Kein Mauerblümchen-Dasein mehr

DV-Revisor: Allroundtalent mit dem Marschallstab im Tornister

26.06.1992

MÜNCHEN (hk) - Eine Berufsgruppe, zu deren Merkmalen Allroundtalent mit betriebswirtschaftlichen und DV-Kenntnissen zählt, hat auf dem Computer-Arbeitsmarkt Hochkonjunktur: der DV-Revisor. Bei der Volkszählung 1987 noch in die Rubrik "Sonstige DV-Berufe" eingeordnet, gehört er heute zu den Gewinnern der Krise in der Computerindustrie.

Innerhalb der DV-Berufe machte der DV-Revisor 1987 gerade 0,1 Prozent aus und trug die rote Laterne in der Rangliste der DV-Berufe. Zwar gibt es heute keine vergleichbaren Zahlen, allerdings zeigen aktuelle Stellenauswertungen eindeutig, daß Unternehmen - in der Hoffnung, ihre DV berechenbarer zu machen - verstärkt DV-Revisoren suchen.

DV-Revisor als interner Unternehmensberater

Der SCS-Stellenauswertung für das erste Quartal 1992 zufolge wandten sich immerhin 1,8 Prozent der Anzeigen für DV-Spezialisten an Revisoren. Damit lag der Planer und Kontrolleur der DV um einiges höher in der Gunst der suchenden Unternehmen als der PC-Spezialist (1,2 Prozent) und der Datenbankspezialist (0,8 Prozent).

Kenner der Materie überrascht diese Entwicklung nicht, denn die "galoppierende Automatisierung bestimmt das betriebliche Geschehen", wie es der Revisionsleiter eines weltweit agierenden Konzerns in der Elektronik und Verkehrstechnik-Branche nannte. Deshalb sei es unabdingbar, gerade in der DV Kontrollmechanismen einzuführen. "Der DV-Revisor muß wie ein interner Unternehmensberater agieren, der sowohl die Schwachstellen aller Systeme analysiert als auch Vorschläge für die Zukunft unterbreitet", so der Revisionsleiter, der nicht namentlich genannt werden möchte.

KPMG-Berater Otto Winterskov glaubt, daß die deutschen Unternehmen erst jetzt langsam begreifen - wenn von Outsourcing und Umstrukturierung die Rede ist - , daß eine interne Kontrolle der Datenverarbeitung notwendig ist. Weil den Betrieben diese Probleme so auf den Nägeln brennen, geht er davon aus, daß sich die Zahl der DV-Revisoren von jetzt geschätzten 2300 in den nächsten Jahren verdoppeln wird. Die Betriebe haben indes Schwierigkeiten, die Position dieses Allrounders zu besetzen. Denn er muß sowohl betriebswirtschaftliche Kenntnisse als auch fundiertes DV-Know-how mitbringen. Eine Hochschulausbildung dafür gibt es jedoch nicht.

Der Revisionsleiter der Düsseldorfer Flughafen GmbH Heinz Günther, bevorzugt den Kaufmann mit "fundierten DV-Kenntnissen". Für ihn ist der Diplominformatiker in dieser Funktion überqualifiziert, zumal er sich schlecht vorstellen kann, daß sich dieser hochqualifizierte DV-Profi für betriebswirtschaftliche Aufgabenstellungen begeistern könne.

KPMG als weltweit agierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bietet laut Winterskov eine eigene Ausbildung an, die sich aus Training on the job und zusätzlichen Kursen besteht.

Als wichtige Selbstverständlichkeit, darauf weisen alle drei Revisionsexperten hin, gilt die permanente Weiterbildung. "Wer für die Weiterbildung eines DV-Revisors weniger als

10000 Mark jährlich investiert, soll es gleich bleiben lassen," fordert Winterskov.

Eines ist jedoch den meisten DV-Revisoren sicher - - der Aufstieg in der Unternehmenshierarchie. Weil sie am besten den Informationsfluß, aber auch die Schwachstellen des eigenen Betriebes kennen und mit einem Schnittstellenwissen (EDV + BWL) ausgestattet sind, winken ihnen bereits nach wenigen Jahren Management-Positionen.

Der anonym bleibende Revisionsleiter formuliert es drastisch: "Wer als DV-Revisor von den Abteilungen nicht intern abgeworben wird, hat seinen Job nicht gut gemacht."

Aufgrund der großen Nachfrage und des geringen Angebots dürfen die Revisoren gehaltsmäßig noch einiges erwarten. 120000 bis 140000 Mark Jahresgehalt für einen Informatiker mit vier bis fünf Jahren Berufserfahrung seien durchaus möglich, meint der KPMG-Berater. Der Konzern-Manager, der anonym bleiben will, relativiert dagegen diese Zahl und meint: "Wir zahlen nicht mehr jedes Gehalt", er glaubt sowieso an das Ende der Hochlohnpolitik in der DV.