Britisches NEDC untersucht Förderpolitik der Mitwerber am Weltmarkt:

DV-Politik zwischen Gießkanne und Richtstrahl

27.02.1981

LONDON (gr) - Die britische Regierung zweifelt, in der Förderung ihrer Elektronikindustrie den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Nach und nach stieß der staatliche National Enterprise Board seine Beteiligung an Computerunternehmen und Halbleiterherstellern ab. ICL geriet in Schwierigkeiten, die sich durch die Öffnung des Marktes im Zuge der GATT-Realisierung in diesem Jahr verstärken. Die wirtschaftliche Entwicklungsbehörde für die Elektronikindustrie kam bei der Untersuchung der Förderpolitik in Japan, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und den USA zu dem Ergebnis, daß die Mitbewerber am Weltmarkt mehr für ihre DV-Industrie ausgeben und dieses Geld außerdem besser anlegen.

Alle untersuchten Länder konzentrierten ihre Fördermittel nach der Studie des National Economic Development Office herstellerseitig auf die gleichen Bereiche. Frankreich, die BRD, Japan und die USA förderten, wenn auch mit unterschiedlichen Methoden, Computer- und Halbleiterindustrie wie den Telekommunikationsbereich.

Während der 70er Jahre versuchten Westeuropa und Japan, den technologischen Vorsprung der USA aufzuholen. Die hohen Militärausgaben, das Weltraumprogramm, die Größe des US-Marktes und die Oligopolstruktur der Wirtschaft hatten dem Kontinent-Land nach Ansicht des Entwicklungskomitees einen einzigartigen Vorteil verschafft. Im Gegensatz zu Japan, der Bundesrepublik und Frankreich gab es hier kein klar definiertes Programm zur industriellen Entwicklung. Die Devise "Buy American" führte dazu, daß bis 1980 zwei Drittel aller

Staatsaufträge in den USA aufgrund eines einzigen Angebotes erteilt werden. Kleinunternehmen werden über die gesetzliche Auflage gefördert, an allen öffentlichen Aufträgen von mehr als einer halben Million Dollar über Subkontrakte beteiligt werden zu müssen.

Wie in der Bundesrepublik bestehe in den USA eine Vorliebe für indirekte Förderung der Elektronikindustrie. Doch werden - im Gegensatz zu Japan und der BRD - in den USA vor allem öffentliche Gelder für Forschung und Entwicklungskomitees darauf achten, ihre Fördermittel in Industriezweigen mit hohem technologischen Niveau, großer Wertschöpfung und breiter Diffusionswirkung einzusetzen, forschten die Amerikaner auch um der Forschung willen.

Japan: Geringe Anfangsinvestitionen

Der Erfolg der japanischen Industrie im Elektroniksektor beruht nach Ansicht des britischen Komitees auf dem Import von Technologien im Entwicklungsstadium. Da die Rüstungsausgaben nur ein Prozent des Bruttosozialprodukts statt drei in den übrigen untersuchten Ländern ausmachten, trat die Komsumnachfrage an diese Stelle, um eine Massenproduktion zu ermöglichen. Die geringen staatlichen Forschungsmittel würden in immer stärkerem Maße eingesetzt, meßbare Fortschritte in Bereichen zu erzielen, die bereits ein hohes technologisches Niveau erreicht hätten. Hitachi beispielsweise beschäftige 11 Prozent der Mitarbeiter in F & E. Nur japanische Unternehmen erhalten den Zuschlag für öffentliche Aufträge im Computerbereich. Die mehrheitlich staatliche Japan Electronic Computer Corporation entlaste die einheimischen Hersteller, indem sie deren Computer aufkaufe und verlease.

Die Hersteller, meist Teile riesiger Konzerne, schließen sich zu langfristigen Projekten wie Entwicklung von Software (rund 107 Millionen Pfund Sterling über fünf Jahre veranschlagt) oder speziell von Betriebssystemen für die kommende Rechnergeneration , unter Mitwirkung des Außenhandels- und Industrieministeriums (MJTJ) zusammen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Regierung, die der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes den Vorrang vor sozialen Belangen einräumte, wird nach Ansicht des Autors in einer Phase langsameren Wachstums zu innenpolitischen Schwierigkeiten führen.

Frankreich baut auf Intervention

Die französische Förderpolitik im Elektronikbereich bezeichnet das Entwicklungskomitee als interventionistisch. Mittelfristig unterstützte die Regierung durch ihre in die Planifikation eingebundenen Maßnahmen den Strukturwandel und übte Einfluß auf die Nachfrage im öffentlichen und privaten Bereich aus. Dem im Auftrag der französischen Regierung erstellten Nora-Report nach waren die Informationstechnik-Industrien wegen ihrer Diffusionswirkung förderwürdig. Der Einfluß des Staates ging bis zum Verbraucher, der über die Nutzung des elektronischen Telefonbuches beispielsweise an den Umgang mit Computerendgeräten gewöhnt werden soll. Für die vierte Planperiode zwischen 1979 und 1983 stehen in Frankreich rund 250 Millionen Pfund Sterling zur Förderung der Herstellung und Anwendung von Computern, Peripheriegeräten, Halbleitern, Software wie zur F & E einschließlich Erziehung zur Verfügung.

Die Bundesrepublik bevorzugt nach Ansicht des Komitees die indirekte Wirtschaftsförderung. Zugrunde liege die Überzeugung, daß die Spreu vom Weizen am besten durch den Wind des Wettbewerbs geschieden wird. Die bekannten drei DV-Programme mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf der Liefer- und Nachfrageseite werden nach Informationen der Briten durch ein viertes ergänzt. Dotiert mit 300 Millionen Pfund verfolge dieses von 1980 bis 1983 drei Ziele: Die Informationstechnologie zu fördern, die Kommunikationsstrukturen zu verbessern und den beidseitigen Informationsfluß zwischen Hersteller und Anwender zu beleben.

Den letzten beißen die Hunde

Großbritannien ist in einer unglücklichen Lage. Ein schnelles Wirtschaftswachstum erleichtert nach Ansicht des Komitees die technologische Entwicklung und damit die Ablösung veralteter Produkte und Prozesse. Es erfordere aber auch einen raschen Wandel der Wirtschaftsstruktur. Die Briten bewegen sich in einem Teufelskreis. Das verhaltene Wirtschaftswachstum erschwert den Absatz und damit die Verbreitung der Produkte der Elektronikindustrie, was wiederum ein Nachhinken hinter dem Wettbewerbern zur Folge hat. Zu allem Überfluß gehöre Großbritannien noch zu den energiereichen Ländern. Verringerte Energieeinfuhren führten entweder zu mehr Importen von Nicht-Energie-Gütern, weniger Exporten oder einer Kombination aus beiden. An den Briten geht die Herausforderung zum Strukturwandel vorbei. Großbritannien senke die Ausfuhren und steigere die Importe. Als Folge zeichne sich eine Kontraktion des verarbeitenden Gewerbes ab.