Monaten eine ausreichend breitbandige Infrastruktur verfügbar, um die neue Technik zu nutzen. Aber erst die Durchsetzung einer effizienten und standardisierten Übertragungstechnik erschließt die möglichen Anwendungsgebiete. Mit MPEG 4 steht nun ein ausgereifter und akzeptierter Standard bereit. Der Nachfolger von MPEG 2 ist dabei kein eigenes Format oder eine komplette Architektur. Vielmehr handelt es sich um einen Codec, der digitale Videoaufzeichnungen mit Mehrkanalton komprimiert.

Multimedia-Dateien effizient komprimiert

Ursprünglich war MPEG 4 für Platz sparendes Speichern von Multimedia-Daten gedacht. Heute hat es sich zur Plattform für vielfältige Einsatzgebiete entwickelt. Besonders für Streaming-Anwendungen ist die Technik interessant. Durch die effiziente Kompression sinkt das Volumen großer Multimedia-Dateien erheblich, und ein Stream kann während des Downloads ohne Zeitverzögerung abgespielt werden. Vorteile sind die gute Audio- und Videoqualität bei niedrigem Bandbreitenbedarf. Ein Videofilm lässt sich jetzt problemlos als Stream in TV-Qualität über die vorhandenen Breitbandzugänge übertragen. Neben Video on Demand (VoD) bieten sich vielfältige andere Einsatzmöglichkeiten - von Live Broadcasting über PC-Conferencing bis hin zu E-Learning, Überwachungssystemen und Digital-Fernsehen.

MPEG 4 ist ein von der Motion Joint Picture Expert Group (MJPEG) entwickelter, offener Standard, für den plattformübergreifende Decoder-Software (Windows, Linux, Mac OS, Unix) zur Verfügung steht, die im Allgemeinen nur geringe Anforderungen an die Hardware stellt. Der Codec kann auch in Streaming-Lösungen wie WMP von Microsoft, Real Player oder das bekannte Div X integriert werden, deren spezifische Routinen allerdings in proprietären Formaten speichern und deshalb nicht kompatibel sind.

Grundsätzlich ist jedes MPEG-Kompressionsverfahren verlustbehaftet - so zum Beispiel auch JPEG. Es nutzt Interframe Coding, das auf temporären Redundanzen beruht. Das bedeutet, dass sich aufeinander folgende Bilder in Videosequenzen, also Frames, nur wenig unterscheiden. Die Kompressionsalgorithmen legen Referenzbilder zu Grunde (Master- oder I-Frames), die vollständig übertragen werden. Im jeweils folgenden P-Frame sind nur die Differenzen zum vorherigen Bild enthalten, woraus ein neues Bild zusammengesetzt wird. Um den Speicherbedarf weiter zu senken, wird zwischen beide Bilder noch ein B-Frame geschoben, der aus vorangegangenem und folgendem Bild interpoliert wird.

Objektorientierung bei Bild und Ton

Neu bei MPEG 4 ist die konsequente objektorientierte Verarbeitung. Objekte im Bild werden isoliert und nur deren Veränderung beziehungsweise Bewegung übertragen. Auch ein gleichbleibender Hintergrund wird nicht aufwändig immer wieder übermittelt, sondern nur Abweichungen vom Ursprungsbild. Um optimal auf unterschiedliche Objektanforderungen eingehen zu können, sind in der MPEG-4-Spezifikation verschiedene Typen und Profile definiert, die sich flexibel je nach Aufgabe einsetzen lassen. Die Objektorientierung umfasst auch die Audiowiedergabe. Klänge können dabei sowohl unkomprimiert abgespielt werden als auch durch virtuelle Instrumente, die Audiodaten wie nach Noten spielen. Eine Kombination beider Typen garantiert eine Tonqualität, die nahezu an die von Audio-Stereo-CDs heranreicht.

Offen für Weiterentwicklungen

Ein ganz entscheidender Vorteil der MPEG-4-Architektur ist ihre Offenheit für Weiterentwicklungen. Da der Standard nur die Funktionalität der Decoder definiert, sind diese grundsätzlich in der Lage, auch die Streams verbesserter Kompressions-Codecs wiederzugeben - sofern diese standardkonform sind. Neue Leistungsmaßstäbe setzt der MPEG 4 Advanced Simple Profile (ASP) Codec, der auch von der Internet Streaming Media Alliance (ISMA), dem Standardisierungskomitee für Streaming-Dienste, als Kompressionsstandard anerkannt ist. Er zeichnet sich durch eine sehr effiziente Kodierungs-Performance aus. In der Praxis reduziert er bei gleichbleibender Bildqualität den Bandbreitenbedarf eines MPEG-2-Streams, der zwischen 4 und 6 Mbit/s liegt, auf nur 1,2 bis 1,5 Mbit/s. Das entspricht einer Steigerung der Kompressionsrate etwa um den Faktor vier. Motion Detection und eine Encoding-Kontrolle gewährleisten die hohe Qualität und Performance mit einer maximalen Verzögerung von 200 Millisekunden. Sie entsprechen damit den Anforderungen von komplexen PC-Conferencing-Systemen.

Um MPEG-4-Streaming-Lösungen effizient in Unternehmen zu implementieren, müssen die vorhandenen IT-Infrastrukturen und die Eigenheiten von Streaming-Software bei Neuanschaffungen berücksichtigt werden. MPEG-4-basierende Anwendungen können je nach Anwendungsfall trotz der hohen Kompressionsrate eine extreme Datenlast innerhalb der Netzwerke erzeugen. Daher sollten sie sich vor allem in bereits bestehende Storage-Strukturen einbinden lassen. Storage-Attached-Network-(SAN-) Lösungen lassen sich gut mit einer Streaming-Infrastruktur kombinieren und sind leicht erweiterbar, da sie eine hohe Bandbreite, sehr hohe Verfügbarkeit sowie ein effizientes Daten- und Kapazitäts-Management bieten. So bleiben die notwendigen Investitionen, die sich größtenteils auf die reine Streaming-Server-Umgebung beschränken, überschaubar.

Skalierbar und zuverlässig

Integrationsfähigkeit ist die eine Seite, die Ausbaufähigkeit eine andere. Streaming-Server sollten leicht erweiterbar sein, da mit steigender Akzeptanz und Nachfrage auch die Leistungsfähigkeit der Systeme wachsen muss. Empfehlenswert ist ein Streaming-System aus vielen parallelen Servern, da es durch Hinzufügen weiterer Einheiten nicht nur flexibel skalierbar, sondern auch ausfallsicher ist. Fehlerhafte Komponenten lassen sich auswechseln, ohne das gesamte System zu beeinträchtigen. Load Balancing durch Service-Gateways verteilt die Storage- und CPU-Last gleichmäßig auf die einzelnen Subsysteme. So ist eine gleichmäßige Verteilung der angeforderten Video-Streams gewährleistet. Ein paralleles Video-File-System erlaubt Content Sharing, damit verschiedene Server gleichzeitig auf ein und dieselbe Datei zugreifen können. Besonders VoD-Dienste profitieren von solch einem File-System, da eine bestimmte Videodatei in geringen zeitlichen Abständen mehrfach angefragt werden kann.

Um eine zuverlässige Content-Distribution zu gewährleisten, die zugleich die Netzkosten gering hält, muss die Last im zentralen Netzwerk so gering wie möglich gehalten werden. Ende der 90er Jahre wurden daher von großen Providern geschlossene Breitbandnetze errichtet: die Content Delivery Networks (CDN). Im Vergleich zu aktuellen Internet-Lösungen sind diese aber verhältnismäßig teuer.

Lokale Spiegel-Server

Eine kostengünstige und zentral zu administrierende Alternative stellen Distributed-VoD-Systeme dar, die sich leicht in jedes Datennetz integrieren lassen. Sie bestehen aus einem zentralen VoD-Server und lokalen Servern, deren Inhalte automatisch und zentralisiert abgeglichen werden. Das reduziert den Network Traffic, da die lokalen Spiegel-Server vor Ort die Streams bereithalten, ohne das gesamte Netz zu belasten - sie bedienen also Anfragen gezielt "vom Rande" des Internet. Dennoch ist das Verfahren durch eine einheitliche URL transparent. Der optimale Server, also der schnellste und am besten zu erreichende, wird aus der Netzverbindung und -last dynamisch ermittelt.

Broadcasting- oder Überwachungsdienste erfordern dagegen einen Datenfluss, der live und zum gleichen Zeitpunkt mehrfach an viele verschiedene Punkte übertragen wird. Eine erhebliche Netzwerklast ist die Folge. Ein Streaming-Server und die Netzinfrastruktur sollten daher Multicast-fähig sein. Das heißt, dass der Server nicht mehr alle Anfragen einzeln bedient. Vielmehr sendet er einen Multicast-Stream einmal aus, der bei Bedarf von speziellen Routern in Subnetze und an die anfragenden Clients weitergeleitet wird. Über Multicast lassen sich Live-Übertragungen ressourcenschonend im Internet realisieren.

Integrierte Content-Management-Funktionen eines Server-Systems ergänzen die performante Verteilung des Video-Streams. Sie gewährleisten die einfache Verwaltung von Formaten, Copyright-Informationen, Zugriffsrechten und -häufigkeiten sowie Gebührenabrechnungen - und das für jeden Content Provider.

Server, die im Idealfall alle anfallenden Aufgaben des Video-Streamings übernehmen können, reduzieren den Administrationsaufwand erheblich. Nicht kompatible Schnittstellen entfallen, da die unterschiedlichen Dienste in der Server-Lösung eines Herstellers durch Cross-Verknüpfungen implementiert werden. Die einzelnen Komponenten können aufeinander abgestimmt werden, und eine einheitliche Benutzeroberfläche vereinfacht die täglichen Routinearbeiten. (ue)

*Uwe Walther arbeitet im Bereich Product Marketing und Business Development der Comparex Informationssysteme GmbH in Mannheim (uwe.walther@comparex.de).

Angeklickt

Die Debatte um die optimale Streaming-Technologie ist voll entbrannt. Lizenzgebühren werden ebenso diskutiert wie die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Hersteller und Plattformen. Der große Vorteil MPEG-4-basierender Lösungen ist davon unabhängig: Die Technik ist ausgereift, durch die Offenheit für mögliche Verbesserungen der Codecs garantiert zukunftsfähig und bereits verfügbar. Dank leistungsfähiger Server und breitbandiger Internet-Zugänge sind neue Nutzungsmöglichkeiten wie Digitalfernsehen (DVB) vorhanden.

Glossar

ADSL: Asymetric Digital Subscriber Line - breitbandiger Internet-Zugang über herkömmliches Kupfertelefonkabel für Empfangsgeschwindigkeiten von bis zu 9Mbit/s.

ASP: Advanced Simple Profile - MPEG-4-konformer Codec für Videoausstrahlung über das Internet.

Codec: Compression-Decompression - Algorithmen zur Kompression und Dekompression von Multimedia-Daten.

DVB: Digital Video Broadcasting - Standard für das Digital-Fernsehen.

JPEG: Joint Photographic Experts Group - verlustbehaftetes Komprimierungsverfahren und -format für Bilder.

MPEG: Motion Joint Picture Expert Group - verlustbehaftetes Komprimierungsverfahren für Multimedia-Dateien.

Multicast: Gleichzeitiges Senden von Daten an mehrere Ziele.

Stream: Gleichmäßiger Datenfluss großer Multimedia-Dateien, die schon während des Downloads abgespielt werden können.

UMTS: Universal Mobil Telecommunications System - leistungsfähiger Mobilfunkstandard für Multimedia-Dienste.