Unkonventionelle Mitarbeitersuche lohnt sich

DV-Profis lassen sich aus den Fachabteilungen rekrutieren

05.06.1992

Gute DV-Mitarbeiter sind teuer. Diese simple wie pauschale Feststellung werden all diejenigen bestätigen, die für ihr Unternehmen auf der Suche nach DV-Spezialisten oder. Führungskräften sind. Monika Herrmann* plädiert für einen einfachen Weg der Rekrutierung: Fachspezialisten sollen innerhalb des Unternehmens geschult und in der Datenverarbeitung eingesetzt werden.

Woher qualifiziertes Personal nehmen und nicht stehlen, sprich abwerben? Unkonventionelle Suchmethoden haben Hochkonjunktur in der DV-Branche. Deshalb ist auch die Abwerbung an der Tagesordnung. Aber Abwerbung ist teuer. Warum sollte ein Mitarbeiter das eigene Unternehmen verlassen, wenn er sich wohlfühlt und nicht ein Viertel oder gar die Hälfte mehr als im bisherigen Job verdient?

Stellenanzeige muß aussagekräftig sein

Die gute alte Stellenanzeige ist immer noch ein praktikabler Weg, an qualifiziertes Personal zu kommen - auch im DV-Bereich. Allerdings sollte man bei der. Anzeigengestaltung um so mehr beachten, daß wenig aussagefähige Anzeigen nur diejenigen locken, die mit dem eigenen Unternehmen unzufrieden sind. Hier müssen Personalabteilung und DV-Abteilung eng zusammenarbeiten. Niemandem ist damit gedient, wenn in der Anzeige ein Sammelsurium an Begriffen auftaucht, die in bunt er Folge aneinandergereiht sind und dem DV-Experten eher ein Schmunzeln ablocken, als daß sie ihn reizen, sich zu bewerben.

Der richtige Zeitpunkt spielt eine große Rolle

Der Zeitpunkt der Schaltung ist entscheidend, aber es sind nicht unbedingt dieselben. Zeiten wie bei anderen Positionen. Denn DV-Profis haben häufig spezielle Kündigungsvereinbarungen bei ihrem Unternehmen. Sechs Monate sind da nichts Außergewöhnliches. Deshalb sind nicht die normalen Kündigungszeiten die guten Anzeigentermine, sondern vielmehr sind der Schulbeginn oder das Ende der Rückzablungsfrist für die Weihnachtsgratifikationen als Eintrittstermin eher geeignet.

Freilich kann sich das Unternehmen nicht immer aussuchen, wann der Bedarf entsteht. Je höher der Zeitdruck, desto enger die Eingrenzung der Medien. Monatlich erscheinende Fachzeitschriften haben etwa den Nachteile daß Reaktionszeiten auf Stellenanzeigen erheblich länger sind. Denn bevor die Fachzeitschrift im Unternehmen durchgelaufen ist, können zusätzlich sechs bis acht Wochten vergehen. Da dieser konventionelle Weg so seine Tücken hat, muß man auch andere Wege der Personalsuche gehen. So sind Messen mittlerweile zum Personalkarussell fast in allen Branchen geworden.

Das gleiche gilt für Kongresse, Fachveranstaltungen und Seminare. Eine Tatsache ist jedenfalls, daß die besten stellensuchenden Mitarbeiter und die besten Jobs unter der Hand gehandelt werden.

Diese Methoden sind keineswegs unseriös. Es sind die Mechanismen, die sich eingebürgert haben, um möglichst rasch an interessante und hochkarätige Bewerber heranzukommen.

Es schadet auch nicht, einen Blick in die Zeitung "Markt & Chance" des Arbeitsamtes zu werfen. Viele Wechselwillige testen dort ihren Marktwert ab. Selbst hochkarätige Spezialisten sind dort per Kurzprofil angeboten.

Je höher die Position ist, die es zu besetzen gilt, desto schwieriger die Suche. Das Unternehmen kann davon ausgehen, daß es für eine Führungsposition mit Spezialistenwissen ein Jahr und länger suchen muß. Das entspricht der praktischen Erfahrung.

Einfacher haben es da Firmen, die in ihrer Personalpolitik längerfristige Strategien verfolgen, etwa wenn sie Führungspositionen aus den eigenen Reihen besetzen.

Großkonzerne "kaufen" komplette Absolventenjahrgänge aus den Universitäten heraus. Je früher also ein Betrieb Kontakt mit Universitäten aufnimmt, dort Über Aushänge Praktika anbietet, Diplomarbeiten unterstützt etc.. desto eher hat er eine Chance, qualifizierte Nachwuchsleute zu bekommen.

Zu Recht sind manche Umschulungsmaßnahmen kritisch anzusehen. Nicht alle sind schlecht, aber leider sind auch nicht alle gut. Ein Blick auf Ausbildungssituation und Hinterfragen der Ausbildungsqualität helfen, Fehlentscheidungen zu "vermeiden.--

Die Auswahl ist mit besonderer Sorgfalt durchzufahren. Hier sollte -zwar der fachkundige Rat der Personalabteilung herangezogen werden, um beispielsweise Bewerbungsunterlagen zu überprüfen. Doch muß die Meinung der DV-Abteilung den Ausschlag geben. Denn nur sie kann beurteilen, welche aufgeführten Kenntnisse dem Geforderten am nächsten kommen, also auch den notwendigen Spielraum einräumen, wenn nicht alle fachlichen Anforderungen in Gänze erfüllt werden. Denn Hardware und Software sind umfangreich und teilweise unübersichtlich geworden.

Allerdings so sollte das suchen. de Unternehmen das Maßband nicht zu eng anlegen, denn noch nicht vorhandene Kenntnisse lassen sich erwerben, wenn der Bewerber den wichtigen Grundanforderungen entspricht.

Soziale Fähigkeiten, die beispielsweise in der Anwenderbetreuung gefordert werden, sind wesentlich schwieriger zu erwerben oder zu entwickeln.

Auch Quereinsteiger sollten eine Chance erhalten denn nicht nur der Informatiker kann DV-Probleme lösen. Wenn dies nicht so wäre, dann dürfte es mindestens zwei Generationen von DV-Fachleuten nicht geben.

Selbst wenn das Unternehmen nicht unter Zeitdruck steht, muß die DV-Abteilung wissen, daß sie sich mit der Personalabteilung auf längere Diskussionen einzustellen hat, wenn es um die Festlegung des Gehalts geht. Doch das dürften DV-Chefs von den jährlichen Diskussionen bei Gehaltserhöhungen gewohnt sein. Mit Tarifgehalt ohne Zusatzleistungen lassen sich gute DV-Leute kaum zum Wechsel der Firma bewegen.

Wenn sich ein Mitarbeiter wohlfühlt, verläßt er seinen Ar. beitgeber nicht. Vor diesem Hintergrund sollte jeder Personalchef überprüfen, ob er nicht längerfristige Strategien gerade im DV-Bereich entwickeln sollte, indem er zum Beispiel in die Qualifikation seiner Mitarbeiter investiert. Damit läßt sich das Einkaufen von teurem Know-how vermeiden.

Mitarbeiter aus dem eigenen Haus haben einen entscheiden. den Vorteil; sie kennen die Systeme, die Abläufe und die Menschen im Unternehmen.

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist allerdings, daß das Unternehmen weiß, welches Qualifikationsprofil seine eigenen Beschäftigten haben. So könnte es in einer Befragung feststellen, was der Mitarbeiter sonst noch - neben den beruflich aktuell geforderten Qualifikationen - mitbringt und was er in Zukunft gerne arbeiten möchte. Von unten ist es immer einfacher nachzulegen, als in der Mitte oder gar oben.

Wenn beim eigenen DV-Personal nicht die geforderten Profile vorhanden sind, lohnt es sich darüber nachzudenken, wer im Unternehmen sonst noch in Frage käme und vielleicht auch willens und in der Lage wäre, eine weitere berufliche Karriere im DV-Bereich einzuschlagen. Dieser unkonventionelle Weg, aus Facbabteilungen qualifizierte DV-Leute zu gewinnen, ist einen Versuch wert, bevor auf dem Arbeitsmarkt teuer Personal eingekauft wird.

Mit einer mittelfristigen Personalplanung kann das Unternehmen gezielt den eigenen Nachwuchs aufbauen. Das ist noch immer ein Weg, der sich auf jeden Fall rentiert. Und Absolventen mit wenig praktischer Erfahrung lassen sich nach wie vor finden.