DV-Verkäufer - Schlitzohr oder Supermann?

20.05.1988

Walter R. Kaiser Leiter Vertrieb Deutschland Benzing Zeit + Datentechnik GmbH Schwenningen

Ein großer DV-Hersteller stellte zu Beginn einer Reihe von gleichen Kurzseminaren den Teilnehmern die Frage: Sind Computerverkäufer Fallensteller? Die Teilnehmer sollten Punkte auf eine Skala kleben. "Ja" und "Nein" waren die Extremwerte. Die Diskussion des kollektiven Urteils brachte

Interessantes zutage: Einige Teilnehmer sahen in den Verkäufern totale Schlitzohren, die nichts anderes im Sinne hätten, als möglichst rasch Hard- oder Software loszuwerden und eine schnelle Mark zu

machen. Kundenbedürfnisse würden dabei kaum beachtet werden. Mit allen Mitteln der Manipulation, Angstmache und Verunsicherung steuere der Verkäufer dieses Ziel an.

Die Frage nach den Fallenstellern war verknüpft mit einer nach konkreten Erfahrungen. Dabei stellte sich heraus daß die Beurteilungen um so schlechter waren, je weniger konkrete Erfahrungen ein Teilnehmer mit DV-Verkäufern hatte. Allerdings gab es auch Fälle, in denen praktische Erfahrung zum negativen Urteil geführt hatte. Kann man das Urteil derjenigen vernachlässigen, die lediglich ihre negativen Vermutungen geäußert haben? Liegt es an der Branche, den Verkäufern oder vielleicht auch an den Kunden selbst?

Viele Verkäufer haben im DV-Boom Lorbeeren geerntet. Die Verunsicherung der Kunden war groß, die Konkurrenz klein und überschaubar, Interessenten gab es genug. Kunden, besonders Neukunden, haben sich an die Verkäufer wie an einen rettenden Strohhalm geklammert. Aus den Lippen des Abgesandten göttergleicher Unternehmen strömten geheimnisvolle Worte. Orakel wie Bits, Bytes, virtuell, Multitasking, Multiprozessing, Performance, online und batch wollten gedeutet werden. Mancher Kunde schämte sich, sein Unwissen einzugestehen. Es wurde feste im Fachkauderwelsch mitgemischt. Der Interessent bestellte pralle Trauben und bekam trockene Korinthen. Nicht immer - zugegebenermaßen - aber oft genug.

Die Zeiten wandeln sich. Junge, dynamische Unternehmen konnten den etablierten Konzernen in vielen Bereichen erfolgreich das Wasser abgraben.

Aus manchen Adlern der Anfangszeit wurden australische Emus, zwar immer noch Vögel, aber unfähig zu fliegen. Solche Erfahrungen wirken nach. Hinzu kommt der "Hermes-Komplex", mit dem Verkäufer generell zu kämpfen haben, besonders in Deutschland. Hermes, der griechische Gott, Sohn des Zeus und der Maia, Götterbote, Seelengeleiter, Gott der Wanderer, Kaufleute - und der Diebe. Im Mittelalter waren die Kaufleute bekanntlich die Pfeffersäcke und hatten ein miserables "Imitsch".

Tut man damit den heutigen Verkäufern besonders denen im DV-Umfeld nicht unrecht? Was kann ein qualifizierter VB dazu, wenn sein Ruf versaut ist, bevor er einen Schritt über die Kundenschwelle getan hat? Hat er überhaupt eine Chance, aus dem Kreis der Vorurteile auszubrechen? - Er hat! Ein mündiger Verkäufer braucht dazu aber auch einen mündigen Interessenten. Mancher Kunde, der sich über schlechte Beratung beschwert, muß sich an die eigene Brust klopfen. Auch er trägt einen Teil der Verantwortung, daß ein Gespräch mit dem Verkäufer nicht wie eine studentische Mensur endet - mit Narben im Gesicht. Verkäufer und Kunde müssen zu einem erfolgreichen Gespräch gemeinsam ihren Beitrag leisten.

Es kommt immer wieder vor, daß Verkäufer einen Gesprächstermin wahrnehmen und vom Unternehmen, das sie besuchen, so gut wie nichts wissen. Weder die Anzahl der Mitarbeiter, noch die Branche, noch der derzeitige DV-Status manchmal ist ihnen sogar die Funktion des Gesprächspartners unbekannt. Nach dem Austausch von Belanglosigkeiten öffnen sie die Schleusen ihres DV-Stausees und überfluten den Kunden mit ihrem Wissen (oder was sie dafür halten). Sie lassen den Kunden möglichst nicht zu Wort kommen. Er könnte ja einen Einwand bringen, auf den man nicht vorbereitet ist. Außerdem ist man ja nicht auf jedem Gebiet fit. Wenn es gelingt, die Gesprächszeit mit einem Thema auszufüllen, in dem man sich sicher fühlt, dann kann man vom Kunden nicht bloßgestellt werden. Daß der Gesprächspartner, wenn es ihm noch etwas an Selbstbewußtsein fehlt, sich geistig nach kurzer Zeit ausgeklinkt hat und nur noch so tut, als höre er zu, bemerken diese Verkaufsstrategen nicht.

Welche Chancen hätte dagegen ein Verkäufer, der sich auf den Besuch vorbereitet! Der sich einige Informationen über das zu besuchende Unternehmen vorher beschafft hat (und sei es durch einen Anruf beim Empfang oder einer Sekretärin eben dieser Firma). Nach der Begrüßung fragt er nach dem Ziel aus Kundensicht und der Zeit, die der Gesprächspartner vorgesehen hat. Er läßt den Kunden seine Probleme schildern, hört aktiv zu, macht sich Notizen und stellt vertiefende Sachfragen. Er erläutert dem Kunden danach, wie ihm geholfen werden könnte und gesteht auch mal ein, daß er in manchen Gebieten nicht bis ins Detail sattelfest ist. Das Gespräch endet nicht mit allgemeiner Kundenverwirrung, sondern mit dem Vorschlag zu einer weiteren gemeinsamen Aktivität. Solch ein Verkäufer weiß auch, daß ein Kunde nicht ein System, ein Terminal, ein Softwarepaket ersteht. Er verkauft die Problemlösung aus der der Kunde persönlichen und sachlichen Nutzen ziehen kann.

Zu einem erfolgreichen Verkaufs- oder Beratungsgespräch müssen beide Seiten ihren Beitrag leisten. Doch nicht jeder Kunde ist dazu bereit. Auch er muß sich auf ein Gespräch vorbereiten, soll es für ihn gewinnbringend werden. Wichtige Daten sollten greifbar sein. Nicht selten kommt es vor, das über den Einsatz eines PPS-Systems diskutiert wird und man nicht einmal sagen kann, wie viele Stücklisten, Arbeitspläne und Lohnscheine zu verwalten sind. Wer gut beraten werden will, muß bereit sein, Einblicke zu gewähren. Und nicht jede Firma möchte das. Man will ein vollständiges Lösungsangebot - mit internen Informationen ist man gegenüber dem Verkäufer oder Berater knauserig. Oft beißen sich solche Kunden auch an Einzelheiten fest. Sie wollen alles genauso, wie es bisher (manuell) war, nur eben jetzt mit DV.

Enttäuschungen auf Kundenseite entstehen noch aus anderer Ursache. Es wird vom Verkäufer zuviel erwartet. Heute ist er Gesprächspartner des DV-Leiters. Morgen sitzt er vielleicht dem Leiter des Rechnungswesens gegenüber, übermorgen Mitarbeitern aus der Fertigung und dann den Damen und Herren aus Marketing und Vertrieb. Jeder erwartet, daß der VB sich als gleichwertiger Partner im Gespräch ausdrücken kann. Man sieht im Verkäufer einen Leonardo da Vinci der DV, den Universalgeist - den es eben heute nicht mehr gibt. Die Qualifikation hat sich in den letzten Jahren zwar wesentlich verbessert. Mehr und mehr lassen sich auch Absolventen von Hochschulen und Fachhochschulen für den Verkäuferberuf begeistern. Von keinem allgemein praktizierenden Arzt würde man aber fordern, daß er nach einem Studium und ohne Erfahrung wie ein Spezialist eine Herzoperation durchführt - ähnliches verlangt man indes vom DV-Verkäufer.

Wie könnte es besser werden? Was können Verkäufer und Kunde tun, um gemeinsam Probleme zu lösen - zum Vorteil beider Parteien? Der Verkäufer sollte sich an seine Verkaufsausbildung erinnern. War sie gut, dann weiß er noch, daß ein Verkaufsgespräch in Phasen verläuft: In der Gesprächseröffnung legt er die Basis für das Vertrauensverhältnis. In der Phase der Bedarfsanalyse stellt er fest, welche Bedürfnisse, sachlicher und persönlicher Art, der Kunde hat. Während der Argumentationsphase legt der Verkäufer mit Nutzen-Argumenten dar, wie das Problem des Kunden (vielleicht) gelöst werden könnte. Und Abschluß bedeutet eben nicht immer die Unterschrift unter dem Kaufvertrag. Es ist viel öfter der gemeinsam vereinbarte nächste Schritt.

Der Kunde bereitet sich ebenfalls auf ein Gespräch vor. Er hat zumindest in Stichworten festgehalten, welche Probleme er voraussichtlich mit Hilfe der Hard- und Software lösen will. Wichtige Daten Mengengerüste, hat er vorher selbst ermittelt. Er erwartet vom Verkäufer nicht, daß er in jedem Gebiet spezielle Kenntnisse mitbringt. Der Kunde betrachtet ihn vielmehr als Informationsmakler zwischen sich und den Fachleuten der anderen Seite.