DV-OIdies: Antiquität oder leistungsgerechtes System

29.08.1986

Kommt ein Rechner in die Jahre, so scheiden sich die Geister jener, die ihrem "Computer-Oldie" einen Liebhaberwert abgewinnen, von solchen, die sich ihres Fossils gern entledigen würden. Als ärgerlich empfindet es denn auch Hans-Peter Stöckl von der Fachhochschule Furtwangen, "abseits vom Zug der Zeit" werkeln zu müssen. Seine Kollegen von der Universität Osnabrück ziehen dagegen eine positive Bilanz aus der nunmehr bald 20jährigen Erfahrung mit ihrem TR 440: Insbesondere bei der Softwareausstattung kann die Hochschule von den Kenntnissen ehemaliger TR 440-Betreiber profitieren. Zufrieden mit der Leistung seiner Wang 2200 zeigt sich ebenfalls Wolfgang Sofic vom Bayerischen Oberbergamt. Lediglich beim Kundendienst erweise sich das ältere Modell als Handicap.

Klaus Brauer

Thomas Haarmann, Rechenzentrum der Universität Osnabrück TR 440

Unser Rechenzentrum betreibt seit 1. September 1977 einen Rechner vom Typ TR 440. Nach gegenwärtiger Planung wird dieser noch bis Mitte des Jahres 1988 betrieben werden. Von seiten des Rechenzentrums wurden keine Aktivitäten unternommen vor Ablauf der geplanten Standzeit - und an Hochschulrechenzentren wird von einer durchschnittlichen Standzeit von zehn Jahren ausgegangen - den TR 440 abzulösen.

Bevor die Gründe dargelegt werden, warum das Rechenzentrum keine vorzeitige Ablösung betrieben hat, hier einige Bemerkungen zur Geschichte des TR 440.

1961 wurde der schnellste deutsche Rechner, der TR 4 von der Firma AEG Telefunken, ausgeliefert. Sein Nachfolger, der TR 440, wurde Ende der 60er Jahre entwickelt und 1970 an das damalige Deutsche Rechenzentrum - heute GMD Darmstadt - und an das Rechenzentrum der Ruhr-Universität Bochum geliefert. Der Rechner hatte erstaunlicherweise keinen kommerziellen Erfolg.

Dies führte dazu, daß die DV-Aktivitäten von AEG-Telefunken umstrukturiert werden mußten, woraus Telefunken Computer entstand, an der AEG-Telefunken und Nixdorf beteiligt waren. Nach dem Scheitern dieser Verbindung übernahm Siemens deren gesamte DV-Aktivitäten und gründete die Computer Gesellschaft Konstanz (CGK).

Inzwischen gibt es außerhalb der CGK noch vier TR 440. Da drei TR 440 in Niedersachsen stehen, sagt man, Niedersachsen habe die höchste TR 440-Dichte der Welt.

Nun zu den Gründen, warum das Rechenzentrum der Universität Osnabrück keine vorzeitige Ablösung angestrebt hat.

Aktivitäten in dieser Richtung hat es von seiten verschiedener Firmen gegeben. Wegen der üblichen Praxis im Hochschulbereich, Rechner zu kaufen und die nächste Investition erst nach zehn Jahren zu tätigen hätte eine derartige vorzeitige Ablösung keine Investitionen nach sich ziehen dürfen. Es wäre nur eine Mietlösung in Frage gekommen, die bezüglich der laufenden Kosten hätte neutral sein müssen.

Das heißt: Mietkosten und Wartungskosten hätten die derzeitigen Wartungskosten nicht übersteigen dürfen. Obwohl letztere nicht eben niedrig sind, zeigte sich, daß kein Rechner, den man zu diesen Konditionen hätte betreiben können, die Leistung des TR 440 erreicht.

Der Betreiber eines TR 440 im Jahre 1986 sieht sich - obwohl rings umher dieser Rechner außer Betrieb genommen wurde und der TR 440 nunmehr fast exotischen Charakter bekommen hat - in der glücklichen Lage, bezüglich der Softwareausstattung von den zahlreichen Arbeitsergebnissen der Lieferfirma und diverser ehemaliger TR 440-Betreiber profitieren zu können.

Die "Blütezeit" des TR 440 war gekennzeichnet von einer sehr guten fachlichen Zusammenarbeit zwischen Lieferfirma und Betreibern sowie von einem regen Softwareaustausch der TR 440-Rechenzentren untereinander, wobei insbesondere auch leistungsfähige Software aus ausländischen Institutionen von einigen Rechenzentren auf dem TR 440 implementiert und an die anderen TR 440 Rechenzentren weitergegeben wurde. Durch Eigenentwicklung beziehungsweise erhebliche Anpassungsarbeiten (zum Beispiel leistungsfähiges Spoolsystem) wurden im Laufe der Jahre die Nutzungsmöglichkeiten des TR 440-erheblich verbessert. Durch den Anschluß und die konsequente logische Einbindung moderner Geräte (Terminals, Drucker, Plotter, PC, Grafik-Terminals) wurde ein leistungsfähiges Netz zur Versorgung der Außenstandorte aufgebaut. Ein wesentlicher Grund jedoch, daß wir keineswegs betrübt sind, den TR 440 auch noch heute und sogar noch etwa zwei Jahre zu betreiben, ist die exzellente Benutzerschnittstelle. Das Betriebssystem BS3 und der Komfort der Kommandosprache - sowohl bezüglich der Möglichkeiten als auch hinsichtlich der zugrunde liegenden Konzeption - waren ihrer Zeit weit voraus. Was heute von einigen Anbietern als moderne und zukunftsweisende Benutzerschnittstelle angepriesen wird, ist für den TR 440-Benutzer "ein alter Hut".

Zwar ist die Hardware aus heutiger Sicht veraltet, jedoch lassen sich die meisten Dienste, die mit Großrechnern der 80er Jahre erbracht wurden, auch mit einem TR 440 erbringen. Hinsichtlich des - gerade für ein Hochschulrechenzentrum so wichtigen - Aspektes "Komfort der Benutzerschnittstelle" ist der TR 440 ein großer Fortschritt gegenüber fast allen Großrechnern, die ihn ersetzt haben.

Ein ausgemusterter TR 440 ist inzwischen an die Nikolaus-Kopernikus-Universität in Thorn/Polen geliefert worden, der zweite wird folgen, so daß am TR 440 nicht nur Generationen deutscher Studenten und Wissenschaftler ausgebildet worden sind, sondern auch demnächst Generationen polnischer Studenten und Wissenschaftler.

Hans-Peter Stöckl

Technischer Leiter des Rechenzentrums der Fachhochschule Furtwangen PDP 11/34

Oldies but goldies, das mag zwar zutreffend sein für die nostalgische Betrachtung von Schlagermelodien und das liebevolle Handhaben alter Automobile, für den Computeranwender und -betreuer ist es jedoch eine ärgerliche Sache. Abseits vom Zug der Zeit zu werkeln, viel Wartungsarbeit und ein wirtschaftlich absolut nicht vertretbares Verhältnis von laufenden Kosten zu Nutzen sind für Betreiber von Computer-Oldtimern die Randbedingungen. Dies war und ist für manche Anwender gerade im Ausbildungs- und Forschungsbereich aufgrund nicht ausreichender Investitionsmittel leider noch immer eine Tatsache.

Durch entsprechende Förderungsprogramme von Bund und Ländern für Forschungsaufträge an ursprünglich nur mit Ausbildung betraute Institutionen, der Einführung von DV in den Sekundärbereich und den Auswirkungen und Auswüchsen der High-Tech-Philosophie bahnen sich hier jedoch merkbare Veränderungen an. Nicht zuletzt die Computerhersteller selbst unterstützen dabei beispielsweise die Hochschulen beträchtlich, wissen sie doch um den multiplikativen PR-Effekt in diesem Environment.

... und dennoch gibt es sie nach wie vor: Die "Freaks", die sich der Ablösung eines überholten Computersystems durch ein wirtschaftlich günstigeres und technisch modernes erwehren möchten. Jahrelang hatten sie den Status erarbeitet, daß nur sie allein sich in den Eingeweiden ihrer Maschinen auskennen. Und dann kommt da noch die Angst vor der Umstellung von Programmen hinzu, organisatorische Veränderungen sind eventuell auch noch zu berücksichtigen. Aber diese Angst nehmen einem ja bekanntlich a priori die Sales-Leute der Computerhersteller; ist erst einmal verkauft, wird das drohende Unheil mitunter zur Wirklichkeit und die "Freaks" fühlen sieh in ihrer Skepsis bestätigt. Eine den Erfordernissen angepaßte Investitionsplanung, gut aus- und weitergebildete, DV-Systemverantwortliche sowie eine seriöse Information- und Verkaufspolitik der Computerhersteller sind in Konjunktion die Basiselemente für die vernünftige Dimensionierung des "Life-cycle" eines jeden Computersystems. Und das gilt nicht nur für den-Hochschulbereich!

Wolfgang Sofic

Technischer Oberinspektor beim Bayerischen Oberbergamt, München Wang 2200 LVPC

Seit numnehr zwei Jahren ist bei uns, der technischen Aufsichtsbehörde für den Bergbau in Bayern, eine DV-Anlage des Typs Wang 2200 LVPC 64 F mit einem Festplattenlaufwerk mit 32 MB Speicherkapazität ausgerüstet. An die LVPC angeschlossen ist eine Festwechselplattenstation mit 80 MB Speicherkapazität. Die weitere Peripherie besteht aus drei Terminals, einem Wang PC mit zwei Disketten-Slots und 256 KB Arbeitsspeicher, der zur Zeit hauptsächlich noch mit Hilfe der 2236-Emulation an den 2200 angeschlossen wird, einem Flachbettplotter, einem Digitalizer, einem Grafikterminal mit einem Digitalisiertablett, einem Matrixdrucker und zwei Typenraddruckern.

Der Wang-Rechner vom Typ 2200 ist eine Maschine, die schon lange auf dem Markt ist, aber als veraltet oder gar als total veraltet kann man sie nicht bezeichnen. Ein effizientes Arbeitssystem sorgt dafür, daß die Möglichkeiten der 2200 voll und ganz ausgeschöpft werden und somit an der Verarbeitungsgeschwindigkeit keine Kritik ansetzen kann.

Vor allem im technisch-wissenschaftlichen Bereich genießt die 2200 großen Zuspruch.

Bei uns war jedoch die Hardware nicht der ausschlaggebende Faktor, der die Entscheidung zugunsten der Wang 2200 maßgebend beeinflußte. Wie bereits an der Zusammenstellung der DV-Anlage zu erkennen ist, wird zur Zeit bei der bayerischen Bergbehörde das Hauptaugenmerk auf die grafische Datenverarbeitung gelegt. So sind in den nächsten Jahren zwölf thematisch unterschiedliche Kartenwerke mit über 12 000 Einzelkarten in verschiedenen Maßstäben zu erstellen, beispielsweise das Leitungskataster der Gashochdruckleitungen in Bayern als Übersicht im Maßstab 1 zu 25 000, die Berechtsamtskarte (einer Art grafischen Grundstücksverwaltung) für Bayern in verschiedenen Maßstäben, die Lagerstättenkarte, also die Darstellung der unregelmäßig geformten Vorkommen an Bodenschätzen in verschiedenen Maßstäben.

Nach intensiven Bemühungen und Vergleichen, fanden wir in einem Münchner Softwarehaus den richtigen Partner und mit einem interaktiven grafischen Datenverwaltungssystem für die anstehenden und zu lösenden Probleme die richtige Software. Da diese Software auf der Wang 2200 entwickelt worden war, blieb damals als einzige Möglichkeit die Anschaffung dieses Rechnertyps. Obwohl das interaktive grafische DV-System zwischenzeitlich auch auf allen IBM-kompatiblen PCs läuft sowie auch auf dem mehrplatzfähigen Wang APC, würde ich mich auch heute noch für den DV-Oldie Wang entscheiden da das Zeitverhalten der 2200 bei vier angeschlossenen Bildschirmen eindeutig besser ist als das des APC, und weil noch weitere acht Bildschirme angebunden werden können.

Daß dies wichtig wird, zeigt der Trend des letzten Jahres. Nach anfänglicher Einstiegsangst wird zwischenzeitlich das Testverarbeitungsprogramm D.A.T.A. 3500 mit den verschiedenen Mitteln voll ausgelastet, und von den Fachabteilungen kommen diverse Aufträge, die mit dem Programmentwicklungssystem Speed umgesetzt werden.

Mit der Wang 2200 sind wir in die Datenverarbeitung eingestiegen, und nachdem Hard- und Software nunmehr zwei Jahre lang intensiv genutzt wurden, kann abschließend festgestellt werden, daß beide Komponenten genau das und mehr gehalten haben, was von ihnen erwartet worden war.

Da wir als Dienststellensitz München haben, kann bezüglich der Serviceleistungen, was Schnelligkeit und Effizienz betrifft, keine Kritik vermeldet werden; im Gegenteil, die Service-Abteilung ist nach meinen Erfahrungen hervorragend.

Der einzige Tropfen Wermut im Wein ist die Verkaufsabteilung bei der Firma Wang, die, sobald der "Deal" abgeschlossen ist, vergißt, daß Kunden auch betreut werden wollen.

Aber hier greift wohl das erste Mal das Wort vom "DV-Oldie".