DV-Verträge aus der Praxis für die Praxis

24.11.1978

II. 3 Werkvertrag Programmerstellung

Das Muster geht davon aus, daß der AG sein System EDV-technisch kennt und selber programmieren kann! Dafür zieht er bei Bedarf einen AN wegen besonderer Kenntnisse oder als Kapazitätsergänzung hinzu. Das Muster ist daraufhin ausgerichtet, daß das Zusammenwirken beider Vertragsparteien keine besonderen Probleme aufwirft: Die Vorgaben des AG liegen vor; es wird weitgehend beim AG gearbeitet und getestet.

Gegenstand des Werks können nicht nur neuerstellte Programme, sondern auch alle anderen Programmierleistungen sein, wenn sie nur zu einem klar definierbaren Ergebnis führen.

Das Werk kann mehrere Stufen im Systementstehungsgang umfassen, also zum Beispiel alles vom Systemkonzept an bis zu den fertigen Programmen. Umfaßt der Auftrag mehrere Stufen, sollte ein Einschnitt (oder mehrere) vereinbart werden, in dem der AG bestimmte Zwischenergebnisse überprüft, zum Beispiel die kodierfähige Programmvorgabe. Vielfach fassen AG mehrere Stufen in einem Vertrag mit der Begründung zusammen, daß derjenige AN, der die erste Stufe erarbeitet, die besten Kenntnisse für die nächsten Stufen hat. Nach meinen Erfahrungen sollte der AG eher anders herum anstreben, die Leistung auf mehrere Verträge aufzuteilen. Der erste AN muß dann auf der nächsten Stufe mit anderen Anbietern konkurrieren; das kann sich positiv auf die Preise auswirken. Bekommt ein anderer AN den Folgeauftrag, so kann er die Arbeit des ersten überprüfen und aus dessen und seinen Vorstellungen ein noch besseres Konzept entwickeln. Wenn der erste AN sauber gearbeitet, insbesondere dokumentiert hat, braucht der zweite AN nicht viel Zeit fürs Einarbeiten. Es muß nur (!) definiert werden, was der erste AN abzuliefern hat.

Im Interesse der Gesamtwirtschaftlichkeit der Programmerstellung liege ein guter Programmentwurf; Österle fordert im Gast-Kommentar der COMPUTERWOCHE vom 13. Oktober 1978 deswegen daß der Programmentwurf eine eigene Phase der Programmentwicklung bilden solle, um seiner Bedeutung gerecht zu werden. Das läßt sich durch die hier vorgeschlagene Aufteilung erreichen.

Die Vertragsbedingungen regeln einige typische Nebenpflichten. Ansonsten sind sie kurz gehalten Sie weisen auch nicht - wie sonst häufig - für einzelne Punkte darauf hin, daß Einzelheiten in der LB zu regeln sind. Dafür ist eine Checkliste vorgesehen, die einigermaßen umfassend darauf hinweist, was im Einzelfall in der LB behandelt werden sollte.

Dem Muster liegt einer der ersten Entwürfe der Besonderen Vertragsbedingungen der öffentlichen Hand für die Erstellung von Programmen zugrunde. Es ist allerdings im Laufe der Zeit bis zur Unkenntlichkeit überarbeitet worden, nämlich gekürzt und flexibler gestaltet worden.

Vorhergehende Fassungen des Musters sind in zahlreichen Verträgen mit Softwarehäusern und mit einigen Systemherstellern erprobt. Jene Fassungen waren deutlich günstiger für den AG als diese, die ganz auf Ausgewogenheit ausgerichtet ist. Die Regelung, daß das Nutzungsrecht an den Ergebnissen ausschließlich beim AG liegt (° 8), wirkte sich allerdings für den AN weniger einschneidend aus, weil die öffentliche Hand AG war und deren Aufgabenstellungen sich kaum für andere AG verwerten ließen.

Vertragsvorbereitung

Hier wird selten genug getan. Oft scheuen Mitarbeiter den Aufwand ("Dann kann ich das ja auch selber machen. Aber ich habe doch keine Zeit dafür."). Der Aufwand lohnt sich fast immer. In anderen Beschaffungsbereichen gibt es die Faustregel: Die Projektvorbereitung darf und soll x Prozent des Auftragswerts kosten (wobei x in der Gegend von S angesiedelt wird).

Der erste Schritt umfaßt die Erstellung der LB. Die Aufgabenstellung sollte auf einheitlichem Niveau abschließend detailliert werden also eine bestimmmte Stufe im Systementstehungsgang abschließen. Leider hat man sich noch nicht auf einen einheitlichen Systementstehungsgang geeinigt, was die Begriffe angeht.

Weiterhin gehört zum ersten Schritt, die Form der Vergütung festzulegen: Festpreis oder Abrechnung nach Aufwand oder eine andere Form. Sie hängt zum einen von der Kalkulierbarkeit des Auftrags ab Ein Festpreis ist sachlich nur vertretbar, wenn die Aufgabe klar genug bestimmt ist und sich der Aufwand für die einzelnen Teilaufgaben abschätzen läßt (auch bei einer hervorragenden. Vorgabe braucht der Aufwand nicht abschätzbar sein). Zum anderen kommt es auf die Erfahrungen des AG an, insbesondere auch auf die mit dem AN. Manche AG ziehen ohnehin Dienstverträge vor, manche vereinbaren lieber Werkverträge mit Abrechnung nach Aufwand (sie wissen, daß ihr AN gut und schnell arbeitet), manche wünschen Festpreise (lieber Risikozuschlag, aber Klarheit). Auf jeden Fall sollte derjenige, der die LB erstellt hat, den Aufwand genauso detailliert kalkulieren, wie das vom AN in seinem Angebot erwartet wird.

Schließlich sollten die LB und die Vorkalkulation vom AG aus der Sicht eines Anbieters überprüft werden. Dafür kann ein Pseudoanbieter beauftragt werden, ein Pseudoangebot abzugeben. Pseudoanbieter kann ein anderer Mitarbeiter oder ein Softwarehaus sein (eines zum Beispiel, zu dem geschäftliche Beziehungen bestehen, das aber dieses Mal nicht am Auftrag beteiligt werden soll). Dieser Pseudoanbieter bespricht dann sein Angebot mit dem Ersteller der LB. Das deckt Lücken und Unklarheiten in der LB auf. Der Ersteller sollte verpflichtet sein, seine Vorkalkulation mit der des Pseudoanbieters abzustimmen.

Der zweite Schritt ist die Suche nach dem günstigsten Angebot. Dazu lohnt es sich, Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern zu veranstalten. Die LB wird nach der Überarbeitung an mögliche Anbieter mit der Aufforderung geschickt, ein Angebot abzugeben. Der Bieter kann aufgefordert werden, seine Angaben an in der LB bezeichneten Stellen zu machen oder in seinem Angebotschreiben auf diejenigen Punkte einzugehen, die Angaben erfordern. Sind bei Vertragsschluß keine Änderungen nötig, kann der Vertrag ohne Aufwand dadurch geschlossen werden, daß der AG das Angebot annimmt, also schreibt: "Ich nehme das Angebot an."

Die eingegangenen Angebote werden am vorausbestimmten Terminen eröffnet und Bewertet. Das verlangt einen Kriterienkatalog; dieser sollte vor (!) der Eröffnung erstellt worden sein.

Als wichtigste Kriterien bieten sich im Regelfall an:

- Geforderte Vergütung

- Qualität der Kalkulation: Ist die geschätzte Aufwand plausibel? kann der AG nur insoweit überprüfen und damit die Angebote vergleichen, wie die Anbieter angehalten worden sind, ihre Kalkulation aufzugliedern und zu erläutern.

- Termine

- Besondere EDV-Kenntnisse der angebotenen Mitarbeiter

- Besondere Fachkenntnisse der angebotenen Mitarbeiter.

Die Bewertung kann mit der in der EDV so beliebten Multifaktorenanalyse (auch unter vielen anderen Namen bekannt) durchgeführt werden. Wird die geforderte Vergütung nicht als Kriterium genommen, kann man das Ergebnis der Bewertung auch durch die Vergütung teilen und erhält das Preis-/Leistungsverhältnis als Maßzahl. Wie auch immer: Die Multifaktorenanalyse soll die Entscheidung nicht herbeiführen (ersetzen), sondern die Entscheidungsfindung erleichtern und nachvollziehbar machen.

Der AG ist rechtlich nicht gehindert; mit den Anbietern zu verhandeln. Oft ist es erforderlich, Unklarheiten zu beseitigen oder Alternativen zu erörtern. Der AG sollte dabei nicht versuchen, den Preis zu drücken, weil sich das meist rächt. Denn der Wettbewerb hat schon genügend Luft aus den Preisen gelassen; der Rest ist nötig, damit der AN nicht kurzatmig wird (auch kleinere Änderungswünsche während der Durchführung kosten dann Geld und so weiter). Ein Beispiel für viele findet sich im Anwenderbericht in der COMPUTERWOCHE vom 8. September 1978: "Holperiger Weg" zur eigenen Datenverarbeitung.

*Dr Christoph Zahrnt, Rechtsanwalt in Heidelberg